Vermeintlich tote Kinder durch Masken: Polizei warnt vor Fake News
4.10.2020, 13:24 UhrEs begann mit einem tragischen Todesfall in der Pfalz am 7. September. Da brach eine 13-Jährige im Schulbus zusammen und starb später. Das Mädchen hatte einen Mund-Nasenschutz getragen. Die genaue Todesursache ist nach wie vor unklar. Dennoch postete unmittelbar nach dem Todesfall die Berliner AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkelmann auf Facebook das Foto eines Kindes und die Schlagzeile "Erstes Todesopfer durch Maske?". Sie forderte: "Schluss mit dem Irrsinn". Selbst Parteifreunde gingen auf Distanz zur Parlamentarierin.
Coronavirus: Diese Fake-News kursieren im Netz
Auch in der Region Nürnberg treiben solche Gerüchte Menschen um - verständlicherweise. Warum wir denn darüber nicht berichteten, wurde unsere Redaktion in einer Mail gefragt. Weil der Fall noch unklar ist. Der Kollege Ralf Wittenmeier von der örtlichen Tageszeitung "Rheinpfalz" schrieb uns auf Anfrage am 24. September: "Ich habe heute mit der Staatsanwaltschaft telefoniert. Auch die Behörde wartet auf die Ergebnisse der rechtsmedizinischen Untersuchungen. Wir werden berichten, sobald wir etwas wissen." Der Sachstand ist noch unverändert.
Im Video fließen Tränen
Fall Nummer zwei spielte angeblich in Aurich. Doch dort wussten weder Staatsanwaltschaften noch Kliniken von einem Kind, das nach dem Tragen einer Maske gestorben sei. Verbreitet hatte die vermeintliche Information ein Mediziner, der zu den prominentesten Corona-Skeptikern zählt: der Sinsheimer Hals-Nasen- und Ohren-Arzt Bodo Schiffmann. Auf Videos berichtet er - zuletzt unter Tränen - von den Kindern, die wegen der Maske gestorben seien, und fragt, wie viele es denn noch werden sollen.
Schiffmann unterstützt in seinen Botschaften auch weitgehend den Vegan-Koch Attila Hildmann, der zum Sturz der Regierung aufruft. Schiffmann spricht davon, dass in Deutschland Faschisten an der Macht seien; auch er strebt einen Umsturz an. Auf mehreren Corona-Demos war er einer der Redner. Aktuell ist er mit einem Reisebus unterwegs auf "Corona-Tour" durch die Bundesrepublik.
Tote Kinder im Bett - wohl erfunden
Schiffmann ist auch die Quelle für das angeblich dritte gestorbene Kind in oder in der Nähe von Schweinfurt. Belege oder nähere Angaben liefert er nicht. Auf eine Mail unserer Redaktion antwortete er auf die Frage, warum er seine Vorwürfe nicht präzisiere: "Weil nach meinen Informationen von heute morgen (Samstag, Anm.d.Red) , die Polizei den Eltern es verbietet und die Leiche des Kindes nicht freigibt, die Eltern in psychisch nicht stabiler Verfassung sind und sich Vorwürfe machen, dass Sie das Kind zum Tragen der Maske ermutigt haben." Zuletzt behauptete Schiffmann, die Eltern hätten das Kind am Morgen tot im Bett gefunden.
Corona-Skeptiker: Die arrangierte Mehrheit im Netz
Das zuständige Polizeipräsidium Oberfranken warnte unmittelbar nach Verbreitung der Videos über diesen angeblichen Fall vor Fake News - auf Twitter, Facebook und Instagram, also dort, wo sich diese Gerüchte verbreiten. "Wir können Ihnen mitteilen, dass es in Unterfranken keinen Fall gab, bei dem ein 6-jähriges Kind in einem Schulbus verstorben sei oder in einer Klinik verstorben sei, nachdem es in einem Schulbus eine Mund-Nasen-Bedeckung getragen hatte und kollabiert war", schreibt uns Pressesprecherin Kathrin Thamm, die von "Internet-Märchen" spricht. Und ergänzt: "Eine Erklärung für die Aussage von Herrn Schiffmann können wir nicht liefern. Wir können nur klarstellen, dass es sich bei der Aussage nicht um die Wahrheit handelt."
Die Mär von der "Sklavenmaske"
Für Unruhe, Verunsicherung und Ängste sorgen solche Gerüchte verständlicherweise. In der Fürther Grundschule Rosenstraße wurden Flugblätter an Eltern verteilt, in denen von den angeblich durch Masken gestorbenen Kindern die Rede war. Das Polizeipräsidium Mittelfranken teilte unserer Redaktion mit, die Flugblätter sollen von einem unbekannten Mann verteilt worden sein, nähere Erkenntnisse gebe es noch nicht.
Mediziner widersprechen Schiffmanns Behauptungen, wonach das Tragen der "Sklavenmaske" (O-Ton Schiffmann) tödliche Folgen haben könne: "Unmöglich" sei es, dass ein Kind durchs Tragen einer Alltagsmaske ums Leben kommen könne, sagte der Berliner Mediziner und Sprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Jakob Maske, auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Auch kleine Kinder könnten einen Mundschutz tragen. "Das ist gar kein Problem", erklärt der Experte.
Angenommen, ein Kind würde tatsächlich nicht genügend Sauerstoff oder zu viel CO2 einatmen, dann würde es müde werden und sich abgeschlagen fühlen, so der Mediziner. In diesem Fall würde das Kind die Maske von allein abnehmen. "Davon stirbt man aber auf gar keinen Fall", erklärt der Experte, denn: "Das CO2 ist ein Gas und bleibt im Stoff nicht hängen."
17 Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen