Treuchtlingen: Kaum geplant, schon überholt

Hubert Stanka

Treuchtlinger Kurier

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25.4.2017, 06:07 Uhr
Treuchtlingen: Kaum geplant, schon überholt

© Limes-Luftbild

Fragt man Otto-Normal-Bürger, wozu ein Flächennutzungsplan gut ist und was darin festgelegt wird, dürfte häufig Schulterzucken die Antwort sein. Das deutsche Planungsrecht und damit die Leitplanken für örtliche Genehmigungen sind ein weites Feld und – natürlich – hoch komplex und detailverliebt. In den vergangenen Monaten waren bereits die Treuchtlinger Ortssprecher und Ortsausschüsse aufgefordert, sich für ihre Dörfer mit diesem Thema zu befassen. Dem gingen mehr als zwei Jahre Arbeit hinter den Kulissen der Stadtverwaltung voran.

Im Stadtrat erläuterte das Büro TB Markert nun die Hintergründe und auch den Ratsmitgliedern nochmals die Bedeutung des Flächennutzungsplans. Dieser bildet den strategischen Rahmen für die Bauleitplanung. Er legt zum Beispiel fest, wo Baugebiete entstehen können, wo generell nichts gebaut oder angebaut werden darf, wo Konzentrationszonen für Windkraft oder Rohstoffabbau gewünscht sind und wo die Landschaft genutzt oder geschützt werden soll. Wie Planer Peter Markert erklärte, ist der Flächennutzungsplan „ein großer Tanker“, der in der Stadtplanung die Weichen für die nächsten 15 bis 20 Jahre stellt.

Aus systematischer Sicht sind lokale Flächennutzungspläne so etwas wie die verlängerten Arme des Landesentwicklungsprogramms und der Regionalpläne. Deshalb werden auch deren Ziele mit aufgenommen. Konkrete Beispiele sind, dass in Siedlungsgebieten die Innenentwicklung Vorrang haben, die Landschaft nicht zersiedelt werden und neue Bauflächen möglichst an geeignete Siedlungseinheiten angebunden werden sollen.

Mit diesen Aussagen dürfte bereits klar sein, wohin die Reise bei der Entstehung neuer Baugebiete geht – nämlich dahin, dass neue Bauplätze in Treuchtlingen und den Dörfern nur sehr restriktiv ausgewiesen werden sollen. Dabei gab es im Stadtrat auch den Hinweis auf die unglaublich vielfältige und abwechslungsreiche Kulturlandschaft, die ein wertvoller „weicher Standortfaktor“ für Freizeit, Erholung und Tourismus sei. Hecken­landschaften, Talauen, Nasswiesen und nachhaltig funktionsfähige Böden seien auch ein Marketing-Faktor, mit dem die intakte Kulturlandschaft in Wert gesetzt werden könne.

Demographie und „Talspinne“

Das Büro Markert traf relativ klare Aussagen, die in den Treuchtlinger Ortsteilen nicht ohne Widerspruch bleiben dürften. So sollten Bauflächen den Planern zufolge hauptsächlich im Hauptort geschaffen werden. Allerdings wird dies insofern relativiert, als die demographischen Zahlen und Prognosen, die die Planungsgrundlage bilden, aus dem Jahr 2014 stammen.

In den vergangenen zwei Jahren gab es jedoch eine deutliche Trend-Umkehr, die nun in den weiteren Überlegungen berücksichtigt werden soll. Im Klartext: Die Analyse zum Wohnraumbedarf hat sich beispielsweise in den vergangenen Monaten bereits wieder erledigt, weil die Einwohnerzahl Treuchtlingens entgegen den Prognosen deutlich gestiegen ist.

Bürgermeister Werner Baum kommentierte die rund einstündige Präsentation. Sie zeige, welche wichtigen Details es für die Zukunftsplanung einer Kommune gibt. Allerdings seien die schöne Landschaft und die „Talspinne“, in der Treuchtlingen liegt, nicht immer einfache Voraussetzungen. Baum forderte auf, mit den Ressourcen vorsichtig umzugehen.

Dörfer sind kein Außenbereich mehr

Thomas Schäff vom Stadtbauamt ersuchte den Stadtrat für den weiteren Planungsprozess um einige Grundsatzentscheidungen. So will die Stadt, dass die Dörfer Schlittenhart, Grönhart und Haag künftig kein „Außenbereich“ mehr sind, sondern in „Mischgebiete“ umgewandelt werden. Dies hat zur Folge, dass dort nun auch Wohnhäuser gebaut werden können. Bislang war dies praktisch nur für privilegierte Landwirte möglich. Dem stimmte der Rat nach kurzer Diskussion zu.

