Vorbellen am Landestheater: Hunde-Casting in Coburg
1.12.2016, 14:15 UhrZazuus Stirnlocke ist mit einer rosa Spange nach oben toupiert, darunter hervor blicken große schwarze Kulleraugen. Als das Hündchen wie ein kleiner, weißer Fellball über die Bühne hüpft, tönen von allen Seiten Ausrufe des Entzückens. Das Produktionsteam ist begeistert. Zazuus Chancen scheinen gut, bald ein Musical-Star zu werden. Doch die Konkurrenz ist groß: 18 Hunde treten zum "Vorbellen" auf der Probebühne des Coburger Landestheaters an.
Gebellt wird allerdings kaum. Beim Hunde-Casting für das Musical "Anything goes" kommt es auf andere Talente an. Vor allem freundlich, gelassen und folgsam sollte der vierbeinige Darsteller sein. Regisseurin Iris Limbarth zufolge muss der Hund einmal selbstständig über die Bühne laufen und sich von verschiedenen Schauspielern herumtragen lassen. "Schön wäre, wenn er auch noch Kunststücke könnte", sagt Limbarth. Die würden dann sogar ins Stück eingebaut.
Beeindruckt ist die Regisseurin am Mittwochabend von Diva, einer Miniatur-Australian-Shepherd-Hündin, die hinreißend Männchen macht und mit den Pfoten winkt. Doch leider ist Diva mit ihren zwölf Kilogramm zu schwer, um ein Schoßhündchen zu spielen.
"Anything goes" ist ein Broadway-Klassiker aus dem Jahr 1934. "Bei dem Stück ist es Tradition, dass mit einem echten Hund gearbeitet wird", sagt Limbarth. Schauplatz ist der Transatlantik-Liner S.S. America. Die Witwe Evangeline Harcourt, gespielt von Gabriela Künzler, bringt ihr Hündchen mit an Bord. Ein blinder Passagier bastelt sich kurzerhand aus dem Hundefell einen falschen Schnauzbart.
Sorgen machen müssen sich die Hundebesitzer aber nicht. Ihr Liebling wird nicht rasiert - der künstliche Schnauzbart wird passend zum Fell des Hundes ausgesucht. Reichlich Fell war daher eine Voraussetzung für den künftigen Musical-Darsteller, immerhin soll der Trick mit dem falschen Bart authentisch wirken.
Der musikalische Leiter Roland Fister greift bei jedem Teilnehmer beherzt in die Klaviertasten und testet die Empfindlichkeit für laute Musik. Schauspielerin und Sängerin Künzler hat eigene Kriterien. Sie sei Katzenhalterin, habe keine Hundeerfahrung. "Ich muss Vertrauen spüren." Das ist etwa bei Chihuahua-Mischling Mika der Fall. Schwanzwedelnd begrüßt er die Casting-Crew und schmust mit Künzler.
Bühnenerfahrung hat kaum einer der Bewerber, mit Ausnahme von Pepsi. Die neunjährige Pudel-Yorkshire-Terrier-Mischlingshündin ist ein "alter Hase" im Showbusiness. Vor einigen Jahren hat sie beim Musical "Der Zauberer von Oz" mitgespielt. Frauchen Jasmin Meier-Yildirimer aus Coburg sagt stolz: "Pepsi hat sich erinnert, sie wollte direkt zum Haupteingang rein."
So unterschiedlich wie die Hunde, so unterschiedlich sind ihre Besitzer. Die 13-jährige Schülerin Nele Berwind mit Zwergpudel Lucy etwa hatte in der Zeitung vom "Vorbellen" gelesen und ihre Eltern überredet vorbeizuschauen. Der 23-jährige Balletttänzer Jaume Costa bringt seinen Cavalier King Charles Spaniel auf die Bühne, weil er "sehr süß ist und Tricks beherrscht". Werner Tetsch (65) hat Soby dabei, sein Mischlingshündchen aus dem Tierheim. Doch sein Liebling habe sich beim Casting nicht von seiner besten Seite gezeigt, sagt er. Enttäuscht sei er deshalb aber nicht. Auch Zazuus Frauchen Karin Ebitsch scheint nicht von Ehrgeiz getrieben: "Wenn es klappt, dann ist es schön und wenn nicht, dann ist es auch in Ordnung"
Dem Produktionsteam fällt die Entscheidung schwer. Eigentlich sollten noch am Mittwochabend drei bis vier Hunde feststehen, die bei den 30 geplanten Vorstellungen abwechselnd eingesetzt werden. Immerhin auf eine nähere Auswahl von sieben Hunden kann man sich einigen. Die werden am Samstag zu einem zweiten Casting auf der großen Bühne unter Vorführungsbedingungen eingeladen. Viel Zeit hat das Team nicht mehr, die Premiere von "Anything goes" ist am 17. Dezember. Die ausgewählten vierbeinigen Musical-Stars bekommen immerhin eine Statistengage von 12 Euro pro Vorstellung.
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