Treuchtlingens leere Läden: Wer traut sich?

Patrick Shaw

Redaktion Treuchtlinger Kurier

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31.5.2018, 06:04 Uhr
Treuchtlingens leere Läden: Wer traut sich?

© Patrick Shaw

Doch die Wahrnehmung, wie schlimm es um den Einzelhandel bestellt ist, trügt auch, wenn man täglich an denselben abgeklebten Schaufenstern vorbeigeht oder bestimmte Dinge vor Ort einfach nicht mehr zu bekommen sind. Dann wird gern schwarzgemalt. Wir haben zusammengetragen, welche Läden, Gaststätten und Betriebe in Treuchtlingen tatsächlich leerstehen und warum.

Neun „echte“ Geschäfte und Lokale gibt es nach Informationen der städtischen Einzelhandels-Beauftragten Wilma Vogel in der Stadtmitte, deren Fenster und Auslagen verwaist sind oder es bald sein werden. Dazu kommen vier Gewerbeimmobilien in Randlagen und Ortsteilen, vier Industriebetriebe und Büros sowie vier weitere Ladenräume, die nur noch privat genutzt werden.

Wohl am längsten steht die einstige „Wie­nerwald“-Filiale am E-Center in der Nürnberger Straße leer. Die Räume sind nur schwer zu vermieten, da sie stark renovierungsbedürftig sind und sich über zwei Etagen ohne Aufzug erstrecken. Sanierungsbedarf besteht auch im seit rund zwei Jahren aufgegebenen Gasthaus „Goldenes Lamm“ in der Kirchenstraße, in der erst vor wenigen Tagen geschlossenen Bäckerei von „Solnhofener Klosterbrot“ in der Bahnhofstraße und dem ab Herbst leerstehenden Fotostudio Gebhardt & Lahm in der Ringstraße. Letzteres macht allerdings nicht dicht, sondern zieht in die nur wenige Meter entfernte Bahnhofstraße 8 um.

Weitere Leerstände in der Bahnhofstraße sind die in Zahlungsschwierigkeiten geratene Filiale der Bäckerei Ernst und das einstige Café Stadelbauer, in dem zwischenzeitlich die Schneiderei Bollinger untergebracht war, die in die Luitpoldstraße umgezogen ist. Am Wallmüllerplatz suchen Stadt und Hausbesitzer nach neuen Mietern für das zum Jahreswechsel geschlossene Juweliergeschäft Straßner und die frühere Gewerbebank, in der aktuell eine Zeitarbeitsfirma residiert. Und in der Kanalstraße sind noch die kleinen Räume des ehemaligen Fri­seursalons „Glückssträhne“ zu haben.

Unrealistische Mietvorstellungen

Die größte Lücke hat freilich der Edeka-Markt in der Oettinger Straße hinterlassen. Hier wird eines der Probleme Treuchtlingens deutlich: der Mietpreis im Verhältnis zu den Geschäftsaussichten. „Die Besitzer hatten Umsätze nach Münchner Verhältnissen zugrundegelegt“, erklärt Wilma Vogel. „So hohe Umsätze hat bei uns nicht einmal Aldi.“ Davon seien die Vermieter mittlerweile aber abgerückt, und die Verhandlungen mit dem potenziellen Betreiber eines neuen Lebensmittelmarkts seien „so nah an einer Lösung wie noch nie“. Wenn alles gut gehe, gebe es nächstes Jahr wieder einen zentrumsnahen Supermarkt.

Leerstände außerhalb der Stadtmitte sind das einstige „Heringsmeier-Haus“ in der Wettelsheimer Straße, das Gasthaus „Altmühlgrund“ in Bubenheim und der abrissreife Perlachbergkeller. Letzterer gehört der Stadt, die dort gern das alte Ausflugslokal wiederbeleben würde. Sie findet aber keinen Investor, der den Mut hat, dieses Mammutprojekt anzugehen.

Weniger als Leerstände wahrgenommen werden Büroräume wie die der 2016 aus der Hauptstraße umgezogenen Steuerkanzlei Löffler, Wulff & Partner oder aufgegebene Industriebetriebe wie KB Kunststoffbeschichtung in der Elkan-Naumburg-Straße und Industrielackierung Stark (ILST) in Neufriedenheim. In der Elkan-Naumburg-Straße steht zudem die einstige Engeler-Bushalle leer. Nicht mehr zu vermieten sind der Laden Bahnhofstraße 25 (zuletzt ein Teppichhändler), den der Besitzer nun selbst nutzt, sowie zwei weitere Geschäfte in der Bahnhof- und der Luitpoldstraße, die zu Wohnungen umgebaut wurden.

"Wir versuchen es auf allen Wegen"

Dem gegenüber steht ein knappes Dutzend Neuansiedlungen binnen zwei Jahren, darunter der Geschenkeladen „Venus“ im ehemaligen „Quick-Schuh“, der „Naschmarkt“ im früheren Schuhhaus Wagenheimer, der Kulturladen in der einstigen Schreibwarenhandlung Herter und Schuh-Herrmann im Aldi-Gebäude an der Heusteige. Ebenfalls neu sind der Orientmarkt im ehemaligen Schlecker, das Sprachinstitut Afi in der früheren Volksbank und die Kanzlei Grimme, Jungbauer und Birnthaler in der eins­tigen Raiffeisenbank. Im Ärztehaus hat sich eine Fußpflegerin niedergelassen, in der Praxis Dr. Schubert eine Heilpraktikerin und in der Oettinger Straße eine Physiotherapiepraxis. Im „Bambushaus“ in der Bahnhofstraße gibt es demnächst einen Ausstellungsraum für asiatische Handwerkskunst.

