Geld vom Bürger – und keiner will es
12.8.2017, 06:00 UhrAlle Seiten betonten, Bürger und Unternehmen so gering wie möglich belasten zu wollen. Allerdings dürfte es im Falle von Weißenburg und Gunzenhausen über ein paar Jahre gerechnet um Millionenbeiträge gehen, die aus den Geldbeuteln der Bürger in die Kassen der Kämmerer wandern. Noch in diesem Jahr wollen die beiden großen Städte die Satzung einführen und zumindest Gunzenhausen setzt auf die Solidarität der anderen 18 Gemeinden im Landkreis, die bislang ihre Bürger nicht am Straßenausbau beteiligen.
Es kommt selten vor, dass Politiker Geld, das ihnen zusteht, gar nicht haben mögen. Im Falle der Straßenausbaubeitragssatzung ist das der Fall. Zumindest versicherten das die beiden Bürgermeister der größten Städte im Landkreis glaubhaft. Und das dürfte größtenteils auch für die andere 18 Bürgermeisterkollegen aus dem Landkreis gelten, die ebenfalls noch keine SABS haben. Rechtlich führt daran kein Weg mehr vorbei, wie auch die Rechtsaufsicht bei der Pressekonferenz nochmal feststellte. „Wenn Gemeinden sie nicht einführen, dann ist das, wie fünf Bier trinken und Autofahren. Ein Gesetzesverstoß“, stellte Thomas Aischer von der Rechtsaufsicht fest.
Diejenigen Gemeinden, die Kredite in ihrem Haushalt brauchen, werden gezwungen sein, die Abgabe einzuführen, weil die Rechtsaufsicht andernfalls die Genehmigung für die Kredite verweigert. Bei denen, die einstweilen ohne Schulden auskommen, fehlt der Rechtsaufsicht der Hebel beziehungsweise der Willen zum Äußersten. Theoretisch gäbe es das Mittel der Ersatzvorgabe, erläuterte Jana Mai von der Rechtsaufsicht. Das aber sei die härteste Keule, die man schwingen könnte, weswegen Landrat Gerhard Wägemann sicherheitshalber schon mal heftig den Kopf schüttelte. So schwere Geschütze will man dann doch nicht auffahren. Man hofft auf die Vernunft der Bürgermeister.
Alle Gemeinden sollen mitziehen
Und das ist nicht nur beim Landratsamt so. Gunzenhausenes Bürgermeister Karl-Heinz Fitz appelierte an die kleineren Gemeinden, sich solidarisch zu zeigen: „Ich gehe davon aus, dass im nächsten Jahr alle 20 Gemeinden die Straßenausbaubeitragssatzung einführen. Darauf werde ich drängen, damit für alle Landkreisbürger gleiche Bedingungen gelten.“ Immerhin würden die großen Städte zahlreiche Infrastrukturleistungen wie Bäder oder Büchereien anbieten, die Geld kosten und auch von den Bürgern kleinerer Gemeinden genutzt werden.
Die Einnahmen, die durch die Einführung einer Straßenausbaubeitragssatzung in die Gemeindekassen wandern können, sind beträchtlich, wie Weißenburgs Oberbürgermeister Jürgen Schröppel (SPD) feststellte. Die Verwaltung hat den kürzlich in Weißenburg sanierten Habermühlweg mit der empfohlenen Mustersatzung durchgerechnet. Das Ergebnis: bei Gesamtkosten von rund 695000 Euro hätte der Anteil der Bürger bei mehr als 486000 Euro gelegen, wenn es jetzt schon eine Ausbausatzung gäbe. Geld, das in den vergangenen Jahrzehnten stets die Stadt für ihre Bürger bezahlt hat.
Das ist nun nicht mehr möglich, wie sich bei dem Pressegespräch alle Beteiligten einig waren. Spätestens nach einem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs aus dem November vergangenen Jahres führt für normale Gemeinden kein Weg mehr an der Einführung einer Straßenausbaubeitragssatzung vorbei. Einziges Schlupfloch ist eine sogenannte „atypische Haushaltssituation“, wie sie in der Landeshauptstadt München diagnostiziert wurde. Thomas Aischer von der Rechtsaufsicht macht allerdings klar, dass diese Entscheidung umstritten sei und in Bayern allenfalls für 20 bis 30 Gemeinden gelten könne, die finanziell herausragend dastünden. „Bei uns trifft das für keinen zu“, so Aischer deutlich.
