Seltene Tierarten

Vogelinsel am Altmühlsee: Paradies für Naturbeobachter

vnp

27.6.2023, 11:00 Uhr
Die Präriemöwe wurde im April am Altmühlsee gesichtet. In Bayern wurde diese Art zuvor noch nie nachgewiesen.

© e-nn-gun-20230623_103829-2.jpg, NN Die Präriemöwe wurde im April am Altmühlsee gesichtet. In Bayern wurde diese Art zuvor noch nie nachgewiesen.

Der Landesbund für Vogelschutz blickt zurück auf den Mai, als eine Vielzahl verschiedener und vor allem seltener Vögel an den Altmühlsee und vor die Linsen vogelbegeisterter Naturbeobachter kamen. Der Erstnachweis einer Nordamerikanischen Präriemöwe für Bayern stellte dabei sicher für viele das Highlight des frühjährlichen Vogelzugs dar. Sebastian Amler, Experte für Vogelartenkenntnis des bayerischen Naturschutzverbands LBV (Landesbund für Vogel- und Naturschutz) und LBV-Kreisvorsitzender, zieht ein begeistertes Resümee: "Was wir hier mit der Vogelinsel für ein Juwel in der Region haben, sucht bayernweit seinesgleichen. Die Beobachtungen, die wir als LBV den naturbegeisterten Gästen am Altmühlsee ermöglichen wollen und können, sind einzigartig. Juwelen muss man aber auch pflegen. Wir wollen das Gebiet daher zukünftig noch mehr fördern, um so noch mehr Menschen einzigartige Erlebnisse mit unserer Vogelwelt bescheren zu können."

"Bestes Vogelbeobachtungsgebiet in Bayern"

Die Vogelinsel ist nicht nur Touristenhotspot, sondern auch Naturschutzgebiet, Vogelschutzgebiet und FFH-Gebiet. Sie weist also ziemlich alle Schutzkategorien auf, die ein Gebiet nur haben kann. Laut Sebastian Amler ist sie das beste Vogelbeobachtungsgebiet in Bayern. Deshalb begleitet der LBV das Gebiet auch schon seit seinen Anfängen. Neben dem LBV-Vogelinselfest Ende Mai, dem LBV-Vogelbeobachtungstag im Oktober und den regelmäßigen Führungen der LBV-Umweltstation am Altmühlsee fand im Frühjahr auch bereits ein erster Pflegeeinsatz in Absprache mit der höheren Naturschutzbehörde der Regierung von Mittelfranken, der Unteren Naturschutzbehörde des Landratsamts und dem Wasserwirtschaftsamt als Flächeninhaber statt, um die Wertigkeit des Gebiets noch zu erhöhen. Besonders die große Vielfalt an durchziehenden und rastenden Vogelarten verleihen dem Schutzgebiet große Bedeutung.

Das vermutliche Jahres-Highlight für viele Vogelbeobachter aus ganz Deutschland zeigte sich bereits ab dem 18. April: eine Präriemöwe, die sich aus Nordamerika ins Fränkische Seenland verirrt hatte. Diese Art wurde zuvor noch nie in Bayern nachgewiesen. Auch in Deutschland wurde die Art bislang nur wenige Male dokumentiert.

So beobachten die Profis Vögel

"Nachdem die Präriemöwe von einem ehemaligen LBV-Zivildienstleistenden entdeckt wurde, bin ich schnellstmöglich an den See gefahren, um sie auch selbst beobachten zu können. Am See angekommen traf ich glücklicherweise auf einen anderen Vogelbeobachter, der die Möwe vor wenigen Minuten noch gesehen hatte, zudem erwarteten mich aber auch mehrere hundert Lachmöwen und Beobachtungsbedingungen, die von vorneherein klarmachten: Das wird nicht einfach. Ich baute mein Spektiv, eine Art Fernrohr zur Naturbeobachtung, auf und suchte die Seefläche erstmal mit meinem Fernglas ab. Manchmal wartet man auf so einen Vogel auch mal mehrere Stunden. Einige Beobachter, die zum Teil extra für die Möwe aus anderen Bundesländern, aber auch angrenzen Nachbarländern, wie z.B. Österreich angereist waren, suchten sogar mehrere Tage. Wir hatten jedoch Glück und konnten sie bereits nach wenigen Minuten beobachten: Als wir die Möwe dann gemeinsam gefunden hatten und zudem noch ein Trupp von Regenbrachvögeln über uns flog und die erste Beutelmeise nur wenige Meter entfernt aus einem Busch rief, war die Freude dann riesig", berichtet Sebastian Amler von seiner persönlichen Erfahrung.

