Hunnen, Nibelungen und ein Goldschatz?

30.12.2013, 07:29 Uhr
Hunnen, Nibelungen und ein Goldschatz?

© Shaw

Das Schriftstück ist ein gerade einmal 56 Zeilen langer Aufsatz des 1969 gestorbenen Nürnberger Historikers und Pappenheimer Ehrenbürgers Dr. Wilhelm Kraft aus den 1940er Jahren. Er beschäftigt sich mit dem Wahrheitsgehalt historischer Überlieferungen und kommt in der zweiten Hälfte auf die Bedeutung alter Flurnamen zu sprechen. Der Verfasser zählt zunächst einfach zu deutende Beispiele wie „Galgenberg“ auf, nennt die „Hundskirche“ am Rohrberg bei Weißenburg, die „Altenlech“ bei Pappenheim und befasst sich dann näher mit einem sehr ungewöhnlichen Flurnamen: „Das güldene Grab“ unweit des Bergnershofs zwischen Dietfurt und Osterdorf.


Kraft zufolge trägt der betreffende Acker diesen Namen bereits in Jahrbüchern um das Jahr 1440. Es gebe zwar keine bekannte Überlieferung oder Sage, die diesen für ein abgelegenes Feld am Rande der fränkischen Alb doch recht auffälligen Namen erklärt. Eine mögliche Deutung lege jedoch die in Sichtweite verlaufende alte Römerstraße nahe. Diese verlief einst vom Rhein durch das „Rauhe Tal“ bis zur Donau bei Pförring. Sie streift das (allerdings erst Mitte des 13. Jahrhunderts gegründete) Osterdorf im Süden und mündet heute nördlich von Göhren in die Kreisstraße WUG11.


Legende ist vielerorts bekannt


„Unmöglich wäre es nicht, dass der Name ,Das güldene Grab‘ von einem einmal dort bestatteten Fürs­ten herrührt“, sinniert Kraft deshalb in seinem Aufsatz. So halte sich in der Region beispielsweise seit vielen Jahrhunderten die Legende vom Grab Attilas, des Hunnenkönigs, der in einem goldenen Sarg bestattet worden sein soll – wahlweise bei Thalmässing, Langenaltheim, Suffersheim, Burgsalach und einigen anderen Orten Südfrankens. Sein Reich reichte im fünften Jahrhundert tatsächlich zeitweise bis zum Main, seine Feldzüge führten ihn sogar bis Zentralfrankreich.


Und immerhin, so Kraft, werde die am Bergnershof vorbeiführende Römerstraße auch im Nibelungenlied erwähnt, das Attila unter dem Namen „Etzel“ kennt. Vielleicht habe man auf dem Acker hoch über dem Altmühltal „einst eine reiche Beute an Bronzesachen gemacht und es für Gold gehalten“. Allerdings wurden vor- und frühgeschichtliche Bodendenkmäler im Mittelalter und der frühen Neuzeit häufig mit Attila und den Hunnen in Verbindung gebracht, wie beispielsweise der im 14. Jahrhundert gebräuchliche Name „Etzelsburg“ für das Römerkastell Schirenhof bei Schwäbisch Gmünd oder die Bezeichnung „Attilafelsen“ für einen Teil des Tunibergs am Oberrhein belegen.


Eine andere Erklärung für den sonderbaren Flurnamen, die sich jedoch in etlichen Details mit den Mutmaßungen des Heimatforschers deckt, ist die Volkssage vom „Teufelsbündler zu Ostendorf“. Dass damit nicht das Ostendorf im Landkreis Augsburg, sondern das hiesige Osterdorf gemeint ist, geht aus dem „Sagenbuch der Bayerischen Lande“ des Schriftstellers und Priesters Alexander Schöppner von 1852/53 hervor, in dem es heißt:


„In der Kirchenmauer zu Ostendorf (nordöstlich von Dietfurt in der Grafschaft Pappenheim) befindet sich ein römisches Grabdenkmal, das vorher zweihundert Schritte vom Orte entfernt an der Römerstraße lag, welche westlich an Ostendorf vorbei zu der Treuchtlinger Kapelle führt. Die Volkssage hält dieses Grabdenkmal für einen Gedächtnisstein an die traurige Geschichte eines sogenannten Teufelsbündlers. Dieser hatte seine Seele dem Teufel verschrieben unter der Bedingung, dass er vor ihm her während scharfen Rittes eine gepfläs­terte Straße bauen müsse. Der Teufel vollbrachte die Arbeit bis zum rauhen Thale, wo das Pflaster noch nicht fertig war, als der Reiter daherbrauste, mit dem Pferde stürzte und den Hals brach.“


Stein zeugt von alter Römerstraße


Den römischen Grabstein gibt es wirklich: Er ist an der Südseite der Osterdorfer St.-Erharts-Kirche eingemauert. Die Stadt Pappenheim schreibt dazu auf ihrer Internetseite: „Als die Reichserbmarschälle von Pappenheim Mitte des 13. Jahrhunderts anfingen, beiderseits der alten Römerstraße und späteren Nibelungenstraße (,Hochstraß‘ genannt) den Wald zu roden, entstand auch Osterdorf. (...) Ein ,Römerstein‘, der später an der Südseite der Kirche eingemauert wurde, erinnert an diese Römerstraße, die vom ,rauhen Tal‘ heraufführt und südöstlich durch die Felder weiter nach Göhren führte.“


Schließlich könnte es auch sein, dass sich der Flurname auf die sogenannten „Teufelslöcher“ oder „Höllentrichter“ am Waldrand bei Osterdorf bezieht. Als Ursprung dieser rund 80, teils bis zu 20 Meter tiefen Löcher im Karstgestein vermutet das Landesamt für Umwelt frühzeitliche Erzgruben, in denen von der Eisenzeit bis ins frühe Mittelalter nach Bohnerz geschürft wurde. Das „güldene Grab“ im Sinne des Grabens nach wertvollen Metallen würde vielleicht auch dazu passen.


Zu einer Invasion von Glücksrittern mit Spaten und Wünschelrute werden diese alten Geschichten und Spekulationen allerdings wohl nicht führen. Das sah auch Wilhelm Kraft vor rund 70 Jahren so: Ohne einen „unvermuteten Fund“ könne er den Namen „Das güldene Grab“ nicht richtig deuten und wolle sich „hüten vor falschen Hoffnungen auf große Goldfunde“. Dass ein banaler Flurname aber Vorstellungen von Römern und Hunnen im beschaulichen Altmühlfranken weckt, zeigt, wie spannend und konkret Heimatgeschichte sein kann und wie viel Wissenswertes in manch alter Sage und Legende steckt.

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