Tödliche Lkw-Unfälle in Franken: Ursachenforschung beginnt
10.4.2014, 06:11 UhrDas sagt Lkw-Fahrer Franz Xaver Winklhofer (63), stellvertetender Bundesvorsitzender der Kraftfahrergewerkschaft:
Der Verkehr auf der Autobahn wird immer dichter, die Lkw-Fahrer stehen unter ständigem Termindruck und sind oftmals übermüdet. Müdigkeit war auch bei mir ein ständiger Begleiter. Mitschuld an dem System, in dem die Fahrer das schwächste Glied in der Kette sind, hat auch die Wirtschaft. Viele Unternehmen halten keine Produkte mehr in Lagern vor, da dies hohe Kosten verursacht. Deswegen müssen die Speditionen pünktlich liefern. Wer nicht rechtzeitig die Fracht anliefert, dem werden die entstandenen Mehrkosten in Rechnung gestellt - je nach Arbeitsvertrag muss diese Kosten der Spediteur oder sogar der Fahrer übernehmen.
Die Speditionen stehen ebenfalls unter einem hohen Konkurrenz- und Existenzdruck und lassen die Fahrten von den Disponenten entsprechend knapp kalkulieren. Ein Stau, eine Panne oder ein Unfall bringen die ganze Logistik durcheinander. Frachtentladungen am Zielort werden oft als Ruhepause ausgegeben, denn der Lkw steht ja. Aber das ist eine Farce. Alle 4,5 Stunden muss ein Lkw-Fahrer normalerweise 45 Minuten Pause machen. Pro Tag ist eine Fahrtzeit von neun Stunden erlaubt, zwei Mal pro Woche zehn Stunden. Pro Woche darf ein Brummi-Fahrer nicht mehr als 56 Stunden am Steuer sitzen. Doch gerade die schlecht ausgebildeten Fahrer lassen sich mit einer angedrohten Kündigung leicht unter Druck setzen und ignorieren die Ruhezeiten.
Hinzu kommt der Mangel an Lkw-gerechten Parkplätzen entlang der Autobahnen. Was soll man in solch einer Situation machen? Entweder man stellt sich auf lebensgefährliche Plätze wie den Seitenstreifen oder man fährt weiter. Fakt ist: Der Güterverkehr mit dem Lkw nimmt von Jahr zu Jahr zu. Und es fehlen derzeit 15.000 bis 20.000 Berufskraftfahrer. Solange die Wirtschaft nicht umdenkt, wird sich an der Situation nichts ändern.
Als stellvertretender Bundesvorsitzender der Kraftfahrergewerkschaft setzt sich Winklhofer schon seit längerem für einen Runden Tisch auf Bundesebene ein, an dem Unfallforscher, Politiker, Lkw-Fahrer und die "verladende Wirtschaft" zusammensitzen. Winklhofer war 33 Jahre als Lkw-Fahrer auf deutschen Autobahnen unterwegs.
Das sagt Sebastian Lechner, Vorsitzender des Landesverbands Bayerischer Transportunternehmen:
Grundsätzlich ist zu sagen, dass in den vergangenen 20 Jahren die Unfälle mit Personenschäden zurückgegangen sind, obwohl die Transportleistung angestiegen ist. Mit dem Vorwurf, dass die Lkw-Fahrer möglicherweise übermüdet waren, sollte man sehr vorsichtig umgehen. In Deutschland sind die Kontrollen so engmaschig, dass Lenkzeitüberschreitungen im großen Stil nicht möglich sind. Auf die digitalen Tachometer kann beispielsweise die Gewerbeaufsicht uneingeschränkt zugreifen. Verkehrssicherheit hat bei den deutschen Transportunternehmen absoluten Vorrang. Die Mehrheit der deutschen Lkw ist nicht älter als drei Jahre und mit den aktuellen Sicherheitsstandards ausgestattet. 2015/16 sollen weitere Aufrüstungen wie ein Warnsystem beim Überfahren der Seitenspur und Abstandswarner erfolgen.
Ein Problem ist der massive Anstieg osteuropäischer Lkw auf den Autobahnen. Deren Einsatz wird vom Ausland aus gesteuert. Die engmaschigen Kontrollen bei Verladern und Transportunternehmen in Deutschland greifen bei den ausländischen Fahrern nicht. Das macht unseren heimischen Unternehmen zu schaffen. Der Verdrängungswettbewerb geht so weit, dass auf manchen Autobahnen bis zu 90 Prozent ausländische Lkw-Fahrer unterwegs sind. Der Anteil beträgt im Bundesdurchschnitt zurzeit 40 Prozent.
Wir fordern als Verband deshalb, dass der Mindestlohn, der in Deutschland kommen soll, auch flächendeckend kontrollierbar sein wird. Wer für ein deutsches Transportunternehmen fährt, das eine Niederlassung im Ausland hat, soll ebenso den Mindestlohn erhalten, wie die deutschen Fahrer.
