Ein Weißenburger Maulbeerbaum für Mehmet Scholl
19.5.2018, 06:00 UhrEin verregneter Tag in der Weißenburger Gärtnerei. Mitarbeiter topfen Pflanzen ein, die Tochter des Hauses hat ein Vogeljunges auf der Schulter, die Chefin kassiert und quer durchs Gelände arbeitet sich ein eigenwilliges Trio. Ein großer Mann und zwei kleinere Herren mit Mütze. Stets in ihrer Mitte ein blau leuchtendes Mikrofon. Man muss das Geschehen etwas beobachten, bis man begreift: Hier wird Radio gemacht. Der Große ist Bayern-2-Moderator Achim "Sechzig" Bogdahn, der eine Kleine ist der Weißenburger Gärtner und Baumstreichler Gerd Meyer, der andere Kleine ist die Münchner Fußball-Ikone und Ballstreichler a. D. Mehmet Scholl.
Scholl und Bogdahn sind der Leidenschaft wegen nach Weißenburg gefahren. Denn es gibt wenig Menschen, die mit so viel Liebe von Maulbeerbaum-Arten und alten Obstsorten und mit so viel Hass von Kiesbeeten und Discounter-Pflanzen sprechen können wie Gerd Meyer. Grund genug für Achim und Mehmet, sich die Welt von Meyer erklären zu lassen. Genau das machen die beiden regelmäßig. Einmal im Monat packen sie das Mikro ein, eine mehrfach gefaltete, handschriftlich verfasste Songliste und fahren irgendwohin, wo es anders ist und spannend werden könnte.
"Wir waren schon bei Marius Müller-Westernhagen im Wohnzimmer, bei einem Länderspiel in Schweden, in einem hawaiianischen Restaurant, am geografischen Mittelpunkt Bayerns und jetzt eben in einer Weißenburger Gärtnerei", erzählt Bogdahn. "Wenn irgendwo Menschen richtig Leidenschaft haben, dann ist das für uns spannend", ergänzt Scholl.
Der Ortsbesuch liefert dann das Grundrauschen für die Sendung "Mehmets Schollplatten", die jeden ersten Sonntag im Monat sorgfältig und zu unrecht im Nachtmix von Bayern 2 versteckt wird. Die beiden lassen sich bei ihren Ortsbesuchen die jeweilige Welt erklären, plaudern über aktuelle Dinge, nehmen sich mit großer Freude auf den Arm und kommen immer wieder dahin zurück, wo alles angefangen hat: Fußball und Musik.
Dass Scholl kein gelangweilter Ex-Profi ist, der jetzt ein bisschen auf DJ und Label-Besitzer macht, stellt er in Weißenburg unter Beweis. Da fliegen Bandnamen, Albumtitel und Songversionen zwischen Bogdahn und Scholl hin und her wie Flachpässe früher zwischen Xavi und Iniesta. Gerd Meyer schlägt sich in dieser Disziplin auch wacker. Wie in der gesamten Sendung, in der die beiden ihn immer wieder nach seiner Arbeit und seiner Leidenschaft fragen. So lernt man, dass es in Meyers Maulbeerbaum-Zucht auch ein aus der Todeszone von Fukushima geschmuggeltes Exemplar gibt, das Pflanzen unterschiedliche intelligent sind und Birken zudem Arschlöcher. Letzteres allerdings ist Scholls exklusive Meinung, die möglicherweise mit seiner ausgeprägten Allergie gegen die Pollen dieser Baumart zu tun haben könnte.
Fußgeruch und Jeremies
Scholl und Bogdahn harmonieren prächtig. Die Vorbereitung scheint eher rudimentär, man überlässt die Sendung den freien Kräften des Zufalls. Und so versucht Bogdahn herauszufinden, welcher ehemaliger Bayern-Profi den strengsten Fußgeruch hat, und scheitert an Scholls Verschwiegenheit. Dafür erfährt man, dass die Toten Hosen bei Jens Jeremies mal ein Wohnzimmerkonzert gegeben haben und Scholl die Isländer für eine eher anstrengende Erscheinung auf der Fußballweltbühne hält.
Am Ende dieses Weißenburg-Besuchs verdichtet sich der Eindruck, dass Mehmet Scholl in seinem Leben öfter auf das Hinterteil als auf den Mund gefallen ist. Insofern ist der exakte Titel des Scholl-Maulbeerbaums dann vielleicht auch eine kleine Retourkutsche seines Moderatoren-Kollegen.
Auf dessen Initiative wurde die aus Armenien stammende Pflanze in Meyers Gewächshaus nämlich "Mehmet Halt’s-Maulbeere" getauft. Eine späte Erinnerung an Scholls Baden-Württemberg-Abitur-Zeiten, als er wegen guter Noten die Maul-Medaille erhielt, die seine Klassenkameraden in der Abizeitung allerdings in ähnlicher Weise umdichteten. "Offensichtlich habe ich damals schon so viel geredet", sagt Scholl, grinst und schweigt jetzt mal.
Die Weißenburger Folge von "Mehmets Schollplatten" wird am Sonntag, 3. Juni, ab 23.05 Uhr auf Bayern 2 zu hören sein. Eine Woche lang ist die Sendung zudem in der Mediathek des BR zu finden.
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