Tattoo-Urteil: Vorbei an der Mitte der Gesellschaft

Lorenz Bomhard

Ressortleiter Metropolregion Nürnberg und Bayern

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14.11.2018, 17:41 Uhr
Blanke Polizistenarme: das bleibt Vorschrift, zumindest in Bayern.

© Daniel Karmann, dpa Blanke Polizistenarme: das bleibt Vorschrift, zumindest in Bayern.

Nein, niemand muss es schön finden, wenn er im Schwimmbad oder in der Sauna auf Körper mit seltsamen Schriftzeichen, bunten Ornamenten oder Monstern blicken muss - jener Stilmix aus Comic und Speisenkarte des Chinarestaurants, der schmunzeln lässt. 

Ötzi hatte Tätowierungen; der 1972 gestorbene König Frederik IX. von Dänemark war mit Drachen übersät - eine Reminiszenz an seine Zeit bei der Marine; sein heute 50-jähriger Enkel, Kronprinz Frederik, hat sich einen Hai auf den Unterschenkel stechen lassen.

Längst sind Tätowierungen nicht mehr bestimmten Milieus vorbehalten. Die gibt es freilich auch noch, etwa die Rangabzeichen der Mafia in den russischen Gefängnissen. Aber das Klischee vom tätowierten Matrosen oder Rocker trägt nicht mehr. Tattoos - und auch Piercings - sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen, also auch bei den Angehörigen der Polizei.

Sichtbare Körperbilder, so die Argumentation, der das Gericht folgte, würden den Vorsprung an Respekt, den die Uniform schaffe, zunichtemachen. Also hat Bayern bundesweit wieder einmal die schärfste Verordnung. In Berlin darf schon mal der Name der Liebsten auf dem Unterarm sichtbar sein. 

Sind die alten Klischees von Tätowierten also noch lebendig? Das ist angesichts des aktuellen Falls zu vermuten. Das Urteil würde in ein paar Jahren sicher anders ausfallen, zumal der Anteil der Tätowierten enorm wächst. 

Die Polizei hat den Anspruch, "Menschen aus der Mitte der Gesellschaft" zu beschäftigen. Ob man die Bildlein mag oder nicht: Menschen mit Tattoos gehören dazu. Auch Polizeioberkommissar Jürgen Prichta.