Viel Bier, weniger Ochsen: Solider Wiesn-Auftakt in München

21.9.2015, 12:09 Uhr
Eine Million Besucher drängten am ersten Wochenende über die Festwiese.

© A4399/_Matthias Balk Eine Million Besucher drängten am ersten Wochenende über die Festwiese.

Die Massen strömen, das Bier auch, Promis posieren in Dirndl und Lederhose: In München hat das Oktoberfest begonnen. Eine Million Besucher drängten am ersten Wochenende über die Festwiese. Eine Million Liter Bier liefen durch durstige Kehlen. Die meisten feierten friedlich - und kamen aus eigener Kraft nach Hause.

Vor dem Anstich am Samstag hatte Mireille Mathieu in einem Festzelt ihre Stimme erhoben und mit «Hinter den Kulissen von Paris» einen echten Kontrapunkt zu «Oans, zwoa, gsuffa» gesetzt. Später sprang DJ Ötzi aufs Podium und ließ die Kapelle schmettern: «Ein Stern, der deinen Namen trägt.» Seither ist die Stimmung am Brodeln.

Gesehen wurden unter anderen Volksmusikstar Florian Silbereisen, der Modedesigner Daniel Fendler, Schauspieler Hardy Krüger jr., Schauspielerin Christine Neubauer, Barbara Becker, Ex-Skispringer Sven Hannawald und die grüne Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Claudia Roth. Model Nicole Neukirch und das Nacktmodel Micaela Schäfer posierten bei herbstlichem Wetter freizügig am Fuße der Bavaria: Rosa Lederhose, am Po ausgeschnittene Herzen und statt Dindlbluse nur die Hosen-Träger.

Große Nachfrage nach Spinat-Brezenknödeln

Schaulaufen, Enthemmung, rauschhaft-anarchisches Chaos: In der entfesselten Masse macht mancher, wovor ihm im normalen Leben grausen dürfte. Eine Besucherin schlürft Bier aus einem Schuh - es ist nicht mal ein appetitlicher Pump, sondern ein ausgelatschter Wanderstiefel. Eine andere Besucherin fällt in einem Bierzelt aus dem Fenster, ein australischer Wiesngast kippt von der Brüstung, ein weiterer torkelt auf die Straße und wird von einem Taxi erfasst - und ein anderer stolpert unter einen Bus.

Dennoch mussten die Helfer des Roten Kreuzes «nur» 49 Gäste mit Alkoholvergiftung behandeln, gut 20 Prozent weniger als im Vorjahr. Laut Festleitung verspeisten die Besucher am ersten Wochenende auch 20 Prozent weniger Ochsen - zehn statt zwölf - und machten sich stattdessen verstärkt über vegetarische Gericht her. Ausgerechnet die Ochsenbraterei meldete große Nachfrage nach Spinat-Brezenknödeln.

Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hatte das Volksfest am Samstag eröffnet. In seinem zweiten Wiesnjahr zapfte er das erste Fass Bier mit nur zwei Schlägen an - Rekordleistung. Sein berühmter Vorgänger Christian Ude (beide SPD) hatte acht Jahre gebraucht, um das zu schaffen. Die Zahl der Schläge, die ein Stadtoberhaupt braucht, kann sein Ansehen durchaus mitbestimmen.

«Hochprofessionell», «sehr konzentriert und kraftvoll», würdigt Ude den Erfolg seiner Nachfolgers. Nun müsse Reiter aber aufpassen, dass es mangels Steigungsmöglichkeiten nicht langweilig werde. Er rate deshalb zwischendurch zu einer «richtigen Panne», einer Bierfontäne etwa, «damit es wieder spannend wird».

Nur einige Dutzend Flüchtlinge kamen am Hauptbahnhof an

Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), der mit Reiter als erster auf eine friedliche Wiesn anstößt, ist des Lobes voll. Das sei wie ein Fußballer, der aus dem Stand einen Elfmeter trifft, sagte der Regierungschef, der sonst eher schweigsam blieb. Er wünschte sich für das Volksfest «gute Stimmung, Friedlichkeit, dass die Menschen zusammenrücken und eine große Familie bilden».

Mancher hatte dem Start mit etwas zwiespältigen Gefühlen entgegengesehen. An die 20.000 Flüchtlinge kamen am Wochenende zuvor am Hauptbahnhof an. Dazu noch Zehntausende angeheiterte Wiesngäste - das wäre eng geworden. Aber es blieb ruhig. Nur einige Dutzend Flüchtlinge kamen laut Bundespolizei am Sonntag am Hauptbahnhof an, rund 200 waren es am Samstag. Es habe keinerlei Probleme gegeben. Einzig die trachtige Optik der Wiesngäste habe manchen Flüchtling ins Staunen versetzt.

Polizeipräsident Hubertus Andrä plauderte am Samstag in der Ratsboxe, wo sich Politik und Prominenz zuprosten, locker über das, was seine Beamten gerade leisten: «Wir haben Oktoberfestbeginn. Demonstrationen. Fußball. Flüchtlinge. Wir sind gut beschäftigt. Aber wir haben alles im Griff.»

Reiter gab sich nach seinem Anzapferfolg betont bescheiden. «Zwei oder drei oder vier Schläge ist egal.» Es gehe um das Oktoberfest, sagte der OB, der zwei Wochen lang fast rund um die Uhr wegen der Flüchtlingslage in Alarmbereitschaft war und für das Management in München Achtung bekam. Niemand vergesse die Not der Menschen auf der Flucht. Aber: «Heute ist der Tag des Volksfestes.» Dass es friedlich bleibe und «dass alle hier Spaß haben - das ist es, was wir wollen».

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