Von der „Milchvisitation“ bis zum Supermarkt
21.1.2012, 10:45 UhrIm Archiv der Stadt beginnen die Aufzeichnungen über die Milchversorgung 1874 mit den „Milchvisitationen“, den Vorschriften zur Milchkontrolle. Der Stadtmagistrat hatte in den ortspolizeilichen Vorschriften festgelegt, dass drei Sorten von Milchen angeboten werden dürfen: „Ganze Milch, wie sie von der Kuh kommt, gänzlich abgerahmte (blaue) Milch und der durch gänzliches Abnehmen der ganzen Milch gewonnene Rahm (Kern).“
Am 8. Dezember 1910 gab „Polizeilicher Wachtmeister Moser“ dem Stadtmagistrat einen Bericht zur Milchversorgung in der Stadt: 486 Milchkühe in den 80 Schwabacher Bauernhöfen gaben durchschnittlich 3462 Liter pro Tag. Weitere 1159 Liter kamen von Bauern aus der Umgebung. Das hieß: „Auf die 11100 Einwohner kommen auf den Kopf pro Tag etwas mehr als 0,4 Liter. Der Verkaufspreis beträgt 20 Pfennige.“ Fazit: Die Milchversorgung in Schwabach sei gegenüber Nürnberg und Fürth „eine etwas bessere“.
Seife mit Milch
Gut genug für eine Schwabacher Besonderheit: 1900 hat die damals weltbekannte Firma Ribot Milch zur Seifenherstellung verwendet.
Die beiden Weltkriege und die Geldentwertung führten zu einem furchtbaren Mangel an Milch. Am 20. Dezember 1933 wurde im Gasthaus „Laumer“, wie überall, auf Anordnung des Staates auch in Schwabach eine Milchlieferungs-Genossenschaft (MLG) mit 81 Mitgliedern gegründet. Erster Vorsitzender war Georg Götz aus der Reichswaisenhausstraße 1, Geschäftsführer Leonhard Nutz aus der Badstraße 6. Über viele Jahre bis zur Auflösung 1975 leitete Johann Neubauer aus Limbach als Vorsitzender die MLG.
Der Milchpreis betrug 1934 22 Pfennig ab Laden und 23 Pfennig frei Haus. In diesem Jahr errichtete die MLG eine Sammelmolkerei (Milchhaus) in der Nördlichen Mauerstraße 2. Der Betrieb wurde nach 38 Jahren zum 1. März 1972 eingestellt. Dann wurde die Milch durch Tankwagen abgeholt und zur Bayerischen Milchversorgung nach Nürnberg gebracht.
1938 erfolgte aus hygienischen Gründen die Umstellung von der nur gekühlten Rohmilch auf die pasteurisierte Vollmilch. Zu dieser Zeit gab es in Schwabach 13 Milchgeschäfte: Auf der Aich 5 (August Reingruber), Austraße 6 (Karl Federlein), Benkendorferstraße 3 (Thomas Habersetzer), Eisentrautstraße 2 (Karoline Schroll), Forsthof 38 (Martin Rabus), Ludwigstraße 7 (Georg Weiß), Nadlerstraße 7 (Lina Demel), Neutorstraße 1 (Leonhard Miederer), Nürnberger Straße 2 (Emma Bühler), Penzendorfer Straße 33 (Fritz Wolf), Wittelsbacherstraße 8 (Alwin Burck), Wolfsgrubengasse 2 (Babette Schrödel) und in der Zöllnertorstraße 8 (Adolf Kramer, später Frau Lischka).
Vollmilch für Kinder und Schwangere
Auch im Zweiten Weltkrieg herrschte Not, besonders in der Stadt. Milch, Butter, Käse und vieles andere war nur noch auf Lebensmittelmarken erhältlich. Um 1943 erhielten die Erwachsenen 0,25 Liter Magermilch, Kinder und Schwangere 0,5 Liter Vollmilch täglich.
Selbst lange nach dem Krieg gab es an allen Schulen noch die Schulmilch. Als Ende der 1960er die ersten größeren Lebensmittelgeschäfte entstanden und später noch viele weitere Discountläden und Supermärkte hinzu kamen, die ebenfalls Milch und Milcherzeugnisse im Angebot hatten, mussten immer mehr Milchgeschäfte schließen.
Heute gibt es im gesamten Stadtgebiet nur noch 14 Milchviehbetriebe. Ihre Milch wird in Windsbach zu Käse verarbeitet.
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