Beim Thema „Konzentrationsflächen“ bat die Stadtverwaltung darum, eher anlassbezogen und verhalten zu agieren. Auch dem gab das Gremium statt. Für die Aufforstung in den Talauen soll es schließlich künftig zwar kein striktes Verbot mehr geben, aber eine deutliche Empfehlung samt Einbindung der Fachbehörden.

Treuchtlingen: Kaum geplant, schon überholt

© TK

In der Aussprache kam von Klaus Fackler (FW) Kritik an der Landespolitik. Sie gieße „Wasser in den Wein“, wenn es im gleichen Atemzug Erleichterungen bei der Planung für Gewerbetreibende gebe. Bedenken bezüglich der weiteren Vorgehensweise im Stadtrat hatte Uwe Linss (CSU). So sollten die Ratsmitglieder den ihnen erst jetzt zugegangenen Planungsband mit rund 300 Seiten bis zum 5. Mai durcharbeiten. Dies sei nicht zu schaffen.

Linss erhielt in seiner Kritik Schützenhilfe von Fackler, der zudem dazu aufrief, sich auch über die Ortsteile Gedanken zu machen. Als Kompromiss sollen die Räte ihre Änderungswünsche nun möglichst umgehend mitteilen. Beraten wird dann erneut am 18. Mai und wohl zusätzlich am 24. Mai.

+++ Der Kommentar: Wo bleibt hier der Mensch? +++

Man kann über die Weise, wie in Deutschland Planungsprozesse umgesetzt werden, trefflich streiten. Die Neuauflage des Flächennutzungsplans für Treuchtlingen hinterlässt aber schon auf den ersten Blick eine ganze Reihe offener Fragen, die nicht ohne kritische Nebenbemerkungen stehen bleiben können.

So geben selbst die Planer zu, dass die gerade einmal zwei Jahre alten demographischen Prognosen schon nicht mehr stimmen. Damit fällt die wesentliche Grundlage für den kompletten Plan mit Pauken und Trompeten durch. Überhaupt sind diese Prognosen stets nur eine Art „Kaffeesatzleserei“, da sie dynamische, nicht vorhersehbare Entwicklungen niemals erfassen können – in der heute eher unruhigen weltpolitischen Lage schon gleich gar nicht.

In dem Planwerk, das schon arg theoretisch ist, fehlen zudem ganz wesentliche Punkte, die noch viel mehr Grundlage der Ortsentwicklung sein sollten, als technokratische Auffassungen: nämlich die sozialen Gebilde. So bildet jedes Dorf eine soziale Einheit. Jeder Ortsteil und auch die Kernstadt haben eigene, oft sehr unterschiedliche Ansprüche und Bedürfnisse. Das mag mal ein Dorfgemeinschaftshaus sein, mal ein dringend benötigtes Baugebiet, mal landschaftlicher Schutz.

An demographischen Zahlen allein ist das jedoch nicht abzulesen – und im Rahmen allgemeiner Aussagen aus München oder Ansbach schon gar nicht zu beurteilen. So wichtig die vielen äußeren Faktoren auch sind – im Zentrum des Handelns sollte immer der Mensch mit seinen Bedürfnissen stehen.

Was in der Stadtratssitzung präsentiert wurde, bot insofern wenig Neues. Die Bürger und auch die Ratsmitglieder kennen die Stärken und Schwächen Treuchtlingens und wissen, dass es hier eine tolle Landschaft, aber auch einen großen Auspendler-Überschuss gibt. Der Planungsprozess, der nun hier angestoßen wird, ist deshalb ein sehr zentralistischer und theoretischer Ansatz, der morgen bereits in Teilen überholt sein wird – wenn zum Beispiel eine Umgehung gebaut wird, eine Dorferneuerung angestoßen wird, oder wenn aus heiterem Himmel ein Großbetrieb an die Tür klopft.

Wie sinnhaltig der Flächennutzungsplan ist, zeigt auch das Beispiel des gescheiterten Bürgerwindparks bei Auernheim. Dieser ist im Flächennutzungsplan als Konzentrationszone für Windkraft ausgewiesen. Einige Vögel waren aber am Ende stärker als alle Planerei.

Insofern stellt sich die generelle Frage, ob die großangelegte Überarbeitung eines kompletten Flächennutzungsplans der richtige Weg ist. Es erscheint sinnvoller, dies in einem stetigen Prozess zu tun und Änderungen immer dann vorzunehmen, wenn sie vorgenommen werden müssen.

Nicht falsch verstehen: Flächennutzungspläne sind nicht überflüssig. Mit ihnen werden Weichen für die Zukunft gestellt. Über die Art und Weise, wie sie aufgestellt werden, und darüber, welche Schwerpunkte dabei eine Rolle spielen, sollte jedoch intensiver diskutiert werden.

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