Stockender Ausbau: Windrad-Flaute lähmt Bayern
14.8.2019, 15:38 UhrNach der Nuklearkatastrophe im japanischen Fukushima am 11. März 2011 war plötzlich alles anders. Nicht nur der deutsche Atomausstieg wurde beschlossen, auch Bayern wollte zum Vorreiter in Sachen erneuerbarer Energien werden. Vor allem die Windkraft sollte massiv ausgebaut werden. Bis zu 1000 Windräder sollten in den Staatsforsten gebaut werden, verkündete Forstminister Helmut Brunner (CSU) im April 2012 in einer Regierungserklärung.
Dass es heute nur 101 Windräder sind statt 1000, liegt weniger an Helmut Brunner als am damaligen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU). Der war nach massiven Protesten von Windkraftgegnern eingeknickt und hatte im November 2014 die 10 H-Regelung eingeführt. Fortan durften Windräder nur noch dort errichtet werden, wo die nächste Wohnbebauung mindestens zehnmal so weit entfernt ist, wie das Windrad an dieser Stelle hoch ist. Beim heutigen Standard von 200 Metern Windradhöhe bedeutet das zwei Kilometer: Das faktische Aus für die Windkraft in Bayern. Im vergangenen Jahr wurden lediglich acht neue Anlagen in Betrieb genommen.
Planungsbüros sollen geeignete Flächen identifizieren
Die Ankündigung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU), in den kommenden zwei bis drei Jahren 100 Windräder in den Staatsforsten zu errichten, ist also letztlich nur eine abgespeckte Version früherer Pläne, und zwar genau 10 H von den ursprünglichen Absichten entfernt. Einfach wird es trotzdem nicht, geeignete Flächen zu finden. "Auf die Analysen von 2012 können wir dabei kaum mehr zurückgreifen. Damals gab es die 10 H-Regelung ja noch nicht, das waren ganz andere Voraussetzungen", verdeutlicht Jan-Paul Schmidt, Sprecher der Staatsforsten. Mit Hilfe von Planungsbüros will man nun "relativ schnell" geeignete Flächen identifizieren. Im Nürnberger Reichswald wird man dabei wohl nicht fündig werden. "Viele Flächen sind nah an der Bebauung. Vor allem aber ist praktisch die gesamte Fläche Vogelschutzgebiet, da ist kein Windrad möglich", erklärt Johannes Wurm, Leiter des Forstbetriebs Nürnberg.
"Die Pläne sind sicher sinnvoll, aber eben schwer umzusetzen. Es geht nicht immer nur im Konsens mit allen", meint er. Auch im Forstbetrieb Fichtelberg gibt es trotz der Höhenlage bislang keine Windräder. Und das wird wohl auch so bleiben. "Wir liegen fast vollständig im Landschaftsschutzgebiet, da darf kein Windrad errichtet werden. Wenn man nur mit der tatsächlich betroffenen Gemeinde und nicht auch noch mit allen Nachbargemeinden einen Konsens erzielen müsste, wäre vieles einfacher", schlägt Martin Hertel, stellvertretender Forstbetriebsleiter, vor.
Klimawandel: Fürth holt sich Expertenhilfe
"Momentan überholt die Politik uns dauernd", sagt Harald Schiller, Leiter des Forstbetriebs Allersberg. In seinem Bereich ist der Staatswald stark zersplittert, besteht aus vielen kleinen Flächen. Bei Deining im Landkreis Neumarkt gibt es immerhin schon zehn Windräder im Staatswald. "Bisher haben wir keine aktive Standortsuche betrieben. Betreiber sind auf uns zugekommen und wir haben Standortsicherungsverträge geschlossen. Das Vorgehen könnte sich jetzt umdrehen", glaubt Schiller. Viel sei bei ihm im Forstbetrieb aber wohl nicht mehr möglich, da es etliche Vogelschutz- und FFH-Gebiete gebe.
Ersatz fürs Holzgeschäft
Im Forstbetrieb Pegnitz gibt es bereits relativ viele Windräder. Elf Stück sind es, nächstes Jahr soll ein weiteres hinzukommen. "Ansonsten gibt es aber kaum noch Flächen, wo die 10 H-Regelung nicht greift", verdeutlicht Eduard Meyerhuber, stellvertretender Forstbetriebsleiter. Einige geeignete Standorte gäbe es in Landschaftsschutzgebieten – aber auch da ist ein Bau nicht möglich. Am Flächenverbrauch wird das Projekt nicht scheitern, ist Meyerhuber überzeugt: "Da müssen keine großen Flächen gerodet werden. In den meisten Fällen reichen 40 mal 50 Meter." "Der Bau von Windrädern ist eine kluge Strategie für die Staatsforsten. Das Holzgeschäft ist gerade ja hochgradig risikobehaftet.
Da ist es gut, wenn man weitere, zuverlässige Einnahmequellen hat", sagt Reinhard Mosandl, Professor für Waldbau an der TU München. Die Auswirkungen auf die Artenvielfalt seien aber nicht zu vernachlässigen. "Der Wald ist schließlich der Hort der Biodiversität." Schwarzstörche, Uhus, Rotmilane, Wespenbussarde und Fledermäuse könnten einem Ausbau also im Wege stehen, besonders da das nach dem Artenschutz-Volksbegehren jüngst geänderte Naturschutzgesetz der Biodiversität den Vorrang vor der Windkraft gibt, wie Mosandl erläutert.
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