Kein gutes Zeugnis fürs Treuchtlinger Stromnetz

4.11.2014, 07:50 Uhr
Kein gutes Zeugnis fürs Treuchtlinger Stromnetz

© Stanka

Erst zum Beginn des vergangenen Jahres hatten die Treuchtlinger Stadtwerke bekanntlich das Stromnetz für die Treuchtlinger Dörfer vom Regionalversorger N-Ergie übernommen. Fünf Millionen Euro wurden dafür seinerzeit bezahlt. Ende 2012 war abschließend über den Kauf entschieden worden. Damals war von weiteren 700.000 Euro die Rede, die in das Netz investiert werden müssten, um einen sicheren Betrieb zu gewährleisten.


Vor der Übernahme war im Stadtrat kontrovers diskutiert worden. Und es gab mahnende Stimmen, die vor hohen Risiken warnten. Der Beschluss fiel damals auch nicht einstimmig.


Die Analyse, die nun von Nietsch vorgetragen wurde, gibt diesen warnenden Stimmen nun im Nachhinein ein Stück weit Recht. Der Experte der Firma „Powerise Consult“ kam zu keinem positiven Urteil über das Treuchtlinger Stromnetz. Er beschrieb die Netzstruktur als historisch gewachsen. Problem dabei sei der extrem große Versorgungsradius von rund 21 Kilometern. Der Durchschnitt bei vergleichbaren Netzen betrage lediglich sechs Kilometer.


Schwierig sei auch der hohe Anteil an Freileitungen, die für einen hohen Innenwiderstand stünden. Der Strom kommt derzeit über drei verschiedene Leitungen vom Verteiler in Weißenburg beim Schalthaus in der Treuchtlinger Kästleinsmühlenstraße an. Sollte nur eines dieser Kabel ausfallen, gäbe es laut Nietsch nur eine stark eingeschränkte Reserve, die von der aktuellen Last abhänge. „Wenn ein starkes Bein ausfällt, reichen zwei dünne Beine nicht aus.“


Die Netzqualität in der Kernstadt beschrieb der Experte als „bedingt ausreichend“, die Netzstruktur als „ausreichend“. Anders sieht es bei den Randgebieten, also den letztes Jahr zugekauften Teilen aus. Hier sprach Nietsch bei der Netzqualität von „nicht ausreichend“ und bei der Netzstruktur von „erheblichen Schwächen“ sowie ebenfalls „nicht ausreichend“.


Als Ursache für die Probleme sieht der Stromnetz-Experte, dass in den vergangenen Jahren immer mehr Energieerzeuger hinzugekommen seien, die in das Netz einspeisen. Außerdem gäbe es immer mehr Gewerbebetriebe, die mit sogenannten Umrichtern arbeiten, um die Spannung in ihrem Betrieb und für empfindliche Maschinen auf einem gleichmäßigen Niveau zu halten. Dies verstärke indirekt die Spannungsschwankungen im Stromnetz.


Hohe Spannungsschwankungen


Dr. Nietsch teilte in seiner Analyse das Netz in drei Bereiche auf. In der Kernstadt gibt es demnach grob zusammengefasst Probleme mit zu hohen Spannungen, vor allem an Sonn- und Feiertagen, wenn zusätzlich auch noch die Sonne scheint. In den Außenbereichen, vor allem im Süden gibt es derweil starke Spannungsunterschreitungen, was vor allem an den „dünnen“ Freileitungen liege.


Als Konsequenz daraus müssen nach Auffassung von Dr. Nietsch die Zuleitungen von Weißenburg nach Treuchtlingen verbessert und die Spannungsschwankungen verringert werden. Er hatte auch gleich einen Katalog an dringend notwendigen Maßnahmen im Gepäck, die mit groben Kostenschätzungen versehen waren.


