Stadtwerke Treuchtlingen übernehmen Stromnetz
8.9.2012, 08:59 UhrNormalerweise werden Themen, bei denen es um Verhandlungen und Geld geht, im Stadtrat in der Regel nichtöffentlich behandelt. Bürgermeister Werner Baum erklärte zu Beginn der Sitzung aber, dass die Stromnetzübernahme bereits in den Bürgerversammlungen Thema gewesen und öffentlich diskutiert worden war. Deshalb wurde wohl auch die nun entscheidende Sitzung öffentlich abgehalten. Hierzu war die komplette Belegschaft der Stadtwerke erschienen. Zwar empfiehlt der Ausschuss in seinem Beschluss dem Stadtrat den Kauf nur; de facto ist die Sache aber über den Tisch, vor allem, weil die Zeit sehr drängt. Die Übernahme soll bereits mit Ablauf dieses Jahres erfolgen. Bis dahin muss noch eine ganze Reihe von Messstellen und neuen Kabelstrecken gebaut werden.
„Irgendwann sind die Verhandlungen beendet“, so Baum. Damit deutete er an, dass diese Verhandlungen mit N-Ergie ausgesprochen zäh, kontrovers und schwierig gewesen waren, wie später alle Beteiligten bestätigten. Für die Mehrheit des Werkausschusses ist die Übernahme des Netzes eine Zukunftsentscheidung, weil damit die Stellung der Stadtwerke gestärkt und Synergien genutzt werden können.
Werkleiter Andreas Eder rollte die Historie der Verhandlungen in der Sitzung nochmals auf. So seien am 23. August die Stadtratsfraktionen über den Stand der Dinge informiert worden – vor der abschließenden Verhandlung mit N-Ergie. Damals war man von einem Kaufpreis von 4,9 Millionen Euro ausgegangen. Dass es am Ende glatt 5 Millionen wurden, sei laut Eder nicht das Entscheidende, denn der „kalkulatorische Restwert“ sei der maßgebende Faktor gewesen.
Insgesamt sind die Darstellung des Kaufpreises und die Berechnung der Wirtschaftlichkeit des „Deals“ von Laien schwer durchschaubar, da sehr abstrakt. Die Wirtschaftlichkeitsberechnung wurde von Dipl. Ing. Norbert Maqua von der Berliner enwima AG vorgetragen. Dabei ging es um den Kaufpreis von 5 Millionen, nicht aufgelöste Baukostenzuschüsse (400.000 Euro) sowie die „Erlösobergrenze“.
Zusammenfassend kam Maqua unterm Strich zum Schluss, dass der Kauf für die Stadtwerke wirtschaftlich ist. Laut Maqua werden sich die nötigen Kredite aus den künftigen Netzerlösen selbst tilgen und jährlich sogar noch ein – wenn auch kleiner – Gewinn übrig bleiben. In der Kalkulation sind die hohen Abschreibungen berücksichtigt, die Zinsen und auch die Kosten für einen zusätzlichen Mitarbeiter, der für den Netzbetrieb nötig wird. Mit dabei sind auch ein Investitionspuffer in Höhe von jährlich 200.000 Euro und die anfängliche Investition von rund 700.000 Euro für die Entflechtung.
Wie Maqua den Räten erklärte, werden die Kredite bis zum Jahr 2028 etwa zur Hälfte abgezahlt sein. Gleichzeitig wachse parallel das Eigenkapital. Das „ausschüttungsfähige Ergebnis“ liege jährlich im Schnitt bei rund 40.000 Euro.
Stadtkämmerer als „Aufpasser“
In den wichtigen Verhandlungen war auch der Treuchtlinger Stadtkämmerer Dominik Wenzel mit dabei. In seinem Statement in der Sitzung erklärte er, dass er die Gespräche als Außenstehender verfolgt habe. Am Ende seiner Darstellung kam er zu dem Urteil, dass der Kaufpreis in einem Rahmen liege, der finanziert werden könne. Allerdings, so schränkte er ein, müsse er sich dabei auf die Aussagen und den Sachverstand der Werkleiter Eder und Neumeier sowie von Maqua verlassen. Wenzel bezeichnete die Finanzierung ausschließlich über Kredite als Risiko, meinte gleichzeitig aber, dass die Mittel erwirtschaftet werden könnten, da es sich ja um ein Monopolgeschäft handele.
Wenzel hofft, dass es in Sachen Stromnetzübernahme keine Ergebnisverschlechterung gibt, da sich dies unmittelbar schlecht auf die Altmühltherme auswirken würde. Positiv bei dem Geschäft sei aber der Nutzen für die Bürger. Hierbei würden die Entscheidungen demokratisch vor Ort getroffen. „Jetzt hätten wir die Chance dazu.“
Und warum überhaupt die Übernahme? Für die Stadtwerke als Stromversorger sinken die vorgelagerten Netzentgelte deutlich. Das gilt für das Netz in der Kernstadt und noch mehr für die Ortsteile. Davon, so wurde in der Sitzung dargestellt, werden auch die Stromverbraucher profitieren, weil diese niedrigeren Entgelte an die Kunden weitergegeben werden. Die Stadtwerke werden zudem ein ganzes Stück unabhängiger in ihren Entscheidungen. Und über das Stromnetz soll künftig auch das Thema Breitbandversorgung mit abgewickelt werden.
