Trotz neuer Stellen: Bayerische Polizei ist am Limit
22.2.2018, 05:50 UhrMatthias Fischbach hat sich umgehört, hat mit Polizeidienststellenleitern gesprochen und mit Beamten. Das Bild, sagt der Erlanger FDP-Politiker, sei überall gleich: Frustrierte Beamte, die am Limit arbeiten, weil ihre Inspektionen chronisch unterbesetzt sind. Mancherorts sei die Lage relativ entspannt, mancherorts dagegen dramatisch, sagt Fischbach, der demnächst für seine Partei in den Landtag einziehen will.
Sein Kollege Alexander Muthmann sitzt dort bereits. Muthmann hat vor einigen Monaten die Freien Wähler verlassen, für die er gewählt worden war, und ist in die FDP eingetreten. Deshalb darf er als Landtagsabgeordneter bei den Ministerien nachfragen. Was er im Fall der Polizei getan hat. Herausgekommen ist ein kompliziertes Zahlenwerk aus Soll und Ist und verfügbarem Personal. Es zeigt sich, dass die Präsidien selbst deutlich überbesetzt sind, bei den Inspektionen sich das Bild aber umdreht.
Falscher Schwerpunkt?
In Nürnberg etwa erreicht die Inspektion West gerade mal 63 Prozent ihrer Sollstärke, bei der Süd sieht es nicht viel besser aus. In Weißenburg und Feuchtwangen, Fürth und Heilsbronn, Zirndorf, Dinkelsbühl und Feucht das gleiche Bild: Gut ein Viertel der Stellen blieb dort im vergangenen Jahr unbesetzt. Für Matthias Fischbach ist das nicht hinnehmbar. "Bayerns Innenminister Herrmann hat sich offenbar in den letzten Jahren stärker um die Personalfragen der CSU als um die der Polizei gekümmert", schimpft der 29-Jährige.
Tatsächlich aber sind im Zuständigkeitsbereich des mittelfränkischen Polizeipräsidiums rund 90 Prozent aller Posten besetzt. Wie die Präsidien ihre Stellen verteilen, heißt es im Innenministerium, entscheide der Präsident mit seinem Stab. Das sei sinnvoll, weil die Polizei auf aktuelle Lagen reagiere und mehr Beamte einsetze, wo sich Verbrechen häufen. Im Polizeipräsidium Mittelfranken bestätigen sie das; was das konkret bedeutet, wollen sie nicht verraten, aus einsatztaktischen Erwägungen.
Arbeiten am Anschlag
Das ist die offizielle Seite. Die andere ist jene, die nicht nur Matthias Fischbach sieht. Rainer Nachtigall etwa, Bayernchef der Deutschen Polizeigewerkschaft, warnt ebenfalls. "Unsere Kollegen im Streifendienst arbeiten am Anschlag", sagt er. Auch wenn er vom Blick auf die Soll-Zahlen wenig hält ("die sind irgendwann mal festgelegt worden"), sei klar: "Die Arbeit wird eher immer mehr, das Personal eher immer weniger."
So rücken immer wieder Beamte aus den Inspektionen in die sogenannten Einsatzzüge an den Präsidien ein, füllen Sonderarbeitsgruppen auf, die sich etwa um den Streifenwagen der Zukunft kümmern oder um den Digitalfunk. Während deshalb das Personal in den Präsidien anschwillt, dünnt es in der Fläche aus. "Wäre man böswillig", sagt Nachtigall, "könnte man vom Wasserkopf in den Präsidien sprechen." Deren Personalstärke liegt mittlerweile um 540 Mitarbeiter über der Zahl der Sollstellen.
Mehr Ehrlichkeit
Nachtigall kritisiert das nicht, weil er die Sonderaufgaben für wichtig hält. Er drängt nur darauf, dass mehr Ehrlichkeit in die Zahlen gehöre. Die Präsidien, sagt er, müssten die Beamten nach getaner Arbeit aus den Arbeitsgruppen wieder ihren Inspektionen zuweisen; die Spezial- und Sondereinheiten sollten eigens ausgewiesen werden, damit ihre Stärke nicht zulasten der Inspektionen geht und die Zahlen die Wirklichkeit spiegeln.
Dabei stockt das Innenministerium derzeit das Personal der Polizei auf wie nie zuvor. Doch die Ankündigungen der Politik halten mit der Realität kaum noch Schritt. Nicht nur, dass bis 2020 überdurchschnittlich viele Polizeibeamte in den Ruhestand gehen – der Polizei fehlt es schlicht an Ausbildungsplätzen. "Wir behelfen uns mit Containern bei den Lehr- und Schlafsälen", sagt Rainer Nachtigall. "Wir sind hier absolut am Limit."
Trotzdem fordert Matthias Fischbach, Innenminister Herrmann solle, "statt Gesetze zu verschärfen, lieber seine Hausaufgaben ordentlich machen und bei der Besetzung der Polizei deutlich nachbessern". Alles andere sei "nur ein Tropfen auf dem heißen Stein".
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