Graugänse fühlen sich wohl im Seenland

7.3.2011, 11:06 Uhr
Graugänse fühlen sich wohl im Seenland

An sich ist das Fränkische Seenland ja froh über jeden Gast. Doch auf diese Tagestouristen würde die Region gerne verzichten: Die Graugänse haben sich zum echten Problem entwickelt, vor allem am Altmühl-, aber auch zunehmend am Kleinen Brombachsee. Im Trubel um die alljährliche Algenplage ging dies in der öffentlichen Wahr­nehmung fast unter.

Die Technische Universität München hat nun herausgefunden, dass es sich bei den Gänsen in vielen Fällen um „Tagestouristen“ aus München handelt, berichtete kürzlich Dr. Dieter Krause vom Wasserwirtschaftsamt Ansbach bei einer Veranstaltung des Grünen-Kreisverbandes. Sie fliegen morgens in der Landeshauptstadt los, treiben sich den Tag über im Seenland herum, verkoten dabei unter anderem die Liegewiesen und fliegen abends wieder nach München.

Cleverer als gedacht

Den Tieren beizukommen, ist äußerst schwierig: Sie erkennen, ob ein Spaziergänger nur einen Trachten­janker trägt und deshalb aussieht wie ein Jäger, oder ob er tatsächlich ein Gewehr dabei hat. Auch Wolfsattrappen machen ihnen keine Angst. Über Schwimmketten auf dem Altmühlsee, die die Gänse von den Stränden weghalten sollen, hüpften die Tiere einfach drüber. Mitarbeiter der Zweckverbände Altmühl- und Brombachsee stellten in Abstimmung mit der TU München im vergangenen Jahr Schafzäune auf, um die Gänse davon abzuhalten, vom Wasser auf die Liegewiesen zu laufen. Das funktionierte, war aber auch mit Hindernisläufen für die Badegäste verbunden.

1 400 Gänse sollen es am Altmühlsee im vergangenen Jahr gewesen sein, beklagt Markt Berolzheims Bürgermeister Fritz Hörner. Ausgerechnet der Grünen-Politiker sieht „die Jagd als probates Mittel“, um der Plage beizukommen, und forderte vor Kurzem im Kreistag, den Druck auf die Gänse zu erhöhen. Öffentlich gab es bislang kaum derart klare Worte vonseiten der Politik zu dem Graugans-Problem. „Es geht nicht um eine Ausrottung“, betonte Hörner. Gleichwohl könne es nicht sein, dass man einerseits versucht, die Seen von den Algen zu befreien, während sich das nächste Problem aus der Luft nähert.

Verena Auernhammer, Gebietsbetreuerin des Landesbunds für Vogelschutz in der LBV-Station Muhr am See, sieht Hörners Zahlen als zu hoch gegriffen an. Nach den LBV-Zählungen waren es im vergangenen Jahr im Durchschnitt um alle Seen verteilt 40 Grauganspaare mit 150 Jungen sowie rund 600 Nichtbrüter. Allerdings räumt sie ein, dass es heuer schon jetzt an die 300 Graugänse am Tag sind. Tendenz steigend.
Nach Ansicht Auernhammers haben sich die Sichtbarrieren und die Schafzäune im vergangenen Jahr als „sehr effektiv erwiesen“, um die Tiere von den Liegewiesen fernzuhalten. Um die landwirtschaftlich genutzten Flächen im Umgriff der Seen zu schützen, sollen heuer verschiedene Maßnahmen wie das gezielte Mähen sogenannter Ablenkungsflächen erprobt werden.

Prinzipiell handelt es sich bei den Graugänsen um Jagdwild, das nur
im August und vom 1. November bis zum 15. Januar geschossen werden darf. Wegen der zunehmenden Plage haben die Regierung von Mittelfranken sowie die Unteren Jagdschutzbehörden an den Landratsämtern in Weißenburg und in Ansbach auf Antrag Verlängerungen vom 1. August bis maximal 28. Februar erteilt. Über derartige Jagdzeitverlängerungen verfügen in Weißenburg-Gunzenhausen 25 Revierinhaber und im Landkreis Ansbach 32. Von Anfang April 2009 bis Ende März 2010 wurden in Weißenburg-Gunzenhausen 127 Gänse erlegt, davon 42 in der verlängerten Jagdzeit. Für den Ansbacher Bereich waren es 76 Gänse, davon 55 in der verlängerten Jagdzeit.

Der Lehrstuhl für Tierökologie der TU München erforscht derzeit, welche Maßnahmen sinnvoll erscheinen, um die Schäden in der Landwirtschaft sowie die Verschmutzung der Badestrände zu minimieren. „Im Rahmen dieses Forschungsprojekts besteht die jagdrechtliche Möglichkeit, mit Zustimmung der jeweiligen Jagdausübungs-berechtigten die Gelege der Gänse so zu manipulieren, dass aus den Eiern kein Jungtier mehr schlüpft“, bestätigte die Regierung von Mittelfranken auf Anfrage unserer Zeitung. Darüber hinaus könne unter sehr engen Voraussetzungen
die jagdrechtliche Genehmigung zum Fang von Gänsen erteilt werden.
Der sogenannte Gössel- oder auch der Mauserfang (im einen Fall werden die Jungtiere, im anderen die Tiere, die während der Mauser nicht fliegen können, getötet) ist derzeit aber vom Tisch, sagt die LBV-Verantwortliche Verena Auernhammer erleichtert. „Das kann nicht die Lösung sein.

Modellregion

Die Oberste Jagdbehörde im Landwirtschaftministerium hatte im vergangenen Jahr solch radikale Maßnahmen ins Auge gefasst. In München gab es aber heftige Proteste der Naturschützer. In der Folge machte das Ministerium den Altmühlsee zur Modellregion für das Forschungsprojekt der TU München. Dabei arbeiten nun TU und LBV sogar gut zusammen. Auernhammer: „Wir haben keine Reibungspunkte.“ Allerdings betont die LBV-Gebietsbeauftragte auch, dass das nicht bedeutet, dass sie alle Ideen der Forscher mittragen würden.

Wie wichtig es für Altmühlfranken ist, nicht einen neuen Klotz am Bein zu haben, zeigen die jüngsten Tourismuszahlen: Das Fränkische Seenland als einstiges Flaggschiff des Fremdenverkehrs in Nordbayern musste 2010 ein neuerliches Minus bei den Übernachtungszahlen verkraften. Binnen zwei Jahren sank die Zahl von gut 900 000 auf knapp 830 000. Algenplage und das schlechte Wetter sind sicher die beiden Hauptgründe. Der Tourismusverband Fränkisches Seenland will die Feiern zum 25-jährigen Bestehen heuer nutzen, um die neue Vermarktungsstrategie „Fränkisch. Seen.Land.“ bekannt zu machen. Das Seenland hat mehr zu bieten als nur Badevergnügen, ist die Botschaft. Unter anderem wird der neue Fernwanderweg „Der Seenländer“ offiziell eingeweiht.