Als in der Weißenburger Gastro die Lichter wieder ausgingen
4.1.2021, 12:52 UhrDer Wirt der Kanne sitzt inmitten dieses gastronomischen Stilllebens vor einem Glas Wasser. Er müht sich um ein Lächeln. Das Jahr hat an Marius Bansemer gezehrt. Der plötzliche Lockdown im März, das hektische Umsetzen stetig neuer Hygiene-regeln, der Super-Sommer, in dem fast alles war wie früher, und jetzt der große Rückschlag.
Dieses Jahr ist aus gastronomischer Sicht manisch-depressiv. Zu Tode betrübt bis himmelhoch jauchzend und wieder zurück.
"Das wäre unser zweites volles Geschäftsjahr gewesen", erzählt der junge Wirt. "Das macht es für uns schwierig, weil du nach so kurzer Zeit noch nicht so viel Substanz hast." Längst sei man an den Reserven angelangt, erzählt er. Das Motorrad ist zum Verkauf ausgeschrieben, Staatshilfen sind angenommen und ein Hilfskredit aufgenommen. Und fett wird in der fränkischen Gastronomie auf dem Land ohnehin keiner.
Aber was am meisten an den Nerven nagt, ist die Ungewissheit. Wann wird es weitergehen? Zu Beginn des weichen Lockdowns war von einer Öffnung um Weihnachten die Rede, dann hieß es 10. Januar, inzwischen ist schon der ganze Januar innerlich abgeschrieben und Bansemer beginnt vom März zu träumen ... Wenn man vielleicht schon wieder nach draußen kann und es sich drinnen leichter lüftet.
To Go macht für ihn keinen Sinn
Er hat die Kanne zusammen mit seiner Lebensgefährtin übernommen. Die fränkische Wirtshausküche wollte er als Stärke behalten und um einige Finessen ausbauen. Und es hat funktioniert. "Wir können zufrieden sein, es ist eigentlich super gelaufen. Wir haben junges Publikum dazugewonnen, und es war zuletzt immer richtig voll." Dann kam der Lockdown und mit ihm die Sorgen um die wirtschaftliche Existenz.
Wut und Frust bei Altmühlfrankens Wirten
Der junge Wirt kocht jetzt manchmal für sich und seine kleine Familie in der Kannen-Küche. "Damit ich da mal wieder stehe. Weil mir das so fehlt." Gegen das To-Go-Geschäft hat er sich früh entschieden. "Da passen bei uns die Strukturen und auch die Art von Essen, die wir machen, nicht", erklärt er.
Bei seiner Art der Küche müsste er schon 50 Gerichte pro Tag zur Abholung ausliefern können, damit das betriebswirtschaftlich Sinn macht und die Kosten gedeckt sind. Außerdem widerstrebt es ihm inhaltlich. "Wenn das Essen dann da fünf, zehn Minuten in einer Warmhaltebox ist, dann ist das nicht mehr so, wie es sein sollte."
Keine Verhältnismäßigkeit?
Die Situation wird für Marius Bansemer zunehmend belastender. "Es ist einfach deprimierend", sagt der Koch aus Leidenschaft. "Im Sommer war ich mal kurz voller Euphorie, weil ich kurz die Hoffnung hatte, dass das jetzt alles vorbei ist." Dann kam das Virus samt neuem Lockdown zurück und bei dem Wirt begann das Hadern.
"Ich war am Anfang überzeugt, dass das gut ist. Aber inzwischen stimmt einfach die Verhältnismäßigkeit nicht mehr", denkt er laut nach. "Wenn ich die vollen Schulbusse zum Beispiel gesehen habe, oder wie die Menschen in Massen im Supermarkt sind. Beim Essen in der Speisegastronomie kommen sie sich nicht so nah."
Und die Plexiglasscheiben zwischen den Tischen sind dichter als Masken. Selbst eine spezielle Lüftung hatte Bansemer schon bestellt. "Wir haben uns so viel Mühe gegeben mit dem Hygienekonzept. Wir haben das sogar übererfüllt, und dann lässt man uns doch wieder nicht."
Auf der anderen Seite ist er auch dankbar, dass sich der Staat kümmert. "Wir können froh sein, dass wir in einem wirtschaftlichen starken Land leben. In Spanien etwa habe ich von Kollegen gehört, da gibt es gar nichts für die Gastronomie." Dann wäre bei ihm aber längst das Licht aus. So sind es die Impfung, das Frühjahr und die Staatshilfen, die ihm Hoffnung spenden in dieser trüben Jahreszeit.
Vergeht die Lust am Essengehen?
Er macht sich aber auch Sorgen, ob die Lust am Essen gehen, am etwas Erleben nicht auch dann noch Monate braucht, um in die Gänge zu kommen, wenn die Gefahr längst nachgelassen hat. "Ich fürchte, dass es da schon eine Verschiebung geben wird zu Lieferservice und Fast Food." Das gehe dann auf Kosten der Innenstädte, wo sich die stationären Speiselokale konzentrieren, während ein Lieferdienst auch im Gewerbegebiet gut zurechtkommt.
Leid tut ihm der erneute Lockdown auch für seine Angestellten. "In der Gastronomie hat eine Kellnerin vielleicht 1200 Euro netto, aber dann noch 500 oder 600 Euro Trinkgeld." Das Problem ist aber, dass das Kurzarbeitergeld sich nur auf den regulären Lohn bezieht und in der Gastronomie deswegen real viel kleiner als in anderen Branchen ausfällt.
"So wie ich die Gastronomen kenne, werden sie bis zum letzten Tropfen kämpfen", sagt Bansemer. Ob es bei jedem am Ende reichen wird, kann er nicht sagen. Bei ihm selbst gibt es immerhin noch Hoffnung auf eine gute Lösung. Er ist versichert gegen eine Schließung. Ob und was die Versicherung allerdings zahlt, ist auch mehr als ein halbes Jahr nach dem Beginn der Pandemie nicht klar. Genauso wenig wie die Frage, wann es in der Kanne endlich wieder nach Sauerkraut Münchner Schnitzel und Märzen riecht.
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