Fort Knox für gefährliche Viren und Bakterien

Tête-à-Tête mit dem Tod: Exklusiver Blick in bayerisches Hochsicherheitslabor

Tobi Lang

Redakteur

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5.7.2022, 06:21 Uhr
In Oberschleißheim betreibt das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) eines der sichersten Labore im Freistaat. Dort wird mit Milzbrand, HIV und Tuberkulose-Bakterien gearbeitet. In der hauseigenen Sammlung des Schreckens im Keller der Anlage werden bis zu 150 Erreger tiefgekühlt aufbewahrt. Erst dann, wenn sie für die Forschung gebraucht werden, tauen die Experten sie auf. 
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In Oberschleißheim betreibt das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) eines der sichersten Labore im Freistaat. Dort wird mit Milzbrand, HIV und Tuberkulose-Bakterien gearbeitet. In der hauseigenen Sammlung des Schreckens im Keller der Anlage werden bis zu 150 Erreger tiefgekühlt aufbewahrt. Erst dann, wenn sie für die Forschung gebraucht werden, tauen die Experten sie auf.  © Tobi Lang

Überhaupt werden gefährliche Mikroorganismen nur in bestimmten Arealen des Labors freigesetzt. Das Herzstück dabei sind die Sicherheitswerkbänke, unter denen Erreger isoliert und bearbeitet werden. Ein ausgeklügeltes System, ein sogenannter laminarer Strom, reinigt angesaugte Frischluft, bevor sie mit den Arbeitsmaterialien in Berührung kommt. Was im Inneren ist, bleibt im Inneren. Reißt der Strom ab, ertönt ein Alarmsignal. Hinterher wird die Werkbank mit UV-Licht sterilisiert.
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Überhaupt werden gefährliche Mikroorganismen nur in bestimmten Arealen des Labors freigesetzt. Das Herzstück dabei sind die Sicherheitswerkbänke, unter denen Erreger isoliert und bearbeitet werden. Ein ausgeklügeltes System, ein sogenannter laminarer Strom, reinigt angesaugte Frischluft, bevor sie mit den Arbeitsmaterialien in Berührung kommt. Was im Inneren ist, bleibt im Inneren. Reißt der Strom ab, ertönt ein Alarmsignal. Hinterher wird die Werkbank mit UV-Licht sterilisiert. © Tobi Lang

Lange, weiße Gänge und schnöde Arbeitsräume: Von Innen sieht das Hochsicherheitslabor relativ unspektakulär aus. Die Räume sind aber vollgestopft mit modernster Technik. Die rund 110 Quadratmeter sind hermetisch abgeriegelt ... 
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Lange, weiße Gänge und schnöde Arbeitsräume: Von Innen sieht das Hochsicherheitslabor relativ unspektakulär aus. Die Räume sind aber vollgestopft mit modernster Technik. Die rund 110 Quadratmeter sind hermetisch abgeriegelt ...  © Tobi Lang

... und im Labor herrscht permanenter Unterdruck. So wird verhindert, dass potenziell tödliche Erreger überhaupt erst in die Luft gelangen. 
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... und im Labor herrscht permanenter Unterdruck. So wird verhindert, dass potenziell tödliche Erreger überhaupt erst in die Luft gelangen.  © Tobi Lang

Für den Fall der Fälle wird die Luft aber durch virendichte HEPA-Filter geleitet und gereinigt. Das System im Labor ist redundant ausgelegt. Das heißt: Fällt einer der großen Ventilatoren für die Luftreinigung aus, springt ein zweites Gerät ein. 
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Für den Fall der Fälle wird die Luft aber durch virendichte HEPA-Filter geleitet und gereinigt. Das System im Labor ist redundant ausgelegt. Das heißt: Fällt einer der großen Ventilatoren für die Luftreinigung aus, springt ein zweites Gerät ein.  © Tobi Lang

