Treuchtlinger Stadtkrankenhaus wird zur Fachklinik
26.7.2016, 17:00 UhrDie neue Fachklinik soll mit 140 Betten ausgestattet sein und von den Bezirkskliniken Mittelfranken als Träger geführt werden. Die bisherigen 55 Betten für die Altersmedizin werden an das Klinikum Altmühlfranken nach Gunzenhausen verlagert.
Landrat Gerhard Wägemann freut sich über diese Entwicklung. Ihm war es nach eigenem Bekunden ein besonderes Anliegen, für das Treuchtlinger Stadtkrankenhaus eine Zukunftsperspektive zu entwickeln und die Klinikstruktur in der "Gesundheitsregion Altmühlfranken" stabil aufzustellen. Geschickt und nachdrücklich nutzte Wägemann offenbar auch seine Kontakte ins bayerische Gesundheitsministerium. Dort stoßen die Pläne jedenfalls auf breite Zustimmung – so die Aussage auf der Pressekonferenz.
Die entscheidenden Beschlüsse in München werden noch im Herbst sowie für Mai 2017 erwartet. Dazu ist unter anderem das Votum des Krankenhausplanungsausschusses nötig. Wägemann: "Es gibt nur Gewinner. Der Landkreis gewinnt an medizinischer Expertise und Zukunftsperspektiven, die Stadt Treuchtlingen erhält eine zukunftsweisende Fachklinik, die die gesamte Region stärken wird, das Klinikum Altmühlfranken gewinnt mit dem Zentrum für Altersmedizin ebenfalls an Profil, und die Bezirkskliniken gewinnen zusätzlich zu Engelthal im Osten nun im Südwesten Mittelfrankens einen zweiten Standort für eine Fachklinik für Psychosomatik."
"Win-Win-Situation" für die Region
Auch Bezirkstagspräsident Richard Bartsch ist von den neuen Entwicklungen überzeugt: "Es freut mich besonders, dass die psychiatrische und psychosomatische Versorgung als Kernaufgabe des Bezirks durch eine psychosomatische Fachklinik in Treuchtlingen weiter gestärkt wird." Bartsch spricht von einer "Win-Win-Situation" für die gesamte Region und bedankte sich ausdrücklich beim Freistaat Bayern für die in Aussicht gestellte Finanzierung des Umbaus oder gar eines Neubaus der Klinik.
Bereits seit 2014 prüfen die Bezirkskliniken und das Klinikum Altmühlfranken die Möglichkeit, die psychosomatische Versorgung im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen durch eine gemeinsam betriebene Klinik zu erweitern. Den Standort Treuchtlingen mit in die Planungen einzubeziehen, habe nicht nur durch das hochwertige Freizeitangebot in schöner Landschaft und die gute Erreichbarkeit der Altmühlstadt nahegelegen. Ausgangspunkt war laut Wägemann auch die Suche nach einem Zukunftskonzept für das Stadtkrankenhaus.
2019 könnte ein Teil der bestehenden Gebäude abgebrochen und ein anderer Teil in einen modernen Klinikbau integriert werden. Nach Informationen unserer Zeitung stünde wohl der Trakt des bisherigen Alten- und Pflegeheims zum Abriss an. Die Gemeinschaftspraxis der Internisten Dres. Seidel und Hauser sowie das chirurgische Medizinische Versorgungszentrum sollen vor Ort bleiben.
"Eine einmalige Chance"
Mit einem Grundsatzbeschluss hatte der Treuchtlinger Stadtrat in geschlossener Sitzung bereits vor rund drei Wochen das Tor für eine Restrukturierung der Krankenhauslandschaft im Landkreis geöffnet. Bürgermeister Werner Baum ist sich sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben: "Der Stadt bot sich eine einmalige Chance, den Standort weiterzuentwickeln und auf Dauer zu erhalten. Ich bin der festen Überzeugung, dass Treuchtlingen insgesamt an medizinischem Profil gewinnt. Außerdem werden durch die Neustrukturierung neue berufliche Perspektiven für die Mitarbeiter geschaffen."