IHK lehnt neue Belastung ab
Dass die Straßenausbaubeitragssatzung auf kommunaler Ebene unvermeidlich ist, das hat auch das Indutrie- und Handelskammergremium für den Landkreis zähneknirschend akzeptiert. Dabei lehnt es die Abgabe nach wie vor strikt ab. „Da wird jetzt in Zeiten guter Haushaltslage eine neue Abgabe eingeführt, anstatt den Bürgern etwas zurückzugeben“, ärgerte sich IHK-Gremiums-Ehrenvorsitzender Dr. Carl-Friedrich Ossberger. Er halte das für ein falsches Zeichen. Die IHK wolle sich in dieser Frage zur Stimme der Unternehmen und auch der Bürger machen und politisch Druck machen, um nach Möglichkeit eine Änderung der Gesetzeslage zu erwirken.
Allzu wahrscheinlich ist das allerdings nicht, denn im Bayerischen Landtag waren sich alle vier im Parlament vertretenen Gremien grundsätzlich einig, dass man eine Straßenausbaubeitragssatzung grundsätzlich braucht. Strittig war allein die Art und Weise der Abgabe. Zudem konnten sich weder Städte- noch Gemeindetag dazu durchringen, sich für eine Abschaffung der Gebühr einzusetzen. „Die Gemeinden, die sie haben, wollen sie oft nicht mehr hergeben“, erläuterte Landrat Gerhard Wägemann.
Die Frage ist im Moment vor allem, in welcher Form man die Satzung einführt. „Da gibt es Spielräume, und da muss man jetzt schauen, dass man die ausreizt, ohne zu überziehen“, erklärte OB Schröppel. Die Stadt- und Gemeinderäte können innerhalb gewisser Grenzen festlegen, wie hoch die Beteiligung der Bürger sein soll oder welche Möglichkeiten der Stundung und Verrentung von Beiträgen es gibt. Zudem soll stets nur die günstigste Variante des Umbaus auf die Bürger umgelegt werden, auch wenn höherwertig gebaut wird. Zudem will man in jedem Fall darauf verzichten, rückwirkend Beiträge zu erheben, was rechtlich möglich wäre. Schröppel: „Ich kann nicht nach 20 Jahren zu jemandem kommen und sagen: ‘Ich kriege Geld von dir.’ Das geht einfach nicht.“
Bei der Frage nach der Erhebung der Beiträge geht der Weg klar zu den Einmalgebühren. Das heißt, es zahlen nur die Anwohner einer Straße, bei denen auch die Straße neu hergestellt wird. Im Gegensatz dazu gibt es die wiederkehrenden Beiträge, die die Baukosten auf alle Grundstücksbesitzer eines Sanierungsgebiets verteilt. Dieses Modell halten die Kommunalpolitiker allerdings für ein „Verwaltungsmonster“, weil man jedes Jahr tausende von Bescheiden verschicken müsste und zudem die Rechtslage noch weitgehend unklar ist.
Entlastung über die Steuer?
Die IHK will allerdings, dass die wiederkehrenden Beiträge nochmal geprüft werden. Der Wirtschaftsverband appelliert zudem, dass nun Lösungen gefunden werden, die für die Bürger und die Wirtschaft akzeptabel sind. Bei solchen Lösungen könnte auch ein Steuerausgleich eine Rolle spielen. So könnten Grundstückseigentümer über die Grundsteuer und Gewerbebetriebe über die Gewerbesteuer entlastet werden, stellte Ossberger fest.
Steuerentlastung, Einmalbeiträge oder wiederkehrende Erhebung und die Ausgestaltung der Satzung im Detail werden die Punkte sein, die die Stadt- und Gemeinderäte in diesem Herbst und Winter noch intensiv beschäftigen werden. Der Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen hat in Mittelfranken die mit Abstand ge-ringste Zahl an Gemeinden, die schon eine Satzung haben. Nur sieben von 27 Landkreisgemeinden verlangen von ihren Bürgern Geld für den Straßenausbau. In Erlangen/Höchstadt sind es 96 Prozent, in Roth 95 Prozent und selbst der zweitschlechteste Landkreis Neustadt/Aisch bringt es mit 56 Prozent noch auf mehr als das Doppelte des Weißenburger Verhältnisses. Das zeigt, dass an der Satzung eigentlich schon länger kein Weg mehr vorbeiführt.
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