Shoppingmeile statt Hauptstraße: So entstand die Nürnberger Fußgängerzone

12.6.2019, 05:20 Uhr
Nach dem Zweiten Weltkrieg regierte überall in Deutschland noch die Idee von der autogerechten Innenstadt. Mit dem Fahrzeug sollte man möglichst direkt vor die Geschäfte fahren können. Die Karolinenstraße war auf diesem Bild von 1967 noch stark befahren. Straßenbahnen ratterten an der Lorenzkirche vorbei, die U-Bahn gab es damals noch nicht.
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Nach dem Zweiten Weltkrieg regierte überall in Deutschland noch die Idee von der autogerechten Innenstadt. Mit dem Fahrzeug sollte man möglichst direkt vor die Geschäfte fahren können. Die Karolinenstraße war auf diesem Bild von 1967 noch stark befahren. Straßenbahnen ratterten an der Lorenzkirche vorbei, die U-Bahn gab es damals noch nicht. © Gertrud Gerardi

Wo heute entspannt die Fußgänger entlangschlendern, rollte 1969 noch der Verkehr in Richtung Hauptmarkt. Mit der Aufenthaltsqualität war es nicht so weit her. Statt das mittelalterliche Stadtbild genießen zu können, mussten Touristen aufpassen, nicht von Autos überfahren zu werden.
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Wo heute entspannt die Fußgänger entlangschlendern, rollte 1969 noch der Verkehr in Richtung Hauptmarkt. Mit der Aufenthaltsqualität war es nicht so weit her. Statt das mittelalterliche Stadtbild genießen zu können, mussten Touristen aufpassen, nicht von Autos überfahren zu werden. © Hauptamt für Hochbauwesen - Bildstelle und Denkmalsarchiv Stadt Nürnberg

Der Hauptmarkt selbst wurde in den 1960ern an Sonntagen noch als Parkplatz genutzt. Natürlich nicht von Shopping-Willigen - zu diesen Zeit waren selbst verkaufsoffene Samstage noch eine Besonderheit. Am Sonntag parkten auf dem Hauptmarkt vor allem Touristen. Andere Plätze wie der Lorenzer oder der Hans-Sachs-Platz wurden sogar durchgängig als Parkplätze genutzt. Autos waren in den 1960ern omnipräsent in der Stadt.
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Der Hauptmarkt selbst wurde in den 1960ern an Sonntagen noch als Parkplatz genutzt. Natürlich nicht von Shopping-Willigen - zu diesen Zeit waren selbst verkaufsoffene Samstage noch eine Besonderheit. Am Sonntag parkten auf dem Hauptmarkt vor allem Touristen. Andere Plätze wie der Lorenzer oder der Hans-Sachs-Platz wurden sogar durchgängig als Parkplätze genutzt. Autos waren in den 1960ern omnipräsent in der Stadt. © Gertrud Gerardi

Selbst über den Hallplatz rollten damals noch die Fahrzeuge. Weil der Verkehr immer mehr zunahm, überlegte man sich allmählich Gegenmaßnahmen. Schon 1950 hatte der Nürnberger Stadtrat beschlossen, künftig keinen Durchgangsverkehr mehr durch die Altstadt zuzulassen.
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Selbst über den Hallplatz rollten damals noch die Fahrzeuge. Weil der Verkehr immer mehr zunahm, überlegte man sich allmählich Gegenmaßnahmen. Schon 1950 hatte der Nürnberger Stadtrat beschlossen, künftig keinen Durchgangsverkehr mehr durch die Altstadt zuzulassen. © Hans Kammler

1962 entstand schließlich die allererste (kleine) Fußgängerzone in Nürnberg. Ein großer Schritt - aber auch ein etwas zaghafter Anfang. Nur 200 Meter in der nördlichen Pfannenschmiedsgasse wurden in eine Fußgängerzone umgewandelt.
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1962 entstand schließlich die allererste (kleine) Fußgängerzone in Nürnberg. Ein großer Schritt - aber auch ein etwas zaghafter Anfang. Nur 200 Meter in der nördlichen Pfannenschmiedsgasse wurden in eine Fußgängerzone umgewandelt. © Gertrud Gerardi

