Endstation Bahnhof Weißenburg

5.9.2017, 08:44 Uhr
Endstation Bahnhof Weißenburg

© Robert Renner

Stefan F. ist „Bahnfahrer aus Überzeugung“, wie er selbst sagt. Weil er einen Aktivrollstuhl fährt, bucht er seine Reisen normalerweise über die Mobilitätszentrale der Deutschen Bahn, um Ein- und Ausstiegshilfen oder mobile Rampen zu bestellen. Damit hat er stets gute Erfahrung gemacht. „Einziger Nachteil, die Dienstleistung muss einige Tage im Voraus bestellt werden“, erklärt der Nürnberger.

Jüngst reiste er aber spontan ins Blaue, ohne vorher eine Hilfeleistung zu bestellen. Geplant war ein Ausflug nach Forchheim. Den anvisierten Regionalexpress verpasste er allerdings knapp, und alle weiteren S-Bahnen und Regionalexpresse zum gewünschten Ziel fielen an diesem Tag aus. „Na ja“, dachte sich Stefan F., „ir­gendwann muss die Bahn ja mal ihre notwendigen Bauarbeiten erledigen, und das ist eben meistens während der Ferienzeit.“

Also disponierte er um und wählt Bayreuth als nächstes Ziel. Doch am Bahngleis angekommen, folgte die Ernüchterung. Der Einstieg in den Zug war „durch die mittig angebrachte Haltestange zu kompliziert und durch viele Treppen auch viel zu steil“, schildert er. Mit der Rampe des Mobilitätsservices wäre das sicherlich kein Problem gewesen, weiß Stefan F., doch er wollte eben spontan verreisen, da musste er eben auch zurückstecken können.

„Jetzt macht wohl doch Mittelfranken das Rennen“, dachte er sich und entschied sich als nächste Möglichkeit für den Regionalexpress Richtung Treuchtlingen. Fast wäre auch dieser Plan zum Scheitern verurteilt gewesen, doch ein kräftiger Fahrgast am Bahnsteig griff beherzt zu und half Stefan F. über die wenigen Stufen am Zugeingang.

Werbung für Weißenburg

Da saß er nun im Zug, über den Ausstieg hatte er sich noch gar keine Gedanken gemacht – das war „eben eine richtige Fahrt ins Blaue“, meint er rückblickend. Schwabach kennt der Nürnberger schon, also schied die Stadt als Fahrtziel aus. Roth vielleicht? Eine ganze Weile saß Stefan F. alleine im Zug, sodass es keine Möglichkeit zum Aussteigen gab. „Wie wird es wohl weitergehen?“, fragte er sich.

Dann stieg – kurz vor der Abfahrt in Roth – ein Fahrgast mit Fahrrad zu. Der begann Werbung für die Stadt Weißenburg zu machen: historischer Stadtkern, nette Gaststätten, das behindertengerechte Römermuseum und vieles mehr. Kein Wunder, handelte es sich doch um den Leiter der Weißenburger Musikschule, Justus Willberg.

Also stand Stefan F.s Reiseziel bald fest – einziges Problem, neben den Treppen am Zugeingang, Weißenburg hat auf Gleis 3 keinen Aufzug. Am Bahnsteig ist ein Rollstuhlfahrer, wenn es keine Helfer gibt, quasi gefangen.

„Warum dieser Aufzug nicht gebaut wird, dafür gibt es sicherlich viele Ausreden“, meint der Nürnberger und vermutet mit leichter Ironie: „Logisch, wenn die Hinfahrt von Nürnberg nach Weißenburg mit dem Zug nicht möglich ist, werden sich dort viele Rollstuhlfahrer nicht blicken lassen. Also könnte die Bahn argumentieren: keine Rollstuhlfahrer, also auch kein Aufzug nötig!“

Der freundliche Schaffner im Zug wies auf den Mobilitätsservice hin. Doch der nützt hier in Weißenburg nichts, denn eine Hilfeleistung kann für den Bahnhof nicht bestellt werden. Es liegt in der Verantwortung von Politik und Bahn, ob Weißenburg vielleicht doch einen Aufzug auf Gleis 3 bekommt oder ob Rollstuhlfahrer sowie Menschen mit Gehhilfen oder auch mit Kinderwagen verlassen vor der Treppe zur Bahnsteigunterführung stehen.

Im Fall von Stefan F. halfen freilich Justus Willberg und ein weiterer Weißenburger. Und so hat die Reise ein gutes Ende genommen. In der Stadt freute sich der Nürnberger „über eine sehenswerte Altstadt mit einem sympathischen Café vor dem Museum“, berichtet Stefan F..
Die Heimreise war übrigens kein Problem. Das Gleis Richtung Nürnberg ist barrierefrei zugänglich und der Zug war sehr behindertenfreundlich ausgestattet. Und am Bahnsteig fanden sich sogar zwei Jugendliche, die Stefan F. in den Zug gefahren haben.

Der würde gerne wieder nach Weißenburg kommen, zum Römermuseum, das er nur von außen gesehen hat. Daher wartet er auf den Aufzug am Gleis 3.

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