Kundgebung ohne Störung
10.4.2012, 08:00 UhrDass am Karfreitag in Weißenburg kein Schach gespielt werden darf, löste eine mindestens bayernweite Diskussion über das Feiertagsgesetz aus. Radiosender, der Bayerische Rundfunk, die Nürnberger Nachrichten sowie diverse Kirchenzeitungen machten sich anhand des Weißenburger Falls Gedanken über Sinn und Unsinn des Feiertagsgesetzes. Auslöser war die Entscheidung OB Schröppels, dem Druck der Kirchen nachzugeben und den Wildbadsaal am Karfreitag nicht für die Mittelfränkischen Schachmeisterschaften zur Verfügung zu stellen. Die Titelkämpfe fanden seit mehr als einem halben Jahrhundert traditionell an diesem Tag ihr Ende.
Ohne großes Aufhebens ging die Kundgebung der Weißenburger Linksjugend vor dem Weißenburger Römermuseum über die Bühne. Etwa 20 Teilnehmer hatten sich dort an drei Biertischen versammelt und spielten Schach. So wollte die Linksjugend darauf hinweisen, dass ein Schachturnier niemanden in seinen religiösen Gefühlen verletze, und darüber hinaus für eine striktere Trennung von Staat und Kirche plädieren.
Keine Konfrontation
Dass sie sich für die Kundgebung den Platz vor der Andreaskirche ausgesucht und den Beginn just auf die Todesstunde Jesu gelegt hatten, sorgte im Vorfeld für Irritationen und böses Blut. Gegenüber dem Weißenburger Tagblatt betonte die Linksjugend, dass ihr diese Tatsachen bei der Anmeldung der Kundgebung nicht bewusst gewesen seien. Die Besucher der Andacht, die gegen 15.15 Uhr die Andreaskirche verließen, beäugten die kleine Kundgebung mit skeptischen, teils belustigten Blicken. Zu Diskussionen zwischen den Lagern kam es jedoch nicht.
Bei der Siegerehrung der Mittelfränkischen Meisterschaften verteidigte Weißenburgs Oberbürgermeister Jürgen Schröppel seine Entscheidung, den Wildbadsaal am Karfreitag nicht zur Verfügung zu stellen. „Ich hätte nicht gedacht, dass wir wegen dieser Veranstaltung auf Seite 1 der Nürnberger Nachrichten landen“, zeigte er sich verwundert ob des Medieninteresses. Dass die Meisterschaften wegen des Verbots mit nur 29 Teilnehmern und einem schwachen Starterfeld stattfinden mussten, bedauerte Schröppel. „Ich muss aber auch klarstellen, dass ich das nicht zu verantworten habe.“
Der Oberbürgermeister verwies auf die „eindeutige Rechtslage“, die Sportveranstaltungen an Karfreitag verbietet. „Ich hätte Fünfe gerade sein lassen, wenn die zustimmen, zu deren Schutz das Gesetz erlassen wurde.“ Nach dem Nein der Kirchen habe es für ihn keinen Spielraum mehr gegeben. Man könne mit guten Gründen über das Feiertagsgesetz streiten, das aber müsse auf einer anderen Ebene stattfinden, nämlich im Bayerischen Landtag, so Schröppel.
Leere Gotteshäuser füllen
Thomas Strobl, Leiter der Schachsparte des ausrichtenden Vereins TSV 1860 Weißenburg, bedankte sich beim Oberbürgermeister und seinen Vereinskameraden für die Unterstützung. In scharfen Worten griff er das Feiertagsgesetz an. „Wenn ich nun lesen muss, ich brauche die Stille des Karfreitags, um einen Moment inne halten und dem Konsum- bzw. Vergnügungsrausch entfliehen zu können, reagiere ich mit Unverständnis. Ich suche meine Zerstreuung nach der Arbeit im Sport. Das ist es, was ich brauche, nicht eine staatlich oder kirchlich verordnete Ruhe.“
Niemand – außer den Kirchen – könne einen Grund für die Notwendigkeit eines stillen Feiertages nennen, so Strobl. „Ihr eigentliches Ziel ist es, die leeren Gotteshäuser zu füllen.“ Der Staat seinerseits bete nur den Gesetzestext nach: „Das ist verboten, weil es so im Gesetz steht. Der Zweck des Gesetzes ist also das Gesetz selbst.“
Die Diskussionen um das Turnier in Weißenburg hätten auch ihr Gutes. „Vielleicht sind sie ein reinigendes Gewitter“, so Strobl. Er hoffe nun darauf, dass sich die Landtagsabgeordneten nicht verstecken und eine Reform des Feiertagsgesetzes angehen.
Auch innerhalb der Kirche wird das Spielverbot kontrovers diskutiert. „Die stillen Feiertage sind ein Ausdruck der christlich-jüdischen Kultur und als solche sehr wichtig. Wenn man allerdings 51 Jahre lang ein Schachturnier halten darf und dann plötzlich nicht mehr, ist das für die Menschen nicht nachvollziehbar. Mit so etwas tun wir uns als Kirchen keinen Gefallen“, sagte der evangelische Dekan Peter Huschke den Erlanger Nachrichten.
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