DSL-Versorgung wird forciert
Letzteres wird nun tatsächlich forciert. Laut Eder werden mit dem Stromnetz bereits etliche Leerrohre von N-Ergie mit übernommen, die nun mit geringem Aufwand mit Glasfaserkabeln bestückt werden können. Wie der technische Werkleiter Richard Neumeier erklärte, soll entlang der Leitungstrasse zwischen Auernheim und Windischhausen auch ein „Lichtwellenleiter“ (so heißen die Glasfaserkabel korrekt) verlegt werden. Von dort geht es weiter über Falbenthal nach Wettelsheim. Damit könnten die vorgenannten Ortsteile sehr kurzfristig angeschlossen werden.
Über Freileitungen können Bubenheim und Graben versorgt werden und weiter über die Kästleinsmühle auch Treuchtlingen „von hinten“. Über das Möhrenbachtal können dann auch Möhren und Bubenheim kurzfristig erschlossen werden. Für Schambach wird man sich laut Eder noch etwas überlegen müssen. Dietfurt soll über Franken-Schotter von hinten angeschlossen werden.
„Wir können nicht im ersten Schritt jeden Haushalt mit 50 Mbit versorgen“, so Eder, da in den Ortsnetzen weiter die vorhandenen Kupferleitungen genutzt werden müssen. Aber es sei ein großer Schritt.
Utz Löffler (SPD) und Dieter Kerth (CSU) wollten dazu wissen, ob das Thema DSL nur mit der Übernahme des Netzes klappe und ob mit N-Ergie darüber schon einmal verhandelt worden sei. Werner Baum dazu: Von N-Ergie liege kein Angebot vor. Die Stadt hätte das nun in eigener Hand – als ein Synergieeffekt der Netzübernahme. „In Eigenregie tun wir uns natürlich leichter.“ Wenn man das Stromnetz nicht übernehme, müsste man in Sachen DSL andere Wege gehen.
Während der Sitzung kamen vor allem aus der CSU-Fraktion kritische Fragen. So hinterfragte Altbürgermeister Wolfgang Herrmann mehrfach fachliche Dinge. Als ehemaliger Werkleiter dürfte er einer der wenigen im Gremium sein, der die Tragweite der Entscheidung und die Zusammenhänge kennt. Er erhielt offenbar befriedigende Antworten, denn am Ende stimmte er für die Übernahme. Er wies auch darauf hin, dass in der Kalkulation die gesamte Vertriebssparte nicht berücksichtigt sei und daraus Mehreinnahmen für die Stadtwerke zu erwarten seien. Er bedauerte allerdings, dass es kein besseres Verhandlungsergebnis mit der N-Ergie gegeben habe.
Dieter Kerth hinterfragte, wie sich die Übernahme auf den Strompreis für den Bürger auswirke. Dazu meinte Andreas Eder, dass Mehrerlöse aus dem Vertrieb ja noch außen vor und deshalb noch keine Aussagen über den Strompreis zu treffen seien.
Kerth meinte weiter, es sei schade, dass Teile des Stadtrats nicht über die Entscheidung informiert seien. Beträge in dieser Größenordnung sollten seiner Meinung nach im Stadtrat diskutiert werden. Er sieht den zusätzlichen Schuldenberg als problematisch an und hätte das Geld lieber ins Bad investiert. Seiner Meinung nach müsse man nun die Badsanierung schieben. Und er kritisierte, dass Baum anfänglich auch der Meinung gewesen sei, dass ein Kaufpreis in dieser Höhe nicht in Frage käme.
Diese Kritikpunkte ließ Baum nicht stehen. Für den Stadtrat gebe es eine klare Geschäftsordnung, wer für welche Entscheidungen zuständig sei. Es sei kein Affront gegen die restlichen Räte. Baum will das Thema Stromnetz auch nicht mit anderen Investitionen in Verbindung bringen. „Die Zahlen zeigen, dass die Stadtwerke nicht belastet werden und sogar etwas übrig bleibt.“ Man werde deshalb über die anderen Dinge (wie Badsanierung, Alten- und Pflegeheim etc.) weiter reden. Das sei finanzierbar.
Ähnlich äußerte sich Utz Löffler für die SPD-Fraktion: „Wir sollten den Schritt gehen und die Stadtwerke stärken und erhalten.“ Und auch Christian Früh (FW) schloss sich dem an.
Oswald Bayer (TBL) lehnte dagegen den Kauf kategorisch ab. Er verwies darauf, dass er bereits gegen den Wirtschaftsplan der Werke gestimmt habe. Er hätte nur zustimmen können, wenn die Werke einen Teil der Kaufsumme als Kapital gehabt hätten.
Bevor es an die Abstimmung ging, warben Bürgermeister Baum und Werkleiter Eder nochmals eindringlich um Zustimmung. Am Ende geschah dies auch mehrheitlich mit 8:3 Stimmen. Die kompletten SPD- sowie FW-Räte stimmten dafür, zusätzlich noch Uwe Linss und Wolfgang Herrmann (beide CSU). Dagegen stimmten Dieter Kerth und Brigitte Rösch (CSU) sowie Oswald Bayer (FW).
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