Ein Plädoyer für die echte fränkische Tracht
8.8.2018, 06:00 UhrDie Weißenburger Kirchweih rückt näher und damit ist für viele Menschen in der Region auch wieder Zeit für Dirndl und Lederhose. Doch entsprechen unsere heutigen Dirndl wirklich dem Begriff „Tracht“? Und wie kleideten sich unsere fränkischen Vorfahren im Alltag des 19. Jahrhunderts? Diesen Fragen ging eine Gruppe Trachtbegeisterter in Langenaltheim auf den Grund.
Zunächst begrüßte Christa Naaß als Stellvertreterin des Bezirkstagspräsidenten alle 15 Gäste persönlich. Das Spektrum reichte hierbei von Maßschneiderinnen über Modedesignerinnen bis hin zur Kreisbäuerin. Die Gemeinsamkeit neben dem weiblichen Geschlecht: das durchgängige Interesse für fränkische Tracht.
Für Referentin Katrin Weber sind traditionelle Trachten ihr täglich Brot. Die gebürtige Oberbayerin weiß, wovon sie spricht: Sie leitet nicht nur die Trachtenforschungsstelle, sondern sieht sich auch oft mit kuriosen Hilferufen konfrontiert: Von Buchautoren, die in ihrem Roman auch die korrekte Renaissance-Kleidung beschreiben wollen, bis hin zu verzweifelten Hochzeitsgästen, die nicht so ganz wissen, wie sie auf den Dresscode „in Tracht“ reagieren sollen, ist alles dabei.
Auch Anette Pappler zeigte sich neugierig auf den Verlauf des Nachmittags. Die Leiterin der Jugendwerkstatt Langenaltheim stellte zunächst das Konzept der Einrichtung vor, jungen Leuten den Weg ins Berufsleben zu erleichtern. Die Schneiderei der Einrichtung und die Trachtenforschungsstelle, die bis vor zwei Jahren Evelyn Gillmeister-Geisenhof aus Heuberg leitete, arbeiten seit Jahren eng zusammen. In Langenaltheim wird die eigens wiederbelebte fränkische Tracht geschneidert.
„Dirndl made in China“
Denn wer beim Wort „Tracht“ ein Dirndl à la Oktoberfest vor dem geistigen Auge hat, der liegt eindeutig falsch. Die neumodische Dirndl-Branche setzt eher auf Freizügigkeit als auf Geschichtsbewusstsein und will „Fantasieuniformen als Traditionskleidung“ verkaufen. „Mit original traditioneller Mode haben diese Dirndl made in China nichts mehr zu tun“, so Weber. Für die „Tracht anno 2017“ haben stolze fränkische Landfrauen und heimatverbundene Trachtenvereine nur ein müdes Lächeln übrig.
Die original fränkische Tracht sieht anders aus: Voluminöse lange Röcke oder bestickte Kopfhauben kriegt man aber auf der Wiesn eher selten zu Gesicht. Doch auch hier bestehen im Volksmund so einige Mythen: Die goldenen Stickereien auf den Hauben verheirateter Damen war beispielsweise keine feste Vorschrift, sondern hatten rein pragmatische Kostengründe – da mag so manch ein verliebter Ehemann auch mal tiefer in die Geldbörse gegriffen haben.
Völlig unsinnig sei auch der Mythos über die gebundenen Dirndl-Schleifen: „Die Schürzen hat man eben links oder rechts getragen. Ganz egal, ob ledig oder nicht“, stellte Weber klar. Entstanden sei die Idee der Schleifenkommunikation tatsächlich in einer Frauenzeitschrift um 1970 herum: von jahrhundertelanger Tradition keine Spur. Und auch die klassische Lederhose sei früher schlicht praktische Schutzkleidung gewesen, zunächst ohne regionalen Bezug – „mit urbayerischer Tradition hat das wenig zu tun“, so Weber.
Ihr Fazit: „Mode ist nicht gleich Kostüm ist nicht gleich Tracht.“ Es sei wichtig, sich bewusst zu machen, welche Aufgabe die Kleidung jeweils innehat, sich nicht einzureden, in hundertprozentig originaler Mode herumzulaufen. Nichtsdestotrotz hob Weber die Arbeit der Trachtenvereine hervor: „Damit das gemeinsame Besinnen auf die Heimat nicht verloren geht.“
Keine Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen