Treuchtlinger Jugendarbeit: Wo bleibt das Ehrenamt?
30.1.2018, 06:04 UhrDenn die von der Stadt gewollte Professionalisierung der Offenen Jugendarbeit gehe auf Kosten der Ehrenamtlichen – dem Verein laufe der Nachwuchs weg. Das gefährdet nun möglicherweise sogar das seit über 20 Jahren etablierte „Umsonst-und-draußen“-Festival im Haager Marmorwerk.
Der Konflikt schwelt nicht erst seit gestern. Schon bei der Einstellung von Martin Bruhn ein Jahr nach der Wahl von Werner Baum zum Bürgermeister fühlte sich Eber-Hart übergangen. „Die Stadt muss lernen, dass es auch noch eine andere Jugendarbeit gibt“, sagt Norbert Fleischmann, der bis heute spürbar angefressen ist. „Die offene Jugendarbeit in Treuchtlingen ist seit Jahrzehnten ehrenamtlich, das lasse ich nicht abwerten. Wir sind kein Stiefkind!“
Das Problem ist vielschichtig. Zum einen hätte Eber-Hart die Stelle des städtischen Jugendsozialarbeiters gern bei sich angesiedelt. Denn das ehrenamtliche Personal ist knapp, ein Großteil der Arbeit rund um die Jugendtreffs in Treuchtlingen, Schambach, Gundelsheim, Möhren und neuerdings auch in Pleinfeld bleibt an Norbert Fleischmann, Vereinschef Manuel Gundel und einigen wenigen weiteren Mitgliedern hängen. Da wäre eine halbe hauptamtliche Stelle, bezahlt von der Stadt, hilfreich gewesen.
Zum anderen beobachtet Fleischmann, dass seit dem Einstieg der Stadt in die Jugendarbeit immer mehr junge Leute von Eber-Hart „abwandern“. Das liege am unterschiedlichen Charakter der beiden Angebote: „Martin Bruhn kann allein schon zeitlich viel mehr auf die Beine stellen und macht eher Projektarbeit als Offene Jugendarbeit“, so Fleischmann. Klar, er müsse seinem Arbeitgeber schließlich etwas vorweisen, und dazu sei ein offener Jugendtreff, der sich selbst organisiert, eher ungeeignet.
Wo ist mehr geboten?
Die Jugendlichen seien da jedoch gnadenlos, bestätigt auch Eber-Hart-Mitglied Jochen Reichardt. „Die gehen da hin, wo mehr geboten ist und sie nicht selbst mit anpacken müssen.“ In der Folge gehe dem Jugend- und Kulturverein zunehmend der Nachwuchs aus – vor allem in der Kernstadt und auch im Festival-Team. Aus Sorge vor „Abwerbeversuchen“ gebe es derzeit auch keine Kooperation.
So zog sich Eber-Hart in den vergangenen Jahren nach und nach aus dem Jugendtreff am Schulhof zurück, den der Verein um das Jahr 2000 noch als Träger mitgestaltet und damit auch die Grundlage für das heutige Bürgerhaus geschaffen hatte. „Ich kenne da jeden Quadratzentimeter“, blickt Norbert Fleischmann wehmütig zurück. „Jetzt duldet man uns nur noch mit Anmeldung.“ Auch die Kunstausstellung, die Kneipentour und die Tanzgruppe schliefen ein.
Entstanden ist Eber-Hart 1995 als Trägerverein für das mittlerweile ebenso alte Bandfestival im Haager Marmorwerk. „Damals gab es im Landkreis so gut wie nichts im Livemusik-Bereich“, blickt Fleischmann zurück. Das ist heute anders: Festivals wie „Der Krater bebt“ oder „Lieder am See“ machen Eber-Hart nicht nur Konkurrenz, sondern haben den Treuchtlingern längst den Rang abgelaufen.
Zudem ist die junge Musikszene vielfältiger geworden. Selbstgemachte Musik beschränkt sich nicht mehr auf Rock, Metal und Punk. Elektronische Klänge sind angesagt. Das bekommt Eber-Hart auch bei der Belegung seiner Proberäume zu spüren. Zeitgemäße Ansätze wären mit der Wiegandhalle als Veranstaltungsort, den einstigen „Trockendock-Partys“ sowie den Verbindungen zur regionalen Kultband „ALC“ und zum Weißenburger „Soho“ durchaus vorhanden. Allein das Geld fehlt: „In der Wiegandhalle bräuchten wir 40.000 Euro für Brandschutz und Toiletten“, sagt Fleischmann. Stattdessen habe die Stadt kurz nach dieser Bitte des Vereins für eine ähnliche Summe den ruinösen Perlachbergkeller gekauft.
Dennoch stimmt der Eber-Hart-Gründer auch versöhnliche Töne an. „Ich glaube nicht, dass die Stadt das böswillig macht, sondern eher kopflos“, meint er. Das Problem sei jedoch, dass sich die Jugendarbeit der Kommune und des Vereins gegenseitig „Konkurrenz“ machen – mit dem kürzeren Ende für Eber-Hart. „Wenn die Stadt alles selbst machen will und das Ehrenamt nicht unterstützt, bricht es bald ganz weg – auch in den jetzt noch gut laufenden Ortsteilen“, ist Fleischmann überzeugt. Dann werde das 25. Bandfestival in anderthalb Jahren vielleicht das letzte sein.
Macher gesucht
„Wir brauchen einen Macher, der in unserem Sinn arbeitet“, so Fleischmann. Ein Gespräch mit Bürgermeister Baum halte er jedoch „nur für sinnvoll, wenn wir konkret über Personal reden“. Zumindest eine 450-Euro-Stelle müsse drin sein – gegebenenfalls finanziert durch Sponsering. Mit Marco Siebentritt gab es einen solchen „Teilzeit-Hauptamtlichen“ vor sieben Jahren schon einmal im Verein – allerdings nicht sehr lange. „Wenn dadurch am Ende auch nur drei Jugendliche in Arbeit statt in Hartz IV landen, hat sich das schon gelohnt“, veranschaulicht Jochen Reichardt.
Die Nachwuchssorgen des Jugend- und Kulturvereins kann auch Sozialarbeiter Martin Bruhn nachvollziehen. „Das glaube ich, aber dieses Problem haben andere Vereine genauso.“ Ob Feuerwehr, Pfadfinder, Schützen- oder Sportverein – „die Engagierten sind oft schon irgendwo eingebunden. Aber das schließt einander ja nicht aus. Mit vielen kooperieren wir sehr gut“, so Bruhn. Zudem sei Jugendarbeit stets ein Auf-und-Ab: „Dir brechen immer wieder ganze Altersgruppen weg, und dann musst Du halt neue suchen.“
Martin Bruhn hat dafür eine eigene Kindergruppe ab der dritten Klasse ins Leben gerufen, denn „später kommst Du an die Jugendlichen nicht mehr heran“. Er mache aber sowohl dort als auch mit den Älteren „ganz bewusst keine Jugendkulturarbeit, weil wir dafür mit Eber-Hart und dem Club 80 zwei gut aufgestellte Vereine haben“. Aktuell falle ihm gar kein Jugendlicher in seinen Gruppen ein, der Musik macht. Insofern gebe es da auch keine Konkurrenz.
Andererseits ist genau dies der Grund, aus dem Bruhn die Zweiteilung der städtischen Jugendsozialarbeit für sinnvoll hält. „Ich bin ein großer Freund von freien Jugendzentren, wenn es eine kommunale Alternative gibt“, betont er. „Oft haben diese Treffs nämlich eine sehr klare Klientel – wer zum Beispiel Musik und Kultur nicht mag, kommt bei Eber-Hart eher zu kurz.“ Die professionelle Jugendsozialarbeit der Kommune decke hingegen auch die Bereiche Sport, Soziales oder kirchliche Jugendarbeit ab.
Etwas anders bewertet Bruhn die Situation im Jugendtreff am Schulhof. Dort habe Eber-Hart das Dachgeschoss für seine Aktivitäten, sei aber kaum präsent. Deshalb nutze die städtische Jugendarbeit die Räume derzeit mit, was aber keinesfalls eine „Verbannung“ des Vereins bedeute.
Bürokratische Gründe
Für seinen geteilten Job bei der Stadt und der Senefelder-Schule hat Bruhn eine ganz pragmatische Begründung: „Von einer halben Stelle kann man als Sozialarbeiter nicht leben und von zwei halben wegen der Steuerklasse auch nicht“, erklärt er. Deshalb habe man sich bei seiner Einstellung auf das Landratsamt als Arbeitgeber geeinigt, das dann mit Stadt und Zweckverband getrennt abrechnet. Bei einem Verein wie Eber-Hart wäre das nicht möglich. Zudem fordere das Sozialministerium für die Bezuschussung einen studierten Sozialarbeiter auf der Stelle.
„Meine Lösung für das Problem wäre, zusammen ein paar coole Projekte zu machen und dabei Nachwuchs für Eber-Hart zu werben“, schlägt Bruhn den Kritikern deshalb vor. Darauf werde er die Vereinsführung umgehend ansprechen. Ob er das Gefühl habe, dass das Ehrenamt durch die Professionalisierung der Jugendarbeit verdrängt wird? „Nein, so viele Stellen könnte ja niemand bezahlen. Hauptamtliche können ergänzen, aber das Ehrenamt niemals ersetzen.“
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