Thomas Kestler kandidiert für die FDP
Einstiger Grüner ist gegen den Atomausstieg
15.9.2021, 20:16 UhrGrund für den Wechsel, der zumindest für Außenstehende eine kleine Überraschung war, waren vor allem die energiepolitischen Ziele der Ökopartei. Die sind für Kestler „ideologisch motiviert“ und „oftmals realitätsfern.“ Früher alternativ-links angehaucht habe er sich mit den Grünen und deren Ansätzen kulturell und politisch verbunden gefühlt, doch das ist mittlerweile ins Gegenteil umgeschlagen.
Das apodiktische „Nein“ zur Atomkraft und das beschlossene „Aus“ in Deutschland für diese Form der Energieerzeugung nennt er widersinnig: „Wind und Sonne sind nicht dauernd verfügbar, deswegen muss aus Kohle Strom erzeugt werden, wenn die Kernkraftwerke abgeschaltet werden“. Das erzeuge eine Unmenge an klimaschädlichem CO2.
Deutschland liege da trotz einem rekordverdächtig hohem Anteil an erneuerbaren Energien mit 8,4 Tonnen CO2 pro Kopf deutlich über jenem Wert in Frankreich (fünf Tonnen). Grund dafür ist vor allem der Atomausstieg“, so Kestler. Letzterer sei klimapolitisch betrachtet „ein Desaster“.
Mit seinen Sichtweisen und Ansätzen kam er zuletzt in der Öko-Partei nicht sehr weit. „Die Zweck-Mittel-Relation interessiert nicht – innerparteilich ist das schwierig zu diskutieren“, hat Kestler die Erfahrung gemacht. „Es hat was Sektiererisches, bei den Grünen Politik zu machen“, sagt er rückblickend. Die Ziele der Grünen seien verbunden mit Verboten und Bevormundungen – „dem will ich aktiv entgegentreten“.
Frei von Ideologien
Dem gebürtigen Bubenheimer, der heute mit Frau und drei Kindern in Weißenburg lebt und der in seiner Freizeit gerne schwimmt, kommt im grünen Lager der Blick aufs Ganze zu kurz. „Die Treibstoffkosten zu erhöhen, trifft vor allem Menschen auf dem Land, die auf das Auto angewiesen sind.“ Und höhere Spritkosten „gehen rein zu Lasten der Kaufkraft". Aus den einstigen Öko-Alternativen ist für Kestler eine Partei geworden, die von einer gut situierten, städtisch und ideologisch geprägten Klientel getragen und gewählt wird.
Nach den parteipolitischen Erfahrungen bei den Grünen – für die er 2009 bei der Bundestagswahl antrat - steht Kestler nun „für einen ideologiefreien und effizienten Klimaschutz“. Deswegen nennt er es „unsinnig“, die Kernreaktoren abzuschalten und gleichzeitig die E-Mobilität („reine Geisterfahrt“) mit viel Staatsgeldern zu fördern. Auch die hohen Vergütungen durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sind für ihn ein „Fehlanreiz“.
Mittlerweile exportiere Deutschland Strom zu Negativ-Preisen ins Ausland, da er hier nicht genutzt werden könne. „Solange es keine Speichermöglichkeiten gibt, ist das Irrsinn“ und eine gigantische Verschwendung von Ressourcen, denn der Bau von Windrädern, Biogas-Anlagen und Solarfeldern verbrauche wertvolle Rohstoffe und koste enorme Summen – auch den Stromkunden, welche die EEG-Umlage bezahlen müssten.
"Wir allein werden es nicht retten"
Geld, das für den Politikwissenschaftler sinnvoller in die Klimapolitik investiert werden könnte. Deutschland spiele zwar die Rolle des positiven Vorreiter in der Welt, doch „Eines muss auch klar sein: Wir allein werden es nicht retten.“ Klimapolitik sei nur im globalen Maßstab wirklich effektiv und zielführend. „Dem Klima ist es schließlich egal, wo CO2 und andere Klimagase erzeugt oder gebunden werden."
Kestlers zweites großes Thema ist ist ureigenstes liberales Programm: Die Freiheit. Corona und die Einschränkungen seit 2020 sind für ihn ein „Dammbruch, der Freiheitsrechte weggespült hat“, wie es in der Geschichte der Bundesrepublik unvorstellbar schien.
Vor allem die sogenannte Bundes-Notbremse kritisiert Kestler massiv. Diese sei im April 2021 zu einem Zeitpunkt erfolgt, an dem die Trendwende bei den Infektionszahlen „bereits klar erkennbar war und etwa in der Schweiz viele Beschränkungen aufgehoben wurden“. Vor allem Bayerns Ministerpräsident Markus Söder habe sich hier persönlich profiliert und als Macher inszeniert – „auf Kosten von Grundrechten".
Die autoritären Züge der Regierenden und auch die breite Zustimmung in der Bevölkerung für die Einschränkungen waren und sind für den liberalen Kandidaten „schlimm“. Denn „Freiheitsrechte sind keine Verfügungsmasse“, die einfach einer politischen Opportunität geopfert werden könnten.
Thomas Kestler arbeitet und forscht am Lehrstuhl für vergleichende Politikwissenschaft an der Uni Würzburg und beschäftigt sich viel mit Prozessen der Demokratisierung – etwa in Lateinamerika. Das Beispiel Venezuela habe ihm gezeigt „wie schnell auch ehemals prosperierende Länder in einen Strudel aus Ideologie, Autoritarismus und Misswirtschaft geraten können“.
Deswegen tritt Kestler vehement gegen die Ziele seiner früheren Partei ein. Diese wolle „gescheiterte sozialistische Konzepte durch die grün-ökologische Hintertür auf die politische Agenda mogeln“. Doch Planwirtschaft und Interventionismus wurden zumindest in der Klimapolitik nicht funktionieren. Besser sei es, die Strompreise im freien Markt zu bestimmen, anstatt diese durch Umlagen quer zu finanzieren. „Am Ende des Tages weiß es der Markt besser als der Staat“. Letzterer sei wichtig und nötig – „aber er muss richtig dimensioniert sein“.
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