Was macht eigentlich der Bezirkstag Mittelfranken?
10.10.2018, 14:38 UhrIn manchen Umfragen zur kommenden Landtagswahl in Bayern liegt die CSU in der Gunst des Wahlvolks bei unter 40 Prozent. Für die kraftmeiernde Regierungspartei wäre ein solches Ergebnis der politische Weltuntergang. Das muss er nicht sein, wie ein Blick in den Ansbacher Bezirkstag die CSU-Spitze lehren könnte. Hier leben die Christsozialen seit Jahren mit einem 39-Prozent-Ergebnis. Zum Schaden des regionalen politischen Lebens war das bisher nicht, vielleicht sogar eher zu seinem Nutzen.
Seit der vergangenen Wahl vor fünf Jahren geht es im mittelfränkischen Bezirkstag bunt zu. Von seinen derzeit 30 Mitgliedern gehören zwölf der CSU an, sieben der SPD, jeweils drei den Grünen und den Freien Wählern, und je einer der FPD, der ÖDP, der Partei Die Linke, der Piraten- sowie der Frankenpartei. Da müssen erst einmal Mehrheiten gefunden werden, um etwas durchzusetzen. Das erfordert Gesprächsbereitschaft, Kompromissfähigkeit, Rücksichtnahme — Eigenschaften, die grundsätzlich sehr segensreich in einem demokratisch gewählten Gremium wirken können.
Bartsch im ersten Versuch gescheitert
„Das erste Jahr nach der Wahl 2013 war schwer“, gesteht Peter Daniel Forster ein, der Vorsitzende der CSU-Fraktion in Ansbach. Im ersten Versuch scheiterte zum Beispiel die Wahl von Richard Bartsch (CSU) zum Präsidenten. Es gab ein Patt von 15 zu 15 Stimmen. „Jetzt müssen wir aber reden“, hieß es danach bei der CSU leicht verunsichert in Richtung SPD. Die stimmte schließlich mit für Bartsch. Das hatte aber seinen Preis.
SPD-Frau Christa Naaß wurde Stellvertreterin von Bartsch. Außerdem kamen bei der Besetzung der Spitzenposten in den einzelnen Ausschüssen neben Bartsch auch Vertreter anderer Parteien zum Zug. Nach den Anfangsschwierigkeiten „sind wir mit der Situation ganz gut gefahren“, meint Forster heute versöhnlich. Gisela Niclas, Chefin der SPD-Fraktion, spricht sogar von einem „Gewinn für die politische Kultur“. So werde in der Runde der Fraktionsvorsitzenden der Haushalt vorberaten. „Da geht es dann darum, wer was durchbekommt“, so Niclas.
Etat von fast einer Milliarde Euro
Das ist etwa bei der Verteilung von Fördermitteln von Bedeutung. Wenn eine Partei allein die absolute Mehrheit hat, gibt es vielleicht ein paar Diskussionen oder scharfe Wortmeldungen, aber keinen Zwang zur Einigung. Allein die Haushaltszahlen sind ein Beleg für die Bedeutung des Bezirks vor allem im Sozialen. Der mittelfränkische Gesamtetat liegt in diesem Jahr bei fast einer Milliarde Euro. Über 800 Millionen davon fließen in die soziale Sicherung der Menschen. Den größten Teil machen Eingliederungshilfen für Menschen mit Behinderung und Hilfen zur Pflege aus.
Weil die bayerischen Bezirke über keine eigenen Steuereinnahmen verfügen, füllen andere die Kasse. Knapp die Hälfte — in Mittelfranken sind es derzeit 43 Prozent — sind Zuweisungen oder Zuschüsse des Freistaats. Für den größeren Teil aber kommen kreisfreie Städte und Landkreise auf. Sie zahlen je nach ihrer wirtschaftlichen Kraft eine Umlage.
Der sogenannte Hebesatz dafür wird vom Bezirkstag jährlich neu bestimmt. Aus dieser Einnahmequelle sprudelten in diesem Jahr allein über 519 Millionen Euro in die Kasse des Bezirks. Über ein Drittel davon überweist allein die Stadt Nürnberg. Es folgen der Kreis Nürnberger Land (8,6 Prozent), der Kreis Ansbach (8,3 Prozent), der Kreis Erlangen-Höchstadt (8,2 Prozent), die Stadt Fürth (7,3 Prozent) und die Stadt Erlangen (7 Prozent).
Bekanntheisgrad ist ausbaufähig
Es geht also um viel Geld. Landrat Armin Kroder (Freie Wähler) aus dem Nürnberger Land würde sich aus diesem Grund wünschen, dass im Bezirkstag, dem er selbst angehört, noch mehr Bürgermeister und Landräte sitzen. „Dann wären die Stimmen der Umlagezahler etwas lauter zu vernehmen.“ Der FW-Landrat weiß zudem um den noch ausbaufähigen Bekanntheitsgrad der Bezirkspolitik beim Wahlvolk.
Um den zu erhöhen, kann sich der Politiker vorstellen, dass die Wahl der Bezirksräte nicht, wie bisher üblich, zusammen mit den Landtagswahlen, sondern im sechsjährigen Rhythmus mit den Kommunalwahlen stattfindet. Dies müsste freilich der Landtag in einem Gesetz regeln. Aktivitäten in dieser Richtung sind derzeit allerdings nicht in Sicht.
Kollegiale Zusammenarbeit
Mit den unsicheren Mehrheitsverhältnissen im Ansbacher Bezirkstag kommen Armin Kroder und seine Freien Wähler gut zurecht. „Wir entscheiden je nach Sachlage“, versichert der Landrat, „ich könnte jetzt gar nicht konkret sagen, wann wir mit welcher der beiden großen Parteien CSU und SPD gestimmt haben.“ Parteipolitische Schachzüge interessierten ihn nicht. Der Bezirkstag sei, so Kroder, schließlich kein Parlament, sondern ein kommunales Vertretungsorgan, in dem man kollegial zusammenarbeiten müsse. „Von einer festen Blockbildung dort halte ich überhaupt nichts.“
Daniel Arnold von den Grünen sitzt erst seit 2014 im Bezirkstag. Inzwischen ist er deren Fraktionsvorsitzender und leitet den Wirtschafts- und Umweltausschuss. Er rückte damals für Susanne Lender-Cassens nach, die Bürgermeisterin in Erlangen geworden war. Der 38-jährige IT-Systemanalyst kann deshalb in Ansbach noch als Neuling gelten. Weil er viel nachfragt und nicht lockerlässt, hat er sich einen Ruf als „Kniefiesler“ redlich verdient. Die wackeligen Mehrheitsverhältnisse machen die Arbeit für ihn „spannend“. Nicht immer hielten sich politische Partner an getroffene Absprachen, aber meist. Es bleibt ja am Ende auch nichts anders übrig.
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