Das sagt Reinhard Pirner, Präsident der Autobahndirektion Nordbayern:
Ich bin geschockt über die Häufung der schweren Lkw-Unfälle rund um Nürnberg. Neun Unfälle innerhalb von sechs Tagen mit sechs Toten - das hatten wir schon lange nicht mehr. Ich bin derzeit noch ratlos, wie es zu den Unfällen kommen konnte. Die Ursache müssen die Gutachter herausfinden. Es herrschten jedoch zu allen Zeitpunkten optimale Witterungs- und Sichtverhältnisse. Auch sind die entsprechenden Stellen keine bekannten Unfallschwerpunkte gewesen. Eines haben alle Unfälle jedoch gemeinsam:
Ein Lkw fährt mit hoher Geschwindigkeit in ein Stauende bzw. eine Unfallabsicherung. Wir sind momentan zusammen mit der Polizei auf der Suche, wie wir solche Unfälle in Zukunft verhindern können. Mit einem ersten Ergebnis rechne ich in der kommenden Woche. Wenn die Lkw-Fahrer jedoch unachtsam waren oder am Steuer eingeschlafen sind, dann können auch wir mit unseren Sicherheitsmaßnahmen nichts ausrichten.
Was die Sicherheit auf den Autobahnen angeht, hat die Autobahndirektion bereits einige Maßnahmen ergriffen:
- Seit 2007 werden die Warnleitanhänger, die auf eine Fahrbahnverengung hinweisen, sukzessive mit CB-Funk ausgestattet. Dieser warnt die Lkw-Fahrer in mehreren Sprachen vor dem nahenden Hindernis - so denn der Lkw mit CB-Funk ausgestattet ist. Trotz der entsprechenden Ausrüstung sind in den vergangenen Wochen zwei dieser Anhänger bei Unfällen völlig zerstört worden.
- Unübersichtliche Stellen auf der Autobahn, die sich als Unfallschwerpunkte entpuppten, wurden oder werden umgebaut.
- An Unfallschwerpunkten entlang der A3, der A6 und A7 sind zudem Tempolimits und Überholverbote für Lkw ausgewiesen.
- Beim Bau von Rastanlagen liegt die Autobahndirektion auf einem guten Weg. Insgesamt gibt es 4640 Stellplätze im Bereich der Autobahndirektion. In den kommenden Jahren sollen noch 800 weitere Lkw-Parkplätze hinzukommen, u.a. an der A3 bei Steigerwald, an der A9 bei Göggelsbuch und der A6 am bereits bestehenden Parkplatz Auergründel. Allein von 2008 bis 2013 wurden 1380 neue Parkplätze angelegt. Ein Problem ist jedoch die Akzeptanz dieser Rastplätze bei den Anwohnern. Am Steigerwald regt sich großer Widerstand bei den Bürgern. Gleiches gilt beim Ausbau des Autohofs in Plech, der jedoch in den Verantwortungsbereich der Stadt fällt.
Vermutlich liegt der Bedarf an großen und ruhigen Lkw-Stellplätzen höher. Die Autobahndirektion erfüllt die Vorgaben aus einem Gutachten des Verkehrsministeriums aus dem Jahr 2008. Da der Schwerlastverkehr jedoch jedes Jahr steigt, wird auch jedes Jahr der Bedarf an Rastplätzen größer. Den CB-Funk nutzen nach Angaben des Transportunternehmerverbands v.a. osteuropäische Lkw-Fahrer. Deutsche Lkw-Fahrer nutzen mehrheitlich das Handy.
Das sagt Polizei-Pressesprecher Peter Schnellinger:
Die Unfallhäufungen sind eine komplexe Geschichte. Der Schwerlastverkehr hat in den vergangenen Jahren enorm zugenommen. Zudem spannt sich rund um Nürnberg ein dichtes Autobahnnetz von Nord nach Süd und Ost nach West. Die A3, A6, A7 und A9 sind wichtige Verkehrsknoten für den Güterverkehr. In regelmäßigen Abständen und zusätzlich nach Bedarf, trifft sich eine Unfallkommission, um über Unfallschwerpunkte zu reden und diese möglicherweise entschärfen zu können. In der Kommission sind Mitarbeiter der Polizei, Stadt, Rettungskräfte und der Autobahndirektion vertreten.
In der Unfallstatistik der Polizei Mittelfranken für 2013 sind Lkw- und Autobahnunfälle gesondert aufgelistet:
- Bei den Verkehrsunfällen mit Beteiligung von Lkw wurden drei Insassen getötet und 216 verletzt.
- Von den 2.643 Lkw-Unfällen haben die Lkw-Führer 1.820 Unfälle (68,86%) selbst verursacht.
- Die Hauptunfallursache auf den Autobahnen mit Toten und/oder Schwerverletzten ist nichtangepasste Geschwindigkeit und ungenügender Sicherheitsabstand.
5 Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen