Öffnungsschritt:

Schwabachs Biergärten: Oasen in der Corona-Wüste

10.5.2021, 17:18 Uhr
Der Tag eins hat Steffano Matteucci aus Rom angelockt. Der Cellist mit Keyboardbegleitung gab der Szenerie im Herzen Schwabachs einen unvorhergesehenen und damit erst recht besonderen Zauber.

© Paul Götz, NN Der Tag eins hat Steffano Matteucci aus Rom angelockt. Der Cellist mit Keyboardbegleitung gab der Szenerie im Herzen Schwabachs einen unvorhergesehenen und damit erst recht besonderen Zauber.

Die neue Zeitrechnung beginnt am Montag, 10. Mai, 11 Uhr. To go ist vorbei, der Biergarten ist offen. Die Stammgäste sowieso, aber auch ein Fernsehreporter haben den Weg zum Burgersgarten – nicht gefunden – sondern gezielt angepeilt. Wirt Holger Stark strahlt, wenn er seine schwarze Maske abnimmt: „Das ist eine Freude, endlich, endlich wieder auf!“

Für diesen Zustand hat er alles auf sich genommen, nur nicht länger dicht haben. Nicht jeder der Gastronomen, die jetzt wieder aufmachen dürfen, bietet seinen Gästen ein Zelt für einen Schnelltest an. Wer sein „Besteck“ nicht dabei hat, kann sich zum Selbstkostenpreis von fünf Euro eins kaufen. Den Rest bis zur ersten Halben kennt man noch aus dem vergangenen Jahr, Anmeldung und Papierkram. „So schlimm ist das gar nicht“, meint Holger Stark zum bürokratischen Aufwand und wiederholt, „ich mach’s gern, wenn nur wieder Leben da drin ist. Die Leute rufen seit zwei Tagen an. Heut Abend ist hier gerammelt voll.“

Die Sonne meint es gut am Premierentag, die Idylle am Nadlersbach ist perfekt. Und natürlich hat der Stammtisch aus den Wetterbericht zur Kenntnis genommen, dass der Mai bald wieder unangenehm wird. Wolfgang Erdel hat seinem Burgersgarten während der über halbjährigen Sperrstunde die Treue gehalten, hat seinen Holger unterstützt und sich immer wieder an der togo-Bude versorgt. Klar, dass er es sich eingerichtet hat, zur Biergarteneröffnung dabei zu sein. Ohne App und Impfung, da ist er eher skeptisch, was Vakzine und Datensicherheit angeht, aber am Schnelltest kam er nicht vorbei.

„Verdammt lang her.“

Sven Rösner und Nicole Koller können sich gar nicht mehr an den letzten Stammtisch erinnern: „Verdammt lang her.“ Und wie es der Zufall wollte, hatte sie von der Arbeit her an diesem Premierentag frei. Gegenüber sitzt Klaus, der aus einem ganz speziellen Grund ständig auf eine Öffnung geschielt hat. Mit dem Lockdown im November musste er sich einer Krebstherapie unterziehen. Das volle Programm: OP, Chemo und Bestrahlungen. „Für mich ist das eine therapeutische Sache, diese Kontaktlosigkeit schlägt aufs Gemüt.“ Ja und aufgewärmt haben sich einige aus der Runde auch schon, am Sonntag beim Rittmayer in Hallerndorf: „Da mussten wir unser Bier auf der Wiese nebenan trinken, es ist schon klasse, wenn man am Tisch sitzen kann.“ 36 stehen im Burgersgarten zur Verfügung.

An Tisch 4 hat der älteste Stammgast Platz genommen. Karl Gößwein (83) und seine Gefährtin Ingrid Masson kommen seit zehn Jahren. „Jeden Freitag um 18.30 Uhr“, lacht Holger Stark im Vorbeigehen, „da kannst du deine Uhr danach stellen.“ Während die beiden auf ihre Brotzeit warten, zeigt Karl Gößwein seine Eintrittskarte: Ein Impfpass mit zwei Einträgen.

Bier aus dem Krug, Essen vom Teller, da fehlt eigentlich nur noch die Live-Musik. „Das wird wohl noch nicht gehen“, vermutet Holger Stark. Doch ein paar hundert Meter Luftlinie weiter gibt’s das schon. Aus eigenem Antrieb hat sich da das Duo von Steffano Matteucci aus Rom platziert und beschallt den Marktplatz mit Cello und E-Piano. Keine der umliegenden Gastronomen hat sie engagiert. „Wir sind Freiberufler“, erklärt der Cellist, „ein toller Ort.“

Wahl zwischen Schwabach und Erlangen

Thorsten und Robert die sich gleich nebenan im Fabiano niedergelassen haben, sind auch wegen der Musik froh, dass sie bei der morgendlichen Lotterie Schwabach gezogen haben: „Wir sind Selbstständige aus Nürnberg und wollten heute unsere Zeit nicht in einem Gebäude verbringen. Wir haben gewählt zwischen Erlangen und Schwabach und haben uns hier gleich einen Platz an der Sonne ergattert.“

Gegenüber in der Taverna Meteora noch so eine Begegnung, die den touristischen Ehrgeiz in der Goldschlägerstadt anstacheln sollte. Das Paar aus der Ansbacher Gegend hat sich spontan dazu entschieden, die Gunst der Stunde und des Wetters zu einem Ausflug nach Schwabach zu nutzen. „Das war eine gute Entscheidung heute. Wenn das Essen gut ist, kommen wir wieder.“ Als Rentner müssen die beiden nicht mit Arbeitszeiten jonglieren. Und die Dame kann ihren stolz nicht verhehlen, dass sie ehedem in der Pflege gearbeitet hat.
Meteora-Junior-Chef Ioannis Godis freut sich sehr, sehr, sehr, „das endlich wieder Licht im Tunnel ist“ und lobt das Verständnis seiner Gäste bei den bürokratischen Unannehmlichkeiten: „Die Leute sind gut aufgeklärt, zu 99 Prozent gibt es kein Problem.“


Corona-Lockerungen: Das ändert sich ab Montag


Südländischer Überschwang in der Eisdiele Buonissimo, die ja wenigstens schon für den Straßenverkauf offen hatte und für die die neue Zeitrechnung schon um 10 Uhr begann. „Ein Traum“, schwärmt Chef Felipe de Souza, „jetzt kommt die gute Zeit für die Leute, das Leben zu genießen.“ Das mit den Kontrollen, so de Souza, sei für die Gastronomie schon nicht so einfach, müsse aber sein: „Sicher ist sicher.“ Dank der Nähe zur Teststation an der Sparkasse seien aber wenigstens die Schnelltests für die Erledigungen in der Innenstadt keine große Hürde.
Das gute Stube von Schwabach gibt übrigens ein skurriles Bild ab: Während man auf den Plätzen Masken tragen muss, darf man sie an den Tischen abnehmen – die seit November mit einem Bann belegt waren.