"Nichts darf nach außen dringen", erklärt Stefan Hörmansdorfer, der das sogenannte S3-Labor leitet. Seit über zehn Jahren erfüllt das Labor die Anforderungen der Schutzstufe 3. Laut der Biostoffverordnung können Stoffe, mit denen dort gearbeitet wird, "schwere Krankheiten beim Menschen hervorrufen und eine ernste Gefahr für Beschäftigte darstellen". Was im Behördendeutsch eher diffus klingt, bedeutet in der Praxis: Milzbrand, Tuberkulose-Bakterien und das Vogelgrippe-Virus AH5N1.
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"Nichts darf nach außen dringen", erklärt Stefan Hörmansdorfer, der das sogenannte S3-Labor leitet. Seit über zehn Jahren erfüllt das Labor die Anforderungen der Schutzstufe 3. Laut der Biostoffverordnung können Stoffe, mit denen dort gearbeitet wird, "schwere Krankheiten beim Menschen hervorrufen und eine ernste Gefahr für Beschäftigte darstellen". Was im Behördendeutsch eher diffus klingt, bedeutet in der Praxis: Milzbrand, Tuberkulose-Bakterien und das Vogelgrippe-Virus AH5N1. © Tobi Lang

Zu den Aufgaben des LGL-Labors gehören neben der zentralen Bioterror-Diagnostik in Bayern auch die Tuberkulose-Diagnostik im Freistaat. Mit Fällen der gefährlichen Krankheit haben es die Experten fast täglich zu tun. "Corona hat unseren Arbeitsalltag aber auch hier extrem verändert", sagt Labor-Leiter Hörmansdorfer. In der Spitze bis zu 6000 Proben pro Tag wurden ausgewertet. Für die Forschung wird das Coronavirus auch immer wieder isoliert, die Genomsequenzierung gehört zum Standardprogramm.  Immer wieder überprüfen die Experten auch Verdachtsfälle auf Bioterror. Besonders häufig geht es dabei um Anthrax. "2001 rund um 9/11 hatten wir innerhalb von drei Monaten fast 1000 Proben", sagt Hörmansdorfer. Inzwischen seien es deutlich weniger. "Tatsächlich war noch keine positiv." 
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Zu den Aufgaben des LGL-Labors gehören neben der zentralen Bioterror-Diagnostik in Bayern auch die Tuberkulose-Diagnostik im Freistaat. Mit Fällen der gefährlichen Krankheit haben es die Experten fast täglich zu tun. "Corona hat unseren Arbeitsalltag aber auch hier extrem verändert", sagt Labor-Leiter Hörmansdorfer. In der Spitze bis zu 6000 Proben pro Tag wurden ausgewertet. Für die Forschung wird das Coronavirus auch immer wieder isoliert, die Genomsequenzierung gehört zum Standardprogramm.  Immer wieder überprüfen die Experten auch Verdachtsfälle auf Bioterror. Besonders häufig geht es dabei um Anthrax. "2001 rund um 9/11 hatten wir innerhalb von drei Monaten fast 1000 Proben", sagt Hörmansdorfer. Inzwischen seien es deutlich weniger. "Tatsächlich war noch keine positiv."  © Tobi Lang

Trotz aller Sicherheitsvorkehrungen, all der Maßnahmen ist es nie ganz ausgeschlossen, dass ein Erreger das Labor verlässt. "Der Faktor Mensch ist immer die Schwachstelle", erklärt Hörmansdorfer, der seine Mitarbeiter deshalb ganz genau auswählt. Sie müssen stressresistent und charakterlich geeignet für die Arbeit mit todbringenden Viren, Bakterien und Pilzen sein. 
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Trotz aller Sicherheitsvorkehrungen, all der Maßnahmen ist es nie ganz ausgeschlossen, dass ein Erreger das Labor verlässt. "Der Faktor Mensch ist immer die Schwachstelle", erklärt Hörmansdorfer, der seine Mitarbeiter deshalb ganz genau auswählt. Sie müssen stressresistent und charakterlich geeignet für die Arbeit mit todbringenden Viren, Bakterien und Pilzen sein.  © Tobi Lang

