Wunderbares Medley betörender Lyrik mit Oliver Steller

23.3.2015, 09:05 Uhr
Wunderbares Medley betörender Lyrik mit Oliver Steller

© Foto: Scherbel

Goethe und Brecht, Rilke und Tucholsky, Morgenstern und Else Lasker-Schüler — sie und all ihre Dichterkollegen hätten ihre Freude an ihm: Oliver Steller befreit sie aus den Lesebüchern, er gibt ihnen Stimme und Gesicht. Seit 20 Jahren rezitiert, intoniert und singt Steller ihre Texte. Allein oder zusammen mit seinem Quintett tourt er durch die Säle und Schulen im Land und preist ihre Schönheit.

Zu seinem 20. Bühnenjubiläum hat Steller jetzt aus den eh schon betörenden Lyrik-Programmen ein besonders schönes Medley zusammengestellt. Dieses „Best of“ sollte eigentlich nur einmal gefeiert werden, aber weil die fein komponierte Auswahl so gut ankommt, zeigen er und sein musikalisches Quintett den Rundgang durch die Dichtkunst noch ein paar Mal – zum Glück auch in Schwabach.

In Schwabach ist Oliver Steller schon zum vierten Mal zu Gast, bei den SPD-Kulturtagen wurde der Musiker und Rezitator mit Heinrich Heine, Morgenstern und Rainer Maria Rilke im poetischen Gepäck jedesmal begeistert beklatscht.

Also ein Besuch fast wie daheim. Und trotzdem anders. Denn an die Stelle der Synagoge tritt diesmal die Spitalkirche als Spielort – und bietet neben Sandsteinsäulen, unter der mächtigen Orgelempore und vor dem effektvoll illuminierten Altar eine wunderbare Kulisse für das poetische Konzert.

Mit den versierten (und auch einen Saitenriss seiner Gitarre routiniert improvisierenden) Musikern Dietmar Fuhr am Kontrabass, Friso Lücht am Piano, Holger Martin an den zahlreichen Schlagwerken und Mel Collins am Saxophon hat Steller die Verse in die Töne jeweils passgenau eingewunden und geflochten: Manche Zeilen werden (mit schlagenden Klöppeln auf dem Boden) unterstrichen wie etwa Tucholskys Gedicht „Rosen, auf den Weg gestreut“: „Küsst die Faschisten, wo ihr sie trefft!“

Goethes zarte Ode an die blutjunge Christiane untermalt dagegen das Klingen einer „Hang“–Scheibe, und als Tonangeber für den unheilvollen Erlkönig rückt Holger Martin mit seiner gesamten percussiven Armada an.

Aber schon schmunzelt Steller süffisant in die Runde „Was lehrt uns dies Gedicht?“ und hat wunderbare Ironisierungen dabei, zum Beispiel „das Gespräch einer Hausschnecke mit sich selbst“, das Morgenstern in seinen Galgenliedern ebenso verewigt hat wie die Beugung des „Werwolf“, den es aber leider nur im Singular gibt.

Die Liebesgedichte – von Rilke selbst oder von seiner zeitweiligen Geliebten Lou-Andreas Salomé, aber auch von Mascha Kaléko oder Erich Fried – umarmen sich mit Stimme und Gitarre, Kontrabass und Saxophon zum berauschten Seelengleichklang, doch sofort haut das „Romantikverhinderungsgedicht“ vom „Fliegerich zur Fliegenfrau“ die Tür zum Blues des Herzens wieder zu – um sie mit Else Lasker-Schülers Tibetteppich doch doppelt wieder aufzustoßen.

Denn Steller findet – wie die Zuhörer auch: Manche Gedichte muss man einfach zwei Mal hören. Das gilt ganz besonders, wenn man die Chance hat, sie mit Oliver Steller und seinem exzellenten Quintett zu erleben. Auf diese neue Chance – mit Dichterinnen im Herbst 2016 – darf man sich freuen.

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