Frühchen mit Herzfehler

Sechsjähriger unterstützte: Fränkin erlebt dramatische Geburt zu Hause - "gleicht einem Wunder"

Erik Thieme

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18.02.2025, 10:47 Uhr
Dass David endlich aus dem Krankenhaus nach Hause darf, hat er dem Einsatz zahlreicher Pflegekräfte und Ärzte zu verdanken.

© Michael Rabenstein/Uniklinikum Erlangen Dass David endlich aus dem Krankenhaus nach Hause darf, hat er dem Einsatz zahlreicher Pflegekräfte und Ärzte zu verdanken.

Dramatischer hätte das Leben des kleinen David wohl nicht beginnen können. Schon Wochen vor dem Geburtstermin war klar, dass der Säugling nach der Geburt eine Operation benötigen würde. Seiner ungeborenen Zwillingsschwester Adele fehlte nichts, doch bei David diagnostizierten die Ärzte des Klinikums Erlangen via Ultraschall eine Transposition der großen Arterien (TGA), also einen Herzfehler.

Bei einer solchen TGA sind die Ursprünge der Körper- und der Lungenschlagader vertauscht. "Der Lungenkreislauf, der das Blut mit Sauerstoff anreichert, und der Körperkreislauf, der den Körper mit Sauerstoff versorgt, sind nicht wie gewöhnlich miteinander verbunden, sondern komplett voneinander getrennt. In der Folge pumpt das Herz sauerstoffreiches Blut in die Lunge und sauerstoffarmes Blut in den Körper, was zu einer unzureichenden Sauerstoffversorgung der Organe und – ohne Operation – zum Tod führt", erklärt das Uniklinikum Erlangen in einer Pressemitteilung.

Mit einer Operation sei der Herzfehler aber in 95 Prozent der Fälle behebbar, erläutert der Sprecher des Kinderherzzentrums des Uniklinikums Erlangen, Sven Dittrich.

Mutter gebärt Zwillinge alleine zu Hause

Doch dann kam alles ganz anders. Bereits in der 29. Schwangerschaftswoche - in der Regel dauert eine Schwangerschaft rund 38 Wochen - setzten bei Davids Mutter Karolina die Wehen ein. Schmerzen hatte sie zwar nicht, doch weil ihr Mann auf Geschäftsreise war, wählte die Schwangere von zu Hause aus den Notruf. Als der Rettungsdienst bei der Familie ankam, waren Adele und David aber bereits geboren. Lediglich mit der Hilfe ihres sechsjährigen Sohnes Lev brachte die 31-Jährige ihre beiden Kinder zur Welt.

Wegen des Herzfehlers konnte Davids Körper ihn aber nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgen. Das Frühchen musste vom Rettungsdienst reanimiert und anschließend zusammen mit seiner Schwester auf die Intensivstation nach Erlangen gebracht werden. Aufgrund der TGA hätte der Junge eigentlich sofort operiert werden müssen, normalerweise führen die Ärzte umgehend einen Notfall-Herzkatheter-Eingriff durch. Doch weil der kleine David gerade einmal 1.200 Gramm auf die Waage brachte, schien die OP fast unmöglich. Die Prognose für den Jungen war zu diesem Zeitpunkt sehr düster. "TGA und extreme Frühgeburtlichkeit – das ist eine der schlechtesten Prognosen, die ein Kind haben kann", meint Dittrich. Die Ärzte schlossen das Kind an eine Beatmungsmaschine an.

Erster Eingriff erfolgt 24 Stunden nach der Geburt

Ohne den Eingriff ging es für den Jungen aber auch nicht. "Wir wussten: Ein Eingriff wird riskant, aber ohne ihn wird David ganz sicher sterben", berichtet Neonatologe Heiko Reutter. Das Team aus Spezialisten entschied gemeinsam mit den Eltern, das Risiko eines Eingriffs einzugehen. Keine 24 Stunden nach der Geburt führten die Ärzte den ersten Herzkatheter-Eingriff durch, wodurch sich Davids Kreislauf stabilisierte. Weil sich nach der OP aber der Darm des kleinen Jungen entzündete, musste dem Säugling noch vor dem nächsten Eingriff ein künstlicher Darmausgang gelegt werden. Anschließend mussten die Eltern und das Team der Klinik warten, dass David weiter heranwächst und das Blutvolumen in seinem Körper steigert, sodass ausreichend Blut für die zweite Operation vorhanden ist. "Es war ein Wunder, dass David zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch lebte", so seine Mutter.

13 Wochen nach seiner Geburt war der Säugling mit 2.300 Gramm - also etwa einem Kilogramm mehr als zum Zeitpunkt seiner Geburt - endlich bereit für den finalen Eingriff. Bei der sogenannten "arteriellen Switch-Operation" werden die Positionen der großen Blutgefäße am Herzen - die bei David vertauscht sind - korrigiert, um wieder einen normalen Blutfluss zu ermöglichen. Dem "DocCheck Flexikon" zufolge sollte der Eingriff eigentlich in den ersten zwei Lebenswochen durchgeführt werden, bei David dauerte es mehr als sechsmal so lange.

Erleichterung nach der letzten OP

Doch abermals verlief die Operation gut, das Schlimmste war überstanden. Für die Familie des kleinen Jungen war das eine entsprechend große Erleichterung. "Bis dahin hingen wir in der Luft, waren zwischen Himmel und Hölle. Nach der OP konnten wir endlich wieder durchatmen." David musste zur Kontrolle noch zwei weitere Wochen im Krankenhaus bleiben, erst knapp vier Monate nach seiner Geburt durfte der Junge endlich nach Hause.

Seine Eltern, aber auch die behandelnden Ärzte sprachen dem Team ein riesiges Lob aus. "Das Kind hat auch überlebt, weil unsere Pflegefachkräfte spitzen Arbeit machen!" Die Mediziner sind zuversichtlich, dass David ein ganz normales Leben führen kann. Solche Fälle gebe es aber nicht häufig. "Das ist schon wirklich eine besondere Krankengeschichte und eine ganz außergewöhnliche interdisziplinäre und interprofessionelle Leistung von Ärztinnen, Ärzten und Pflegepersonal aus der Neonatologie, Kinderkardiologie, Kinderherzchirurgie, Kinderchirurgie, Anästhesiologie und Kardiotechnik. Das war in dieser Form nur hier in Erlangen möglich", fasst Dittrich die herausfordernde Behandlung zusammen.

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