Baum spricht von vielfältigen Chancen für die Weiterentwicklung der "Gesundheitsstadt". Diese werde noch bekannter, und jüngere Patienten würden das Gesamtkonzept abrunden. Der Rathauschef dankt allen Beteiligten und allen voran Landrat Wägemann für das persönliche Engagement, das dieses Projekt erst möglich gemacht habe.
Betten im Bezirk werden umverteilt
Die Bezirkskliniken sind eines der größten Klinikunternehmen der Region für Menschen mit psychischen und psychosomatischen Erkrankungen. Im Rahmen des Neuaufbaus sollen sowohl von Erlangen als auch von Ansbach Betten für psychosomatisch Erkrankte nach Treuchtlingen verlagert, aber auch zusätzliche Betten hinzugewonnen werden. Zudem ist geplant, an anderen Standorten der Bezirkskliniken die Bettenzahl im psychiatrischen Bereich aufzustocken.
Bezirkskliniken-Vorstand Helmut Nawratil stellte fest: "Mit Treuchtlingen und Engelthal werden in Mittelfranken zwei psychosomatische Schwerpunkte von überregionaler Strahlkraft gesetzt." Laut Nawratil, der bereits beim Treuchtlinger Volksfest als Ehrengast begrüßt wurde, ist die Altmühlstadt als Standort besonders interessant, da hier viele Angebote mit einer psychosomatischen Fachklinik korrespondieren. Dazu gehören die Therme, die Landschaft und die vielfältigen Freizeitangebote.
Sinnvolle Zusammenlegung
Die geriatrische Abteilung des Stadtkrankenhauses soll in Gunzenhausen als neue Fachabteilung unter der Leitung des bisherigen Chefarztes Dr. Markus Wach weitergeführt werden. Ausschlaggebend für die Standortwahl sei gewesen, dass nur in Gunzenhausen der Aufbau der Abteilung bis zum Jahresende 2018 realisierbar sei. Außerdem würden die Akut-Geriatrie und die geriatrische Rehabilitation mit der Unfallchirurgie und der Traumatologie aus medizinischer Sicht eine sinnvolle Einheit bilden.
Laut Klinikchef Jürgen Winter sollen so verbesserte Angebote für die medizinische Versorgung älterer Menschen geschaffen werden. Außerdem seien Psychosomatik und Altersmedizin die Versorgungsthemen der Zukunft. Wichtig sei gewesen, eine Lösung zu finden, die alle Beteiligten unterstützen. Das sei gelungen.
Das Klinikum Altmühlfranken beabsichtigt mit Unterstützung des Freistaats, rund sechs Millionen Euro in den Aufbau der Fachabteilungen Akut-Geriatrie und geriatrische Rehabilitation zu investieren. Wie viele der bisherigen 103 Arbeitsplätze des Treuchtlinger Stadtkrankenhauses erhalten bleiben, ist indes noch unklar. Dies hänge von der Zahl der genehmigten Betten und der Baustruktur ab, so die bisherigen Aussagen. In der Geriatrie in Gunzenhausen soll "die größtmögliche Zahl" der bisherigen Mitarbeiter weiterbeschäftigt werden.
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Kleine Krankenhäuser haben es schwer. Spätestens mit der Einführung des DRG-Systems ("Fallpauschalen") in der Krankenhausfinanzierung im Jahr 2004 wurde der Abgesang kleiner Kliniken in Deutschland von der Politik eingeläutet – auch für traditionsreiche Häuser wie das Treuchtlinger, das bis dahin schwarze Zahlen geschrieben hatte.
1898 wurde das Stadtkrankenhaus als Belegklinik gegründet. Nach dem Krieg erfuhr es einen großen Aufschwung und bot zeitweise Platz für bis zu 124 Patienten. Vor allem durch die damalige urologische Abteilung erarbeitete es sich ab den 1960er Jahren einen guten Ruf. In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurde es für die Stadt als Träger allerdings immer schwieriger, ein vollwertiges Krankenhaus vorzuhalten.
Ein Grund ist die große Krankenhausdichte im Landkreis, die in der besonderen Situation nach der Gebietsreform zu erklären ist. Die ehemaligen Landkreise Weißenburg und Gunzenhausen bestanden beim Zusammenschluss auf den Erhalt ihrer Kliniken. Treuchtlingen hielt selbstbewusst mit seinem städtischen Krankenhaus dagegen.
