Bürgerbefragung: Treuchtlinger sagen Nein zu Kurort und Umgehung
17.11.2020, 06:04 UhrUnd die ist ziemlich repräsentativ: Rund 1300 Bewohner aus Stadt und Ortsteilen haben teilgenommen – jeder zehnte Treuchtlinger. Auch bei Alter (Durchschnitt 44,5 Jahre), Einkommen (37.000 Euro Jahres-Brutto), Bildung (50 Prozent Berufsabschluss, Studium), Lebenssituation (60 Prozent Familien) und Stadt-Land-Verhältnis (60 zu 40) entspricht der Rücklauf den örtlichen Verhältnissen.
Die Erkenntnisse aus der Befragung sind für die Entscheidungsträger zwar nicht bindend, sie geben Stadtrat, Verwaltung und Touristinfo aber "Anhaltspunkte, wo es touristisch und allgemein hingehen soll", wie Rathauschefin Kristina Becker, Stadtentwicklungs-Referent Hubert Stanka und Touristikerin Stefanie Grucza bei der Vorstellung der Zahlen erklärten. Gerade weil aktuell Bürgerversammlungen und andere Beteiligungsinstrumente wegen der Corona-Pandemie auf Eis liegen, habe die Stadt "so zumindest etwas in der Hand, womit wir arbeiten können".
Sehr klar ist laut Becker "das Statement, dass die Bürger den Bad-Titel nicht möchten". Sein Image sei "alt und verstaubt", die Kosten zu hoch. Gesundheit und Bewegung seien für die Treuchtlinger wichtig – aber eher ausgerichtet auf junge Leute, Familien und die Kombination mit Sport und Natur. Letztere zu schützen und zu erhalten, sei der Umfrage zufolge "ein großer Wunsch der Bürger".
Eine Marke für Treuchtlingen: Gesundheit als neue Identität?
"Die Treuchtlinger sind nicht satt an Touristen, sie möchten aber ein verträgliches Wachstum", ergänzt Grucza. Die größten Potenziale sehen sie – trotz Defiziten bei den Übernachtungsmöglichkeiten und einiger Skepsis gegenüber Trendsportveranstaltungen – im Naturpark, den Wander- und Radwegen, aber auch in der Therme. "Treuchtlingen als Kurort" landet dagegen abgeschlagen auf Rang 13. Überraschend auf Platz drei liegt die Nachbarschaft zum Fränkischen Seenland, die laut Grucza bisher touristisch so gut wie gar nicht vermarktet wurde.
Nur Wohnort, kein Arbeitsort
War der Umbau der Altmühltherme demnach umsonst? Rathauschefin Becker denkt das nicht. Sie sieht eher eine Trennung zwischen Thermalbad, das sich tatsächlich eher an ein älteres Publikum richte und Synergien mit der künftigen psychosomatischen Klinik habe, sowie Familien- und Aktivbad. Letzteres sei zwar kein klassisches Freizeitbad, seine Stärke sei aber der Ganzjahresbetrieb. Und im Freibad sei die aktuelle, viel kritisierte Preispolitik ebenfalls "nicht in Stein gemeißelt".
Eher unerfreulich findet es die Bürgermeisterin, dass "die Treuchtlinger ihre Stadt nicht primär, ja nicht einmal sekundär als Arbeitsort, sondern fast nur als Wohnort sehen". Dabei werde vergessen, dass der reine Zuzug von Pendlern die Kosten zusätzlicher Infrastruktur wie Straßen und Kitas nicht ausgleiche. Sie wünsche sich Treuchtlingen "als Wohn- und Arbeitsort", auch wenn es für das Gewerbe "einen eklatanten Mangel an ebenen Flächen gibt, die nicht im Hochwassergebiet liegen".
Tatsächlich lässt sich an der Umfrage laut Becker ablesen, dass es "sogar ein Vorteil der Stadt ist, dass man gut hier weg kommt". Die Bahnanbindung sei "erstaunlich präsent" und müsse im Verkehrsbereich (wieder) eine größere Rolle spielen. Denn auch wenn die Masse der Treuchtlinger im Alltag das Auto nutzt, wünscht sich die Mehrheit eine Beruhigung der Stadtmitte und ist aus Naturschutzgründen gegen den Bau einer Umgehung. Laut Hubert Stanka geht es deshalb künftig eher um eine Bündelung und Reduzierung des Verkehrs, wenngleich das Votum "noch kein Nein zu einer Umgehung ist".
Defizite im Einzelhandel
"Uneingeschränkte Zustimmung" signalisieren die Bürger zum neuen Wallmüllerplatz – zum Partnerschaftsplatz absolut nicht. Bei Dienstleistungen und Einzelhandel bemängeln sie das Fehlen eines Lebensmittelladens im Zentrum (gern regional, unverpackt und "bio") sowie von Fachärzten, Sport- und Elektrowaren. Die Parksituation bewerten sie dagegen laut Becker "weit positiver als angenommen". Wichtig sei den Befragten, die vorhandene Bebauung nachzuverdichten und aufzuwerten, statt neue Flächen zu versiegeln.
Unter dem Strich belegt die Befragung der Rathauschefin zufolge, dass "die Unzufriedenheit so groß nicht ist". Insgesamt geben die Treuchtlinger ihrer Stadt Schulnoten zwischen zwei und drei. Sie sei aber "dankbar für die vielen Wünsche", die man für eine "bürgerkonforme Stadtentwicklung" nutzen werde, so Becker. Dabei werde man auch die Impulse aus dem Entwicklungsprozess "Treuchtlingen 2030" unter ihrem Vorgänger Werner Baum nicht vergessen, habe die fast zehn Jahre alten Daten aber der rasanten Entwicklung anpassen müssen. Es stelle sich die Frage, ob "langfristige, starre Konzepte überhaupt sinnvoll sind und nicht eher ein kontinuierlicher Prozess".
"Wir haben jetzt das Fundament, es wird aber dauern, bis die Bürger die daraus abgeleiteten Maßnahmen sehen", fasst Rathaussprecherin Marina Stoll zusammen. Was sich am Ende tut, werden die Bürger anhand der unter www.treuchtlingen.de online abrufbaren Umfragedaten kontrollieren können.
Keine Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen