Treuchtlinger Bürgerliste: Die "Ortsteilpartei"
26.4.2019, 12:18 UhrParteien leiden unter und leben von Klischees. Die Union? Konservativ und wirtschaftsnah. Die SPD? Sozialpolitisches Urgestein, zerrieben zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Die Grünen? Im Klimaschutz-Höhenflug. Die AfD? Protestpartei und neue Rechte. Und dann sind da noch die vielen kleineren und Kleinstparteien bis hinunter auf die lokale Ebene. Eine davon ist die Treuchtlinger Bürgerliste (TBL).
In der Altmühlstadt gehen die Uhren etwas anders als in der großen Politik. Die SPD/JGB um Bürgermeister Werner Baum nimmt hier eine eher progressive, wirtschaftsfreundliche Rolle ein. Gegner werfen ihr Intransparenz und Verschwendung vor. Die CSU pflegt ein bodenständigeres Profil und hat den besseren Draht zu den Dorfbewohnern, im Stadtrat gilt sie aber als Bremsklotz. Die UFW fungieren in Treuchtlingen als Grünen-Ersatz bei betonter Unabhängigkeit, Kritiker bemängeln eine gewisse Richtungslosigkeit.
Und die TBL? Seit fast 30 Jahren gibt es die Bürgerliste, doch viele Treuchtlinger kennen nur die Fraktionsbezeichnung "CSU/TBL" mit den Christsozialen. Klischees? Gibt es zur TBL eigentlich keine. Ein Vorteil?
"Probleme vor Ort lösen"
Für den bevorstehenden Kommunalwahlkampf möchte die Bürgerliste ihr Profil schärfen. Bei einem Treffen in Haag machten sich die Mitglieder deshalb Gedanken über die Stadtpolitik und die eigenen Ziele.
Im Stadtrat stellt die TBL zwei Mandatsträger: Günter Schwimmer aus Wettelsheim und Hans König aus Windischhausen. Ihr politischer Schwerpunkt liegt klar auf den Dörfern. "Es ist unser Anliegen, aus möglichst jeder Ortschaft jemanden dabei zu haben", erklärt König. Man wolle "Probleme vor Ort mit den Bürgern lösen, nicht von oben aus der Stadt". Die TBL sei hier "näher dran als die anderen Fraktionen", bestätigt Stefan Hüttmeier. Ihm gehe es darum, "sich um Themen im Dorf zu kümmern, wie etwa, dass die Kindergärten gut ausgestattet sind".
Siegbert Mrasek ist seit 1972 Ortssprecher in Haag und saß lange für die TBL im Stadtrat. Er erinnert sich, wie die Gruppierung 1990 gegründet wurde, "weil die CSU nicht alle Kandidaten aus den Ortsteilen auf ihrer Liste unterbringen konnte". Viele kamen aus kleinen Dörfern und brachten für einen aussichtsreichen Platz zu wenig Stammwähler mit. Deshalb stellten sie eine zweite Liste auf: die TBL. Ihr erstes Ratsmitglied war Siegbert Mrasek, bald erhielt er Gesellschaft von Oswald Bayer.
Zweckgemeinschaft oder mehr?
Bis heute ist es der TBL laut Hans König wichtig, "dass wir keine Partei sind und keine Hierarchien haben". Die Fraktionsgemeinschaft mit der CSU habe es aber bislang gebraucht, da eine Wählergruppe mit nur zwei Ratssitzen bis vor kurzem keine eigene Fraktion bilden und keine Mitglieder in Ausschüsse entsenden durfte. "Sonst hätten wir die Hälfte nicht mitbekommen", so König.
"Das heißt aber nicht, dass wir immer einer Meinung sein müssen", ergänzt Nadine Hüttinger. Die junge Grönharterin ist eine von zwei Frauen, die an diesem Abend mit am Tisch der TBL sitzen. Das ist wenig, wenn man bedenkt, dass die Bürgerliste ausdrücklich "mehr engagierte Frauen in die Kommunalpolitik bringen will" und diese deshalb explizit eingeladen hatte. "Ich bin politisch interessiert, aber die Hemmschwelle für Frauen ist noch hoch, tatsächlich aktiv zu werden", meint Hüttinger.
Inhaltlich ist die TBL noch merklich in der Findungsphase. Die Diskussionen streifen den Straßenunterhalt, das Stromnetz, das Trinkwasser und das neue Seniorenzentrum, das die Bürgerliste bei der letzten Wahl noch zugunsten des "Erhalts des Stadtkrankenhauses und der Aufwertung des städtischen Pflegeheims" abgelehnt hatte. Nun sehe man es positiver, weil "dieses Ergebnis bei einem städtischen Neubau nicht erzielbar gewesen wäre", so König.
Weniger zufrieden ist die TBL in Sachen Senefelder-Schule, wobei die Baumängel nach Königs Worten "überall hätten passieren können". Allerdings sei die Pannenserie "im Stadtrat sogar weniger kommuniziert worden als in der Zeitung".
Klare Prioritäten setzen
Hinter der Altmühltherme stehen die TBL-Mitglieder dagegen voll und ganz und sind "zuversichtlich, dass vor allem die neue Sauna gut laufen wird". Die Therme zu schließen sei keine Alternative. "Mir wäre es aber lieber gewesen, dass sich die Stadt ganz aufs Bad konzentriert hätte, statt eifrig weiter Geld für andere Sachen auszugeben", so König.
Klare Kante zeigt die TBL zur Ortssprecherwahl. "Wir wollen beim alten Modus bleiben", sagt Günter Schwimmer. Die TBL werde die Dörfer deshalb "nochmals mobilisieren", um zumindest die Wahl per Bürgerversammlung durchzusetzen. "In den Eingemeindungsverträgen steht, dass der Stadtrat mit den meisten Stimmen Ortssprecher wird", verdeutlicht Hans König. Zwar lasse das offen, ob alle Wähler oder nur die aus dem Dorf gemeint sind. Im historischen Kontext bestehe aber kein Zweifel an letzterem. "Das umzudeuten ist unredlich", rügt König. "Auch wenn nur 100 Dorfbewohner den Sprecher wählen, ist das repräsentativer, als wenn es die Gesamtgemeinde tut", bestätigt Nadine Hüttinger.
Unter dem Strich findet König, dass die TBL "in den letzten Jahren zu wenig eigenes Profil gezeigt hat". Die Bürgerliste brauche "ein Gesicht und eigene Themen". Außerdem wolle man wachsen und "mehr Frauen reinbringen". Es gehe um Kandidaten, die "nicht schwarz oder rot sind, sondern etwas im Dorf bewegen wollen". Die TBL sehe sich damit durchaus als die "Treuchtlinger Ortsteilpartei".
Das nächste Treffen der TBL findet am Mittwoch, 15. Mai, um 19.30 Uhr im Gasthaus "Frankenhöhe" in Haag statt.
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