Kein Glück mit großem Partner
Nach der Einführung des Fallpauschalen-Systems, das große Kliniken klar bevorzugt, suchte sich Treuchtlingen einen starken Partner. Dass dies nicht das 2002 fusionierte Kreisklinikum mit seinen Standorten in Gunzenhausen und Weißenburg sein konnte, lag zunächst auf der Hand. Man befürchtete nicht ohne Grund, dass das kleine Stadtkrankenhaus dabei untergehen würde.
Zunächst fand die Stadt im Großklinikum Ingolstadt einen Partner, der die Geschäftsführung übernahm. Die Kooperation hielt allerdings nur fünf Jahre. Zwischenzeitlich verabschiedete sich das Krankenhaus von Fachabteilungen und baute als Spezialisierung erfolgreich die Altersmedizin (Geriatrie) auf. Sie sollte den Weg in die Zukunft des Hauses sichern.
Als nach dem Aus für die Partnerschaft mit Ingolstadt 2011 dann doch eine Lösung auf Kreisebene anstand und die Kreiskliniken in Treuchtlingen die Geschäftsführung für das mittlerweile zusammen mit der Altenpflege gebildete „Gesundheitszentrum“ übernahmen, ging es zumindest aus finanzieller Sicht rapide abwärts. Die Defizite wuchsen innerhalb weniger Jahre enorm. Dies war einer der Gründe, aus denen sich der Stadtrat zuletzt für die Abgabe der Altenpflege an das Rote Kreuz entschied.
Stadt und Bezirk gewinnen
Für das Krankenhaus gab es indes bisher keine Lösung. Zur Debatte stand das Haus wieder in Selbstverwaltung zu führen, da sich die Stadt von der Geriatrie durchaus den richtigen Ansatz für die Zukunft versprach. Eben diese Abteilung weckte aber auch Begehrlichkeiten beim Kreisklinikum.
Diesen "gordischen Knoten" durchschlägt jetzt Landrat Gerhard Wägemann, der es geschafft hat, den Standort Treuchtlingen für das Bezirksklinikum interessant zu machen und gleichzeitig die großen politischen Weichen zu stellen. Vor den Verhandlungen mit dem Bezirk war zeitweise ein privater Klinikbetreiber im Gespräch gewesen, der ebenfalls eine Fachklinik für den psychosomatischen Bereich einrichten wollte. Dagegen hatte sich der Bezirk gewehrt. Angenehmer Nebeneffekt der jetzigen Lösung für den Landkreis: Die Geriatrie siedelt wie gewünscht nach Gunzenhausen um. Damit bleibt die Krankenhausversorgung im Wesentlichen in den Händen des Kreises.
Der „große Wurf“?
Auf den ersten Blick sieht es tatsächlich so aus, als gebe es bei diesem "Deal" nur Gewinner. Für Treuchtlingen ist eine psychosomatische Fachklinik mit den vorgesehenen 140 Betten sicher ein zukunftsträchtiges Angebot. Außerdem sind Synergien mit der Altmühltherme zu erwarten. Und nicht zuletzt ist die finanziell stark gebeutelte Stadt das monetäre Risiko los und kann etwas freier agieren. Für den Landkreis gibt es durch die Übersiedlung der Geriatrie ebenfalls größere positive Effekte.
Ob das aus Sicht des Personals eine erstrebenswerte Lösung ist, bleibt abzuwarten. Nicht alle Beschäftigten im Krankenhaus sind begeistert. So wird es nicht für alle Fachkräfte weiter Arbeitsplätze in Treuchtlingen geben. Allerdings dürften auch neue entstehen. In den Reihen des Stadtrats herrscht nicht bei allen die pure Euphorie, da mit dem Stadtkrankenhaus ein gutes Stück Treuchtlinger Geschichte verabschiedet wird.
"Nichts ist so beständig wie der Wandel", sagt jedoch ein uraltes Sprichwort. Unter diesem Aspekt dürfte die neue Klinik für Treuchtlingen tatsächlich ein "großer Wurf" sein. Vielleicht hilft der auch ein Stück weit, alte politische Gräben zwischen den Städten und Regionen im Landkreis zuzuschütten.
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