Warum nächtliche Lichtverschmutzung ein echtes Problem ist
25.5.2017, 10:51 Uhr"Lichtemissionen werden noch gar nicht als Umweltproblem wahrgenommen. Dabei macht diese Ignoranz von Politik und Gesellschaft Lebensraum kaputt", schimpft Sabine Frank, Initiatorin und Koordinatorin des Sternenparks in der Rhön. "Es ärgert mich, wenn Leute denken, es ginge nur um schönes Sternegucken", sagt sie. Lichtsmog habe massive Folgen für Mensch und Tier.
Denn die Hälfte aller Tiere sei nachtaktiv. Sie haben gelernt, sich im Dunkeln zu orientieren. Viele Insekten, Wildkatzen und Fledermäuse, aber auch Amphibien und Reptilien leiden unter den Lichtern der Nacht. Insekten werden zum Beispiel vom Licht der Straßenlaternen angezogen. Viele von ihnen umschwirren die Lampe so lange, bis sie entweder Fressfeinden zum Opfer fallen oder an Erschöpfung sterben. Zugvögel verlieren durch die Lichter die Orientierung.
Weniger Melatonin
Auch für den Menschen ist es schädlich, wenn die Nacht zum Tag gemacht wird. Das sei zum einen Lichtstress für die Augen, zum anderen schlecht für unser Hormonsystem. "Der hohe Blauanteil in künstlichem Licht sorgt dafür, dass unser Körper weniger Melatonin bildet", erklärt die 45-Jährige. Das Hormon helfe uns, einzuschlafen und uns zu regenerieren. Produziert der Körper davon zu wenig, finden wir keinen erholsamen Schlaf mehr — der Tag-Nacht-Rhythmus ist gestört.
"Bei der Energieeinsparung sind alle übereifrig, es wird aber nicht weitergedacht", kritisiert Sabine Frank. Statt LED-Leuchten mit kaltweißem Lichtspektrum zu verwenden, sollte besser warmweiches Licht in Orangefarben zum Einsatz kommen. "Die sind zwar etwas weniger energieeffizient, aber besser für Mensch und Tier", erläutert die 45-Jährige.
Den Sternenpark in der Rhön gibt es seit 2014. Er umfasst 243.000 Hektar — mehr als die Hälfte davon liegt in Bayern. Auch Teile der hessischen Kreise Fulda und Hersfeld-Rotenburg sowie der thüringische Wartburgkreis und Schmalkalden-Meiningen gehören zum Sternenpark.
Straßenbeleuchtung ist zu überdenken
Die International Dark Sky Association (IDA), die seit 1988 gegen Lichtverschmutzung kämpft, hat ihn als Sternenpark anerkannt. In drei Kernzonen ist künstliches Licht im Freien nur unter strengen Bedingungen erlaubt. Sabine Frank hat Richtlinien für eine umweltverträgliche Beleuchtung ausgearbeitet. Dabei wird auf warmweiches Licht gesetzt. Ein Abstrahlwinkel von 360 Grad sei ganz schlecht, schließlich soll möglichst wenig Licht an Gebäuden vorbei in den Nachthimmel strahlen. Straßenlaternen mit voll abgeschirmten Gehäusen bewirken, dass Licht nur noch nach unten strahlt. "Es geht nicht darum, die Straßen dunkler zu machen, sondern Licht ganz gezielt einzusetzen", erklärt die 45-Jährige.
Mit Führungen und Wanderungen durch den Sternenpark werden Besucher für das Thema Lichtverschmutzung sensibilisiert. Dabei können sie die Milchstraße und die Andromeda-Galaxie, die zweieinhalb Millionen Lichtjahre entfernt ist, beobachten.
Seit Sabine Frank der Lichtverschmutzung den Kampf angesagt hat, klappert sie Kommunen ab und versucht sie zu überzeugen, die Straßenbeleuchtung zu überdenken. Oberelsbach im unterfränkischen Landkreis Rhön-Grabfeld hat schon im Winter 2013/2014 alle 527 Straßenlaternen durch voll abgeschirmte Lampen mit geringerem Blauanteil ersetzt. Zwar hat der Tausch 415.000 Euro gekostet — doch gleich im ersten Jahr danach sind die Energiekosten von 37.000 auf 13.000 Euro gesunken. Weitere Gemeinden ziehen nach: Der Markt Burkardroth im Landkreis Bad Kissingen und Hausen im Landkreis Rhön-Grabfeld rüsten ebenfalls ihre Straßenlaternen um.
Keine Gesetze
Naturschützer kritisieren, dass in Deutschland keine Gesetze existieren, die unnötige, übermäßige Beleuchtung in der Nacht verbieten. Bund und Länder haben 2012 versucht, mit der sogenannten Licht-Richtlinie Anhaltspunkte zu geben. Darin haben Experten Richtwerte zur Lichtemission erarbeitet. Für Gewerbegebiete sind sie wesentlich großzügiger als für reine Wohngebiete.
Besonderen Lichtschutz genießen Krankenhäuser oder Kurgebiete. "Ich wünsche mir, dass der Gesetzgeber deutliche Grenzwerte festlegt und nachregelt", sagt Sabine Frank. Sie hofft, dass jeder Bürger darüber nachdenkt, ob und welches Licht er nachts benötigt: "Wir alle können etwas tun, um die Nacht zu schützen. Dann können wir alle auch wieder natürliche Nächte genießen."
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