Die Maßnahme war ein großer Erfolg. Weil die Fußgängerzone nur 200 Meter lang war, war das Konfliktpotenzial aber relativ gering. Gegen größere Fußgängerzonen wehrten sich die Einzelhändler erbittert. Sie fürchteten massive Umsatzeinbußen, wenn die Kunden nicht mehr mit ihrem Auto direkt vor dem Geschäft parken konnten.
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Die Maßnahme war ein großer Erfolg. Weil die Fußgängerzone nur 200 Meter lang war, war das Konfliktpotenzial aber relativ gering. Gegen größere Fußgängerzonen wehrten sich die Einzelhändler erbittert. Sie fürchteten massive Umsatzeinbußen, wenn die Kunden nicht mehr mit ihrem Auto direkt vor dem Geschäft parken konnten. © Erich Guttenberger

Ohne U-Bahn gab es damals natürlich auch noch keine Königstorpassage und damit auch keine Möglichkeit, unterirdisch vom Bahnhof in die Altstadt zu gelangen. Die Fußgänger drängten sich deshalb in Massen an den Ampeln,...
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Ohne U-Bahn gab es damals natürlich auch noch keine Königstorpassage und damit auch keine Möglichkeit, unterirdisch vom Bahnhof in die Altstadt zu gelangen. Die Fußgänger drängten sich deshalb in Massen an den Ampeln,... © Gertrud Gerardi

...um dann an der nächsten Verkehrsinsel gleich wieder anhalten zu müssen.
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...um dann an der nächsten Verkehrsinsel gleich wieder anhalten zu müssen. © Mandelsloh

Nach dem kleinen Abschnitt in der Pfannenschmiedsgasse sollte im Oktober 1966 auch die Breite Gasse zur Fußgängerzone werden.
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Nach dem kleinen Abschnitt in der Pfannenschmiedsgasse sollte im Oktober 1966 auch die Breite Gasse zur Fußgängerzone werden. © Gottfried Brauner

Am 17. Oktober 1966, einem Montag, sah es in der Breiten Gasse noch so aus. Lange Autoschlangen quälten sich über die Fahrbahn, alles war vollgeparkt, die Fußgänger hatten es schwer.
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Am 17. Oktober 1966, einem Montag, sah es in der Breiten Gasse noch so aus. Lange Autoschlangen quälten sich über die Fahrbahn, alles war vollgeparkt, die Fußgänger hatten es schwer. © Friedl Ulrich

Am Donnerstag, 20. Oktober 1966, änderte sich das Bild fundamental. Ab diesem Tag wurde die Breite Gasse zur Fußgängerzone. Aber erst wenige Passanten wagten sich auf die Fahrbahn, sie trauten dem Frieden (und den Autofahrern) noch nicht so recht. Weil die Breite Gasse damals noch aussah wie eine normale Straße mit Gehwegen, widerstrebte es vielen, sich auf die "Straße" zu begeben.
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Am Donnerstag, 20. Oktober 1966, änderte sich das Bild fundamental. Ab diesem Tag wurde die Breite Gasse zur Fußgängerzone. Aber erst wenige Passanten wagten sich auf die Fahrbahn, sie trauten dem Frieden (und den Autofahrern) noch nicht so recht. Weil die Breite Gasse damals noch aussah wie eine normale Straße mit Gehwegen, widerstrebte es vielen, sich auf die "Straße" zu begeben. © Hans Kammler

Zur "richtigen" Fußgängerzone wurde die Breite Gasse erst Anfang der 1970er, als auch endlich auf einem Niveau gepflastert wurde und der Anschein einer normalen Straße verschwunden war.
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Zur "richtigen" Fußgängerzone wurde die Breite Gasse erst Anfang der 1970er, als auch endlich auf einem Niveau gepflastert wurde und der Anschein einer normalen Straße verschwunden war. © Uli Kowatsch

Hier ist zu sehen, wie im September 1972 das neue Pflaster in der Breiten Gasse verlegt wurde. Während diese nun endlich "fertig" war, bahnte sich bereits eine enorme Vergrößerung der Fußgängerzone nur wenige Wochen später an.
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Hier ist zu sehen, wie im September 1972 das neue Pflaster in der Breiten Gasse verlegt wurde. Während diese nun endlich "fertig" war, bahnte sich bereits eine enorme Vergrößerung der Fußgängerzone nur wenige Wochen später an. © Bernd Jürgen Fischer

