Warum wählen? Eine 19-Jährige hat Antworten

14.9.2017, 05:58 Uhr
Warum wählen? Eine 19-Jährige hat Antworten

© Foto: Hannibal Hanschke/dpa

Ich bin 19 Jahre alt, habe frisch mein Abitur bestanden, werde ab Oktober studieren, plane derzeit meinen Auszug aus dem Elternhaus und mache nebenbei noch ein Praktikum beim Schwabacher Tagblatt. Jede Sekunde Freizeit, die ich bekomme, nutze ich um Freunde zu treffen, meinen Hobbys nachzugehen oder einfach mal nichts zu tun. Trotzdem habe ich einen Teil dieser wertvollen Zeit genutzt und mir Gedanken über die Wahl gemacht und meinen Wahlzettel ausgefüllt.

Warum? Weil ich es kann. Heutzutage gibt es immer weniger Länder, in denen eine freie, allgemeine, unmittelbare, geheime und vor allem gleiche Wahl möglich ist. Was wir hier in Deutschland haben, ist ein Privileg, das man schätzen sollte.

Wenn man an die politische Lage in Länder wie Nordkorea oder Saudi-Arabien denkt, läuft einen ein Schauer über den Rücken. Ganz klar: Wir wollen nicht so leben. Deshalb gehen wir wählen.

Aber vor allem bei den jüngeren Generationen nimmt die Wahlbeteiligung immer mehr ab, was ich überhaupt nicht nachvollziehen kann. Schließlich ist es doch größtenteils unsere Zukunft, über die die "Alten" bestimmen. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir in dieser Zukunft auch leben müssen, ist größer.

Nicht wählen, weil ...

Ich kenne all die Argumente, die Leute in meinem Alter heranziehen, um zu begründen, warum sie nicht wählen gehen. Sie fühlen sich noch zu jung, um zu wählen, es ändert sich ja ohnehin nie etwas, sie wissen ja nicht wirklich etwas über Politik und so weiter.

Aber ist es nicht genau deshalb, weil wir so jung sind, wichtig, dass wir wählen gehen? Wir, die in einer vollkommen anderen Zeit aufgewachsen sind als unsere Eltern und Großeltern, haben ein anderes Weltbild, wollen andere Dinge in unserer Zukunft haben und sehen doch jetzt bereits einige Regierungsbeschlüsse als "altmodisch" an. Warum also benutzen manche nicht ihre Stimme?

Geduld ist eine nervige Tugend

"Es ändert sich ja eh nichts." Natürlich. Die Politik kann sich nicht von Heute auf Morgen verändern, es ist ein langwieriger Prozess und wird vermutlich mehrere Jahrzehnte dauern, bis wir eine Regierung haben, wie wir sie uns wünschen. Geduld ist eine Tugend, die echt nervig sein kann. Aber lieber warte ich Jahre lang, bevor sich nie irgendetwas ändert.

Als Erstwähler sitzt man entweder in der Schule, Ausbildung oder im Studium. Dass man da keine Zeit hat, sich mit der Wahl oder der Politik auseinanderzusetzen, ist verständlich. Und seien wir ehrlich, kaum einer erinnert sich noch an das Zeug, das wir in der Schule gelernt haben. Aber es wird ja auch gar nicht verlangt, dass wir wissen, wie viele Abgeordnete im Bundestag sitzen oder wie viele Schritte es braucht, bis ein Beschluss auch tatsächlich rechtskräftig ist. Worum es geht, sind unsere Interessen. Grob wissen wir ja, wofür jede Partei steht und was sie macht. Um den letzten Schliff zu bekommen, müssen wir nur noch mehr ihr Wahlprogramm durchlesen. Da finden wir genügend Gründe, um eine Partei gut zu finden oder uns zu wünschen, dass sie niemals an die Macht kommt.

Zwei kleine Kreuze

Einen Wahlzettel bei der Bundestagswahl auszufüllen, ist kein großes Ding. Wir machen zwei Kreuze und das war‘s. Aber mit diesen Kreuzen beeinflussen wir nicht nur unsere eigene Zukunft, sondern auch die Zukunft unserer Kinder und vielleicht sogar Kindeskinder. Unsere Entscheidungen haben größeren Einfluss, als manche überhaupt wissen.

Mit unserem Kreuzen wählen wir eine Partei für oder gegen die Flüchtlingspolitik, für oder gegen den Überwachungsstaat, für oder gegen Europa. Ist es da nicht auch unsere Pflicht, unsere Stimme abzugeben? Die älteren Generationen vererben uns die Politik, und nun liegt es an uns, daraus etwas zu machen, worauf wir, unsere Kinder und alle anderen Generationen nach uns stolz sein können.

Wir müssen uns überlegen, was wir für unsere Zukunft wollen. Wir haben die Macht darüber. Wir haben die Wahl.

Politisch sind wir groß

Deutschland ist im Vergleich zu anderen Ländern vielleicht klein, aber politisch sind wir groß. Wir sind frei, gleichberechtigt, haben Meinungsfreiheit und sind finanziell abgesichert. Wollen wir wirklich durch Nicht-Wählen das alles riskieren? Soll unsere Regierung zu einer Lachnummer werden wie in den USA? Wollen wir wirklich, dass radikalisierte Gruppen an die Macht kommen, einfach nur aus Trotz zu der jetzigen Politiklage?

Wir alle wissen aus dem Geschichtsbuch, wie schnell sich eine politische Lage durch Passivität radikalisieren kann.

Natürlich läuft nicht alles immer wie geschmiert, natürlich gibt es vieles, worüber wir uns beschweren und natürlich ist nicht jeder mit seiner Lage zufrieden. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass unsere Demokratie noch sehr jung ist. Im Vergleich zu anderen fast noch ein Kind. Ein Kind muss man erziehen und den richtigen Weg zeigen. Nur weil uns manche Regierungsbeschlüsse im Hier und Jetzt nicht passen, heißt es noch lange nicht, dass sie auch morgen da sein werden. Denn wir haben die Macht, das zu ändern.

Niemand wird gezwungen

Aber selbstverständlich hat auch jeder das Recht, nicht wählen zu gehen. Auch das ist ein Privileg unserer Demokratie. Keiner kann jemanden dazu zwingen, seinen Wahlzettel auszufüllen. Wenn ihr lieber zusehen wollt, wie eure Zukunft bestimmt wird, dann macht das. Lehnt euch zurück und genießt die Show.

Aber beschwert euch im Nachhinein nicht, wenn sich etwas daraus entwickelt, was euch nicht passt. Beschweren dürfen sich nur die Leute, die ihre Stimme von Anfang an genutzt haben.

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