Demnach sollte umgehend ein neues Transportkabel zwischen dem Umspannwerk Weißenburg und dem Treuchtlinger Schalthaus in der Kästleinsmühlenstraße verlegt werden. Kosten: rund eine Million Euro. Des Weiteren müsste auch die Schaltanlage in der Kästleinsmühlenanlage erneuert werden, da diese in die Jahre gekommen und unflexibel sei. Kosten: ebenfalls rund eine Million. Ertüchtigt werden müsste zudem die bestehende Doppelfreileitung und das bestehende Transportkabel. Kosten: ebenfalls rund eine Million.


Diese vorgenannten Maßnahmen sieht Dr. Nietsch als vorrangig an. Hinzu käme dann noch eine Anbindung des Schalthauses Auernheim mit einem 20-KV-Strang. (Kosten: rund 900.000 Euro) sowie eine direkte 20-KV-Anbindung von der Kästleinsmühlenstraße zum Schalthaus Dietfurt bei Franken-Schotter: Kostenpunkt: rund 500.000 Euro.


Macht zusammen rund 4,6 Millionen Euro. Und das ist noch nicht alles. Laut Nietsch wäre das nur das Rückgrat. In der Folge müssten das komplette Netz sukzessive konsequent strukturiert werden und z.B. Freileitungen verschwinden. Zudem müssten langfristig in den Stationen und Abgängen Messeinrichtungen eingebaut werden, weil davon auszugehen sei, dass alle Netze in Deutschland künftig unruhiger werden. Laut Dr. Nietsch sollte das alles „zeitnah“ erfolgen.


Nach dieser Präsentation gab es im Rat einige fragende Mienen und auch kritische Fragen. So meinte Bürgermeister Werner Baum: „Das wurde so noch nie gesagt. Von diesen Problemen hören wir das erste Mal.“ Und Marco Satzinger (CSU) fragte „Noch“-Werkleiter Andreas Eder, ob das schon vor der Netzübernahme bekannt gewesen sei. Dieser sagte dazu, dass man solche Details nicht habe wissen können. Eder erklärte, dass es der Job der Stadtwerke sei, die Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Dabei müssten Schwachstellen beseitigt werden. Er erklärte, dass sich die Stromnetzübernahme trotzdem rechne.


Baum wurde angesichts dessen aber ziemlich deutlich und meinte, dass anfangs von 700.000 Euro nötigen Investitionen die Rede gewesen sei. Und jetzt schon wieder fast fünf Millionen? „Das ist nicht auszuhalten“, so der Bürgermeister. In der Folge gab es eine längere Diskussion, wie mit dieser offenbar neuen Erkenntnislage umzugehen sei.


Insgesamt ist es ein sehr komplexes Thema. Nach Recherche unserer Zeitung waren die Erneuerung von zumindest einer Zuleitung nach Treuchtlingen und auch weitere Netzverbesserungen schon bei der Übernahme geplant gewesen. Neu ist aber die Dringlichkeit und damit die Notwendigkeit, schnell zu handeln.


Investitionen in Stromnetze werden über die sogenannten Netzentgelte geregelt. Letztlich wird das also auf die Strompreise umgelegt. Allerdings gibt es dazu Stichtage. Und die Arbeiten müssen von den Werken vorfinanziert werden. Der nächste Stichtag ist der 31. Dezember 2016. Bis dahin müssten also die Investitionen abgearbeitet sein.


Über das Wie und die Prioritäten wurde zwar diskutiert, aber noch nicht abschließend. Möglicherweise werden dazu auch bereits die Arbeiten an der Dettenheimer B 2-Umgehung genutzt, denn dort sind zwei Treuchtlinger Stromzuleitungen betroffen, die abschnittsweise verlegt werden müssen. Die Pläne dafür, die der stellvertretende Werkleiter Andreas Lutz dem Ausschuss präsentierte, überzeugten diesen aber noch nicht. Es soll nochmals nachgearbeitet werden.


Die Folgen der jetzt nötigen Inves­titionen: In Treuchtlingen dürften ab 2016 die Strompreise steigen, da höhere Netzentgelte fällig werden.

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