Die Nürnberger hatten ihre neue Fußgängerzone nämlich lieb gewonnen. Bei einer Umfrage erklärten im Jahr 1971 sogar 34 Prozent der Befragten, dass am besten die gesamte Altstadt zur Fußgängerzone gemacht werden sollte. Dies war freilich nicht möglich, doch die großen Favoriten - Karolinenstraße, Königstraße und Kaiserstraße -, sollten schon bald hauptsächlich den Fußgängern gewidmet werden.
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Die Nürnberger hatten ihre neue Fußgängerzone nämlich lieb gewonnen. Bei einer Umfrage erklärten im Jahr 1971 sogar 34 Prozent der Befragten, dass am besten die gesamte Altstadt zur Fußgängerzone gemacht werden sollte. Dies war freilich nicht möglich, doch die großen Favoriten - Karolinenstraße, Königstraße und Kaiserstraße -, sollten schon bald hauptsächlich den Fußgängern gewidmet werden. © Stadt Nürnberg

Am 17. Oktober 1972 wurden schließlich die Straßen für den Verkehr gesperrt, Polizisten und Mitarbeiter des Baureferats marschierten dafür auf. Karolinenstraße, Kaiserstraße und große Teile der Königstraße wurden zur Fußgängerzone. Durch die Karolinenstraße freilich ratterte noch jahrelang die Straßenbahn.
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Am 17. Oktober 1972 wurden schließlich die Straßen für den Verkehr gesperrt, Polizisten und Mitarbeiter des Baureferats marschierten dafür auf. Karolinenstraße, Kaiserstraße und große Teile der Königstraße wurden zur Fußgängerzone. Durch die Karolinenstraße freilich ratterte noch jahrelang die Straßenbahn. © Rudolf Contino

Auf dieser Grafik erkennt man, aus heutiger Sicht etwas verwirrend, die damalige Verkehrsführung und die Ausdehnung der Fußgängerzone. Bei der Karolinenstraße war zu diesem Zeitpunkt nur die Südseite für Fußgänger reserviert. Auf der anderen Seite rollte noch der Autoverkehr in Form einer Einbahnstraße.
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Auf dieser Grafik erkennt man, aus heutiger Sicht etwas verwirrend, die damalige Verkehrsführung und die Ausdehnung der Fußgängerzone. Bei der Karolinenstraße war zu diesem Zeitpunkt nur die Südseite für Fußgänger reserviert. Auf der anderen Seite rollte noch der Autoverkehr in Form einer Einbahnstraße. © NN

Mit der Begrünung seiner Plätze tut sich Nürnberg traditionell schwer. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel ist dieses Bild der Städtmöblierung in der Breiten Gasse, aufgenommen im Jahr 1972.
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Mit der Begrünung seiner Plätze tut sich Nürnberg traditionell schwer. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel ist dieses Bild der Städtmöblierung in der Breiten Gasse, aufgenommen im Jahr 1972. © Erich Guttenberger

Besser wurde es allmählich, als wenig später, im Herbst 1972, erste große Bäume eingehoben wurden.
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Besser wurde es allmählich, als wenig später, im Herbst 1972, erste große Bäume eingehoben wurden. © Rudolf Contino

Die Geschichte der Nürnberger Fußgängerzone ist reich an Anekdoten. So auch diejenige von den Pflanzkübeln, auf denen sich die Nürnberger immer zur Shopping-Pause niederließen und dabei die schönen Blümlein zerquetschten. Zum Schutz der Blumen wurden, der Taubenvergrämung nicht unähnlich, Blechzacken an den Pflanztrögen angebracht.
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Die Geschichte der Nürnberger Fußgängerzone ist reich an Anekdoten. So auch diejenige von den Pflanzkübeln, auf denen sich die Nürnberger immer zur Shopping-Pause niederließen und dabei die schönen Blümlein zerquetschten. Zum Schutz der Blumen wurden, der Taubenvergrämung nicht unähnlich, Blechzacken an den Pflanztrögen angebracht. © Friedl Ulrich