„Wir versuchen auf allen Wegen, jemanden zu finden, der sich traut, etwas zu machen“, schildert Wilma Vogel ihre Anstrengungen. Für so manchen, der mit seiner Idee scheitert, gelte es aber, „nicht nur zu schimpfen, sondern sich auch an die eigene Nase zu fassen“. So gebe es Geschäftsleute, die seit 15 Jahren in der Stadt ansässig sind und sich beschweren, dass sie niemand kenne, aber keinen Gedanken daran verschwenden, dass dies am eigenen Marketing liegen könnte.

Modernisieren statt Jammern

Die Situation Treuchtlingens ist freilich auch laut Vogel nicht einfach. „Natürlich haben wir keine so attraktive Altstadt wie Weißenburg oder einen See vor der Tür wie Gunzenhausen. Deshalb müssen wir es mit einer Modernisierung der Stadtmitte versuchen.“ Auch würde die Stadt die vorhandenen Geschäfte gern stärker an Wallmüller- und Rathausplatz holen, um ein echtes Zentrum zu schaffen. Doch vielen Inhabern gehöre ihr Laden, und „die ziehen nicht um“.

Immerhin gelingt es der Einzelhandels-Beauftragten zunehmend, die Vermieter von niedrigeren oder flexiblen Mieten zu überzeugen – und die Politik davon, „dass in die Leerstände nicht immer dasselbe reinkommen muss wie vorher“. Ein Beispiel ist das ehemalige Juweliergeschäft Straßner, das sich laut Vogel perfekt als Lokal anbieten würde. Dass Konkurrenz das Geschäft belebt, hätten die ortsansässigen Unternehmer längst erkannt.

Drei Kriterien zählt Vogel auf, die für Neuansiedlungen entscheidend sind: „Einwohnerzahl, Kaufkraft und Verkaufsflächen über 1000 Quadratmetern. Und bei allen schneiden wir schlecht ab.“ Als Mietniveau hält sie in Treuchtlingen rund sechs Euro pro Quadratmeter Ladenfläche für realistisch – je nach Zustand. „Für mehr ist es schwer, jemanden zu bekommen.“

Und was wünschen sich die Bürger? Laut einer Umfrage sind es (in dieser Reihenfolge) ein Lebensmittelladen, eine Drogerie, mehr Lokale für junge Leute sowie Geschäfte für Kinder- und Herrenkleidung. Und dann wäre da noch der fehlende Baumarkt. „Wir haben das Potenzial und auch einen Interessenten“, sagt Wilma Vogel. Das Problem: Das Landesentwicklungsprogramm lässt für die Altmühlstadt keinen Markt mit mehr als 800 Quadratmetern Verkaufsfläche zu. Zwar ist ein Änderungsverfahren möglich, doch das dauert laut Vogel über ein Jahr. „Und dann entscheidet die Regierung, ob Treuchtlingen einen solchen Markt braucht.“ Das sei alles andere als ausgemacht, da Weißenburg und Gunzenhausen ja bereits Baumärkte haben.

Der Kommentar:

Bayerische Planwirtschaft

Dass das bayerische Landesentwicklungsprogramm in Treuchtlingen keinen Baumarkt mit mehr als 800 Quadratmetern Fläche zulässt, kommt einem Schildbürgerstreich gleich. Als „Zukunftskonzept“ der Staatsregierung soll das 1976 erstmals erstellte und 2013 zuletzt geänderte Programm Grundsätze und Ziele der Raumordnung im Freistaat festlegen und so „gleichwertige Lebens- und Arbeitsbedingungen in allen Landesteilen schaffen“.

Gleichwertig? Wenn sich größere Geschäfte und Betriebe nur in größeren Städten ansiedeln dürfen, führt das genau zum Gegenteil: Die Lebensbedingungen im ländlichen Raum verschlechtern sich, die Menschen ziehen in die Ballungsräume, die Zentralisierung nimmt zu. Obendrein ist es geradezu lächerlich, wenn ein Unternehmen nach gründlicher Prüfung einen neuen Standort eröffnen will, und die Regierung im fernen München – ganz nebenbei ein Hauptprofiteur dieser Zentralisierung – dann zu wissen glaubt, ob der Standort die Ansiedlung „braucht“ beziehungsweise das Potenzial dafür hat.

Das ist das krasse Gegenteil der ach so hochgelobten bayerischen Wirtschaftsfreundlichkeit und grenzt an Planwirtschaft. Bleibt nur zu hoffen, dass sich Treuchtlingen in dieser Sache nicht unterkriegen lässt und das nächste Landesentwicklungsprogramm den Kommunen wie angekündigt mehr Freiheiten zur Gewerbeansiedlung geben wird.

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