Warum Oliver Tissot die Prunksitzung in Veitshöchheim für notwendig hält
19.1.2021, 13:55 UhrHerr Tissot, Sie gehören zu den Stars der Fernsehprunksitzung in Veitshöchheim. In einer guten Woche wird Ihr Auftritt aufgezeichnet. Ist Ihre Nummer fertig?
Nein! Der CDU-Vorsitz wird ja erst am Wochenende entschieden und dann steht auch noch die Vereidigung des neuen Präsidenten Joe Biden in den USA an. Womöglich passiert da wieder ein Sturm aufs Kapitol. Wir wollen so aktuell wie möglich sein. Der Regieplan wird täglich aktualisiert.
Wegen der Pandemie werden natürlich auch keine Politiker eingeladen. Markus Söder war stets der heimliche Star der Sendung. Jetzt ist bei Ihrem Auftritt der Saal leer. Furchtbar, oder?
Es war uns immer die größte Freude, in die Gesichter der Politiker zu sehen, wenn sie derbleckt werden. Söder wusste ja, dass da die Kamera auf ihn gerichtet ist und hat immer gelächelt. Andere haben dumm geschaut. Wir wussten, dass viele Politiker regelrecht darauf lauerten, erwähnt zu werden. Jetzt führen wir eher ein Kammerspiel auf.
Klingt aber sehr traurig.
Na, wir machen aber schon sehr lustige Gimmicks. Denn Lachen ist gesund. Eine wissenschaftliche Studie hat nachgewiesen, dass der Körper beim Lachen Killerzellen produziert, die Viren im Blut vernichten. Das brauchen wir jetzt! Lacht Euch also gesund!
Bernd Händel wird als Sitzungspräsident wieder durch den Abend leiten und die einzelnen Programmpunkte ankündigen. Eine schwierige Aufgabe, ohne Publikum.
Alle Nummern sind diesmal kürzer, dichter und abwechslungsreicher. Wir diskutieren gerade, ob wir Lacher vom Band einspielen, vielleicht einen Tusch? Oder ob das befremdlich wirkt. Die neue Situation bedeutet auch eine ganz andere Herausforderung für den Regisseur. Aber es ist absolut notwendig, dass wir diese Sendung machen. Viele Menschen sehnen sich nach Heiterem in dieser tristen Zeit.
Sie traten in den Vorjahren als Raumfahrer und als Einstein auf, wie präsentieren Sie sich heuer?
Also, verraten dürfen wir nichts. Aber ich werde kleinere Einsätze als Störer haben und werde verantwortlich für eine große Innovation sein.
Na, jetzt wissen wir es . . . Wie ist das, Witze zu reißen und die Politik wortakrobatisch aufs Korn zu nehmen, wenn vor Ihnen im Saal keiner sitzt und lacht?
Natürlich ist die Reaktion des Publikums für uns sehr wichtig. An dreckigen Lachern merkt man: Da könntest Du jetzt nochmal nachschießen. Bei Volker Heißmann sieht man es genau, da ist das Timing seines Slapsticks von der Reaktion des Publikums abhängig. Das fällt jetzt weg. Aber uns steckt ja so der Schalk im Nacken. Da tut das jetzt keinen Abbruch, dass der Saal leer ist. Es fällt uns immer ein blöder Nachsatz ein. Ich drehe da eher noch auf, wenn keine Reaktion kommt.
Ganz alleine sind Sie nicht auf der Bühne. Da ist zum Beispiel der Kameramann . . .
. . .wenn der lachen würde, das wäre das Schlimmste: Dann würde nämlich die Kamera wackeln. Das geht gar nicht. Aber wir bekommen schon Feedback von Kollegen, die uns auf Abstand sehen. In den Vorjahren waren die Proben stets wie ein Familientreffen. Da hat man sich auf die Schulter geklopft und Anerkennung für die gegenseitige Leistung gezollt. Und wir haben verfolgt, wie sich vor der Livesendung aufgebrezelte Politiker im Scheinwerferlicht auf dem Roten Teppich im Foyer suhlten. All die Wohlfühlfaktoren fallen heuer weg. Wir kommen uns eher vor wie in einem Film, der gedreht wird.
Was bedeutet die Fernsehfastnacht diesmal für Sie?
Es findet ja in der Pandemie parlamentarisch keine Opposition mehr statt. Da muss halt jetzt Veitshöchheim ran! Wir sind nun die Stimme der Opposition. Das zeichnet die Krise aus!
Oliver Tissot (57) lebt in Nürnberg-Erlenstegen. Er ist österreichischer Staatsbürger, weil sein Vater aus Österreich stammt. Er hat Kommunikations-Design und Soziologie studiert. Seine Doktorarbeit an der Philosophischen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg schrieb er darüber, dass Humor gerade in Zeiten einer Wirtschaftskrise wichtig ist. Tissot hat drei Söhne.