Schwandorf: Früherer CSU-Kandidat verschwunden

18.11.2009, 00:00 Uhr
Schwandorf: Früherer CSU-Kandidat verschwunden

© Gerhard Götz

Es gibt sicher CSU-Kandidaten, die hätten sich bei dem Wahlergebnis ein Glas Sekt gegönnt, trotz Niederlage. Uwe Kass brachte es immerhin auf respektable 40 Prozent gegen den SPD-Bewerber Helmut Hey. «Das hat ihn zutiefst getroffen», berichtet Heinz Wesely. Er hat den OB-Kandidaten während seines Wahlkampfes über Monate in dessen Steuerberatungskanzlei in München vertreten. «Kass ging davon aus, dass er gewinnt.»

CSU möchte nicht an das düstere Kapitel erinnert werden

Heute, eineinhalb Jahre nach der Kommunalwahl, möchte die Schwandorfer CSU am liebsten nicht mehr an das düstere Kapitel erinnert werden. Der Ortsvorsitzende Andreas Wopperer weigert sich, «Stichworte zu liefern» für irgendwelche Medienberichte. Nur so viel: Uwe Kass hat sein Stadtratsmandat nicht mehr inne, weil er laut Wopperer «nicht mehr den Wohnsitz in Schwandorf hat».

Das ist leicht untertrieben: Das letzte Lebenszeichen von Uwe Kass stammt vom 31. Juli 2008. Auf einem Schmierzettel teilte er seinem Kollegen Wesely mit, dass er «auf dem Weg in den Irak» sei. Kass überließ die angeblich gut florierende Steuerkanzlei in der Landeshauptstadt einfach sich selbst - die zwölf Mitarbeiter eingeschlossen, die über Nacht ohne Arbeit und Job dastanden.

Kriminalpolizei interessiert sich für Geschäftsunterlagen

Die Münchner Steuerberaterkammer hat die Mitgliedschaft von Kass inzwischen getilgt und einen «Praxisabwickler» beauftragt, der sich nun für die Interessen der betroffenen Mandanten der nicht mehr existierenden Steuerberatungsgesellschaft einsetzen soll. Der Verwalter der aufgegebenen Kanzlei ließ vor einigen Tagen mehr als eine Lkw-Ladung, rund 350 Kisten mit 3.500 Aktenordnern, aus einem Speditionslager abholen. Für die Geschäftsunterlagen hatte sich zuvor schon die Kriminalpolizei interessiert.

Uwe Kass ist nämlich international zur Fahndung ausgeschrieben, nachdem die Staatsanwaltschaft Regensburg bereits 2008 einen Haftbefehl gegen den prominenten Kommunalpolitiker erwirkt hat. Der leitende Oberstaatsanwalt Günther Ruckdäschel erklärte auf Anfrage unserer Zeitung, dass Ermittlungen wegen Betrugs in zwei Fällen laufen. Uwe Kass habe von einem Privatmann ein «Millionen-Darlehen bekommen und nicht zurückgezahlt». In dem anderen Fall sei eine Bank geschädigt, so Ruckdäschel.

Drei Millionen Euro von einem Bekannten

Recherchen unserer Redaktion ergaben, dass sich Kass von einem Bekannten drei Millionen Euro mit dem Versprechen geliehen haben soll, in kürzester Zeit sechs Millionen Euro zurückzuzahlen. Kass’ früherer Kanzleivertreter Wesely allerdings sieht darin weniger einen Betrug als einen Fall von «Habgier» des Kreditgebers.

Möglicherweise hat aber der verschwundene Schwandorfer noch ganz anderen Ärger der Justiz zu erwarten. Der Münchner Rechtsanwalt Wilhelm Lachmair hat Strafanzeige gegen den Ex-Steuerberater erstattet. Der Anwalt vertritt rund 50 Mandanten, die Geld bei einem geschlossenen Immobilien-Ansparfonds angelegt haben. Diese GmbH & Co. KG mit Sitz in München habe mit einem «sehr aggressiven Vertrieb» angeblich rund 3000 Investoren akquiriert, die gemeinsam im Lauf der Jahre rund 30 Millionen Euro aufbringen sollten, so Anlegerschutz-Anwalt Lachmair.

Fonds hat bisher zehn Millionen Euro vernichtet

Doch der Fonds sei nur im Besitz einer einzigen Immobilie in Norddeutschland. Lachmair: «Sehr viel an Werten ist da nicht geschaffen worden.» Dafür seien pro Jahr etwa 300.000 bis 600.000 Euro Kosten «verbraten» worden. «Der Fonds hat bisher zehn Millionen Euro vernichtet, ein Totalverlust.» Allerdings sei es auch gelungen, für etwa zwei Dutzend Anleger in Vergleichsverhandlungen mit der Immobiliengesellschaft rund die Hälfte der Einlagen zurückzufordern, berichtete der Rechtsanwalt.

Steuerberater dieser dubiosen Anlagegesellschaft: Uwe Kass. Und Anwalt Lachmair wirft dem verschwundenen Schwandorfer vor, als steuerlicher Berater des Fonds an einer «Bilanzfälschung» mitgewirkt zu haben: Nach einer Betriebsprüfung seien steuerlich nicht anerkannte Vertriebskosten als Immobilienwert deklariert worden. «Da wurden einfach die Aktiva um zwei Millionen Euro hochgefahren - und Kass hat diese Bilanz mitverantwortet», so Rechtsanwalt Lachmair. Auch er wüsste gerne, wo der Schwandorfer heute lebt. «Der letzte bekannte Aufenthaltsort war Dubai.»

Doppelhaushälfte in Schwandorf zwangsversteigert

In diesen Tagen ist es in Schwandorf Stadtgespräch, dass Uwe Kass’ Doppelhaushälfte zwangsversteigert worden ist. Den Zuschlag erhielt nach Medienberichten die einzige Bieterin, die Ehefrau des vermissten Kommunalpolitikers. Uwe Kass’ ehemaliger Kanzleivertreter Wesely spricht von einem «tragischen Schicksal». Auch einen Selbstmord schließt der Kollege nicht aus. Das Handy des Verschwundenen habe noch eine Zeitlang funktioniert. Doch Anrufe angenommen habe niemand.