Das System im Labor selbst ist ausgeklügelt. Abwasser wird unter Druck auf über 100 Grad erhitzt, in diesem sogenannten Autoklaven wird Müll bei 134 Grad sterilisiert.
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Das System im Labor selbst ist ausgeklügelt. Abwasser wird unter Druck auf über 100 Grad erhitzt, in diesem sogenannten Autoklaven wird Müll bei 134 Grad sterilisiert. © Tobi Lang

Die größte Gefahr aber geht von einem Brand in der Einrichtung aus. Keimen Flammen auf, läuft sofort eine automatische Löschanlage an. Dabei werden die Räume mit Argon, einem geruchlosen Gas, geflutet - es lässt den Mitarbeitern Luft zum Atmen, erstickt das Feuer aber sofort. 
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Die größte Gefahr aber geht von einem Brand in der Einrichtung aus. Keimen Flammen auf, läuft sofort eine automatische Löschanlage an. Dabei werden die Räume mit Argon, einem geruchlosen Gas, geflutet - es lässt den Mitarbeitern Luft zum Atmen, erstickt das Feuer aber sofort.  © Tobi Lang

In der obersten Etage des LGL-Labors ist die Sicherheitstechnik versteckt, etwa die Argon-Flaschen, mit denen im Ernstfall ein Brand gelöscht wird. Die Rohre und Kabel sind teilweise doppelt verlegt, um bei einem Defekt die Funktion sicherzustellen. 
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In der obersten Etage des LGL-Labors ist die Sicherheitstechnik versteckt, etwa die Argon-Flaschen, mit denen im Ernstfall ein Brand gelöscht wird. Die Rohre und Kabel sind teilweise doppelt verlegt, um bei einem Defekt die Funktion sicherzustellen.  © Tobi Lang

Spielt Angst eine Rolle bei der täglichen Arbeit? Hörmansdorfer lacht. "Tatsächlich, aber nicht vor den Erregern." In dem Labor sind alle gut ausgebildet, im Umgang mit potenziell tödlichen Erregern routiniert. "Aber die ganze Technik, das war eher das Problem. Die ganzen Alarmknöpfe und Sensoren." Bei kleinsten Abweichungen schlagen sie Alarm - und ein Signalton schrillt auf. "Damit muss man erst einmal zurechtkommen." 
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Spielt Angst eine Rolle bei der täglichen Arbeit? Hörmansdorfer lacht. "Tatsächlich, aber nicht vor den Erregern." In dem Labor sind alle gut ausgebildet, im Umgang mit potenziell tödlichen Erregern routiniert. "Aber die ganze Technik, das war eher das Problem. Die ganzen Alarmknöpfe und Sensoren." Bei kleinsten Abweichungen schlagen sie Alarm - und ein Signalton schrillt auf. "Damit muss man erst einmal zurechtkommen."  © Tobi Lang

Stimmt etwa der Unterdruck nicht, schlagen Sensoren Alarm. "Wir hatten noch keine sicherheitsrelevanten Zwischenfälle", erklärt Hörmansdörfer. Die größte Gefahr geht von einer Laborinfektion aus - etwa bei mangelnder Hygiene. Tatsächlich kam das in Oberschleißheim noch nie vor.  
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Stimmt etwa der Unterdruck nicht, schlagen Sensoren Alarm. "Wir hatten noch keine sicherheitsrelevanten Zwischenfälle", erklärt Hörmansdörfer. Die größte Gefahr geht von einer Laborinfektion aus - etwa bei mangelnder Hygiene. Tatsächlich kam das in Oberschleißheim noch nie vor.   © Tobi Lang

"Wenn die Systeme in Ordnung sind und richtig gewartet werden", sagt der Labor-Leiter, "ist es aus technischer Sicht nicht möglich, dass ein Erreger das Gebäude verässt." 
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"Wenn die Systeme in Ordnung sind und richtig gewartet werden", sagt der Labor-Leiter, "ist es aus technischer Sicht nicht möglich, dass ein Erreger das Gebäude verässt."  © Tobi Lang