Dietfurt zeigt, wie Bürgerbeteiligung geht
17.11.2019, 06:18 UhrDie lief trotz unterschiedlicher Interessen erstaunlich glatt, ja fast lautlos. „Das zeigt, dass Bürgerbeteiligung manchmal ganz unerwartete, aber erfreuliche Ergebnisse haben kann“, so das Fazit von Dietfurts Ortssprecher Christian Früh nach dem einstimmigen Votum des Stadtrats für den auch von Arbeits- und Lenkungsgruppe, Bauamt und dem Gros der Dorfbewohner favorisierten „kleinen Dattelbergtunnel“.
Dass sich alle Beteiligten dieses besondere Verfahren mit bislang elf Gremiensitzungen und zwei Bürgerdialogen gewünscht hatten, war auch für Ott „Neuland“. Selbst kurz vor der aktuellen Stadtratssitzung hatten viele Dietfurter, Osterdorfer und andere Bürger noch Fragen: etwa wie die Landwirte künftig zu ihren Wirtschaftswegen kommen (über die Zubringerstraßen, deren genauer Verlauf noch nicht feststeht), was gegen einen noch längeren Tunnel spricht (komplexere Bauvorgaben und höhere Kosten) oder mit wie viel Lärm die Anwohner im Süden und Osten Dietfurts rechnen müssen.
Gerade bei den Anliegern schlagen laut Schallgutachter Thomas Kohlmann „zwei Herzen in einer Brust“. Die B2 rücke bei der jetzigen Lösung näher an ihre Häuser heran, aber bei den Alternativtrassen durchs Naturschutzgebiet wiege „die Zerstörung des Dietfurter Rieds mit einem riesigen Straßen- und Dammbauwerk noch schwerer“. Der Schutz des Rieds sei den Dorfbewohnern „nahezu einhellig sehr wichtig gewesen“.
Für die Einigung dankten Bauamtsleiter Heinrich Schmidt und Bürgermeister Werner Baum nicht nur den Dietfurtern, sondern besonders auch den Bewohnern des Galgenbucks und den Osterdorfern, die es „mit einer anderen Trasse ebenfalls hätte treffen können“. Die örtliche Arbeitsgruppe habe „ein immenses Pensum abgeleistet“ und einen guten Kompromiss gefunden.
Unklar blieb indes, was nun passiert, falls die Kosten-Nutzen-Berechnung doch negativ ausfällt. „Dann ist der Tunnel gestorben“, so Schmidt. Das Bauamt würde in diesem Fall aber auch „keine andere Variante bauen, die nicht gewünscht ist“. Es sei deshalb „wichtig, hier Einmütigkeit zu zeigen, und diese wenn nötig auch in die zuständigen politischen Gremien zu tragen“, appellierte Rathauschef Baum an alle Beteiligten.
Der Kommentar
Mitbestimmung mit Maß
Bürgerbeteiligung ist gut, aber kein Allheilmittel
So geht Bürgerbeteiligung! Fokussiert, sachlich und nahezu lautlos haben die Bürger von Dietfurt und ihre Nachbarn eine Lösung für die B2-Umgehung des Dorfs gefunden, mit der alle gut leben können. Ein Musterbeispiel für direkte Demokratie.
Wie das gelingt? Mit dem Willen zum Miteinander und zum Kompromiss, mit viel Transparenz, aber auch mit der Bereitschaft, wo nötig auf Experten zu hören und zu erkennen, wenn die eigene Kompetenz an ihre Grenzen stößt. „Wir haben durchaus gemerkt, dass es für die Bewertung mancher Dinge dann eben doch Fachleute braucht“, so Ortssprecher Christian Früh. Bei der ganz ähnlichen Debatte in Schlungenhof hat das nicht geklappt. Dort hat die Bürgerbeteiligung sogar neue Gräben aufgerissen. Und auch beim kürzlichen Streit ums Treuchtlinger Mineralwasser war das Ergebnis der direkten Mitsprache zumindest recht einseitig.
Manchmal hängt es am Thema, wenn Emotionen über Ausgleich und Vernunft siegen. Manchmal entscheidet auch das Zufall. Hätten die Dietfurter für die Westumfahrung durchs Ried gestimmt, wären die Anlieger womöglich ebenso Sturm gelaufen. Und doch braucht es auch dann einen Sinn dafür, dass Demokratie eben nicht bedeutet, dass die Mehrheit über die Minderheit „siegt“. Das Wesen der Demokratie ist vielmehr der Kompromiss, auch und gerade da, wo man vielleicht im Recht wäre.
Genau hier kann Mitbestimmung Wunder wirken, aber auch Gefahren bergen – kleine, wie Dörfer, die sich zerstreiten; und große, wie Wutreaktionen und Fehlentscheidungen aus dem Bauch heraus. Ja, wir sollten „mehr Demokratie wagen“, wie Willy Brandt es forderte. Aber wir sollten genau überlegen, wann und warum wir es tun.
Die komplette Animation der Umgehung: www.stbaan.bayern.de/strassenbau/projekte/B51S.ABBA0002.00.html
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