Doch einem echten Nürnberger (oder vielmehr: einer echten Nürnbergerin) macht das nur wenig aus. Die Passanten platzierten sich fleißig weiter auf den Pflanztrögen, die Zacken verschwanden bald wieder.
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Doch einem echten Nürnberger (oder vielmehr: einer echten Nürnbergerin) macht das nur wenig aus. Die Passanten platzierten sich fleißig weiter auf den Pflanztrögen, die Zacken verschwanden bald wieder. © Bernd Jürgen Fischer

1978 wurde der Platz vor der Lorenzkirche umgestaltet, fußgängerfreundliches Pflaster wurde verlegt, Bäume wurden gepflanzt.
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1978 wurde der Platz vor der Lorenzkirche umgestaltet, fußgängerfreundliches Pflaster wurde verlegt, Bäume wurden gepflanzt. © Erich Guttenberger

Das Muster, in dem die Steine verlegt wurden, stammt aus einem Entwurf des Münchner Professors Bernhard Winkler, der auch für die Gestaltung der Münchner Fußgängerzone verantwortlich war.
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Das Muster, in dem die Steine verlegt wurden, stammt aus einem Entwurf des Münchner Professors Bernhard Winkler, der auch für die Gestaltung der Münchner Fußgängerzone verantwortlich war. © Bernd Hafenrichter

Ab 1978 fuhr die U-Bahn unter der Altstadt, die Straßenbahn an der Oberfläche war überflüssig geworden. Hier werden im Jahr 1980 die Schienen am Hefnersplatz entfernt. Die Karolinenstraße hatten die Fußgänger fortan für sich.
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Ab 1978 fuhr die U-Bahn unter der Altstadt, die Straßenbahn an der Oberfläche war überflüssig geworden. Hier werden im Jahr 1980 die Schienen am Hefnersplatz entfernt. Die Karolinenstraße hatten die Fußgänger fortan für sich. © Hagen Gerullis

Der große soziale Vorteil einer Fußgängerzone gegenüber einem Einkaufszentrum: Hier darf sich jeder aufhalten, auch wenn er nichts konsumiert. So werden Fußgängerzonen auch zur Begegnungsstätte verschiedener Generationen, Subkulturen und Lebensentwürfe - wie hier 1984 in der Karolinenstraße.
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Der große soziale Vorteil einer Fußgängerzone gegenüber einem Einkaufszentrum: Hier darf sich jeder aufhalten, auch wenn er nichts konsumiert. So werden Fußgängerzonen auch zur Begegnungsstätte verschiedener Generationen, Subkulturen und Lebensentwürfe - wie hier 1984 in der Karolinenstraße. © Schillinger

Immer wieder wurde die Nürnberger Fußgängerzone erweitert, hier 1989 um die Vordere Sterngasse. Auch die Luitpoldstraße, die Weißgerbergasse oder der Trödelmärkt haben sich heute schon längst in Fußgängerzonen verwandelt.
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Immer wieder wurde die Nürnberger Fußgängerzone erweitert, hier 1989 um die Vordere Sterngasse. Auch die Luitpoldstraße, die Weißgerbergasse oder der Trödelmärkt haben sich heute schon längst in Fußgängerzonen verwandelt.

Unbestrittenes Zentrum der Nürnberger Einkaufswelt ist heute die Karolinenstraße. Ganz anders als früher: Bevor große Teile der Altstadt zur Fußgängerzone wurden, schlug das Nürnberger Einkaufsherz in der Südstadt rund um den Aufseßplatz. Der soll jetzt immerhin umgestaltet werden und wieder an Attraktivität gewinnen.
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Unbestrittenes Zentrum der Nürnberger Einkaufswelt ist heute die Karolinenstraße. Ganz anders als früher: Bevor große Teile der Altstadt zur Fußgängerzone wurden, schlug das Nürnberger Einkaufsherz in der Südstadt rund um den Aufseßplatz. Der soll jetzt immerhin umgestaltet werden und wieder an Attraktivität gewinnen. © Günter Distler