Ein imposanter Vogel: der Nachtreiher

Ein imposanter Vogel: der Nachtreiher © e-nn-gun-20230623_103829-6.jpg, NN

Ende Mai zeigte sich auch noch die außergewöhnliche Dünnschnabelmöwe, eine Art aus dem Mittelmeerraum. Vor allem Wasser- und Watvögel finden sich jedes Jahr aufs Neue am Altmühlsee ein. Einige sind dabei eher unscheinbar und klein wie etwa der Temminkstrandläufer, andere groß und auffällig wie der Seeadler oder der Fischadler. Einige kommen allein nach einer tausende kilometerlangen Zugstrecke wie etwa die Pfuhlschnepfe. Sie ist Rekordhalterin im Vogelreich für die längste geflogene Nonstop-Strecke von Alaska nach Neuseeland. Andere kommen im Trupp wie 55 Trauerseeschwalben am 22. Mai, unter die sich auch immer wieder Weißbart- und Weißflügelseeschwalben mischen können. Auch Flussseeschwalben und sogar eine Lachseeschwalbe zeigten sich bereits in diesem Jahr.

Viele Arten machen auf der Vogelinsel nur kurz Halt, um Energie zu tanken, oder verfliegen sich wie beispielsweise ein Sichler, Säbelschnäbler oder ein Austernfischer Ende Mai. Andere brüten mittlerweile sogar am Altmühlsee, wie beispielsweise die nach wie vor seltenen Nachtreiher oder der Seidenreiher. Diese Art hat im vergangenen Jahr erst zum dritten Mal überhaupt in Deutschland gebrütet, und das am Altmühlsee. Eine ganz besondere Reiherart, der Kuhreiher, könnte sich im Zuge der Klimakrise und der damit einhergehenden Verschiebung vieler Arten Richtung Norden sogar langfristig bei uns ansiedeln.

All diese Wasser und Watvögel haben etwas gemein: Sie brauchen offene und vegetationsfreie Wasser- und Uferflächen. Einzelne Sträucher und Bäume zum Beispiel als Ansitzwarten für den Fischadler oder Brutplätze für den Nachtreiher werden noch gut toleriert. Verbuschen Gebiete aber zu sehr, verlieren sie ihre Bedeutung für viele der seltenen und bedrohten Wasser- und Watvögel. Fehlen diese Flächen, fehlen also auch die Arten.

Vogelinsel muss gepflegt werden

Das "Naturschutzgebiet Vogelfreistätte Flachwasser- und Inselzone im Altmühlsee", wie die Vogelinsel offiziell heißt, braucht als einst künstlich angelegtes Gebiet Pflege. Andernfalls verliert sie ihre herausragende Bedeutung. Würde man die Vogelinsel sich selbst überlassen, würde das Gebiet nach und nach immer mehr verlanden und zuwachsen. So würden zwar neue Lebensräume für beispielsweise Arten aus Auwäldern entstehen, die wichtigen und wertgebenden Arten würden dann aber fernbleiben.

In einzelnen Bereichen des Naturschutzgebiets zeichnet sich eben dieses Bild schon ab. Deshalb hat der LBV in Absprache mit den zuständigen Behörden als Ergänzung zu den allgemeinen Maßnahmen im Frühjahr eine Schilfmahd durchgeführt, um so einzelne Flächen im Bereich der Inselzone wieder auszulichten. Auch eine Rinder- und Ziegenbeweidung begeistert nicht nur die Besucher der Insel, sondern dient als Pflegemaßnahme. Im Herbst soll zudem ein weiterer Pflegeeinsatz folgen.

Der Säbelschnäbler gibt immer nur ein kurzes Gastspiel am Altmühlsee. 

Der Säbelschnäbler gibt immer nur ein kurzes Gastspiel am Altmühlsee.  © e-nn-gun-20230623_103829-5.jpg, NN

All die herausragenden Sichtungen sind jedoch nur möglich, weil immer wieder vogelbegeisterte Menschen zum Altmühlsee kommen und die dortige Artenvielfalt dokumentieren. Wie verschiedene wissenschaftliche Studien belegen, macht die Vogelbeobachtung dabei auch glücklich: Deshalb bietet der LBV regelmäßig Führungen an und will so Jung und Alt für die heimische Natur begeistern.

Informationen zu Veranstaltungen gibt es auf der Homepage der LBV-Umweltstation Altmühlsee unter altmuehlsee.lbv.de und der Homepage der LBV-Kreisgruppe Weißenburg-Gunzenhausen unter weissenburg-gunzenhausen.lbv.de.

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