Parolen der Nationalisten gingen im Lärm unter
11.3.2012, 17:10 UhrBereits um 10.30 Uhr hatten sich am Samstagvormittag Hunderte von Demokraten am Marktplatz eingefunden, die gegen die Kundgebung der JN demonstrieren wollten, darunter auch Landrat Gerhard Wägemann, SPD-Landtagsabgeordnete Christa Naaß, Oberbürgermeister Jürgen Schröppel, Dekanin Ingrid Gottwald-Weber sowie viele Stadträte, Kreisräte und Vertreter verschiedenster Parteien und Organisationen, die der JN die Stirn bieten wollten. Die Jugendorganisation der NPD hatte unter dem Motto „Wir sind keine Terroristen – die Presse lügt“ die Kundgebung für Weißenburg angemeldet, die vom Landratsamt am Freitag auch genehmigt worden war.
Bürger bezogen Stellung
Landrat Gerhard Wägemann sowie OB Jürgen Schröppel hatten im Vorfeld von ihren Juristen den Antrag prüfen lassen und sahen keine rechtliche Handhabe, die Kundgebung, die für den Zeitraum von 11.00 bis 20.00 Uhr angemeldet war, abzusagen. Um sicherzustellen, dass der Marktplatz nicht in die Hände der Rechten gerät, hatte das Landkreisbündnis gegen Rechts über sein Netzwerk in kürzester Zeit Vertreter aller politischen Lager und viele Bürger mobilisiert, die mit Fahnen und Transparenten auf der Südseite des Marktplatzes Stellung bezogen.
Schon viel früher am Morgen patroullierten Polizeikräfte durch die Stadt. Die Weißenburger Beamten wurden durch Kräfte aus Ansbach und Nürnberg verstärkt, die am Marktplatz und am Bahnhof, aber auch im gesamten Stadtgebiet eine eindrucksvolle Präsenz zeigten. Über die genaue Anzahl der Einsatzkräfte schweigt sich die Polizei aus taktischen Gründen aus. Allein die während der Kundgebung vorhandenen zehn Polizei-Transporter lassen vermuten, dass es insgesamt mindestens sechs Dutzend Beamte gewesen sein dürften.
Dagegen nahm sich die Gruppe der knapp 30 Neonazis, die kurz nach 14.00 Uhr am Bahnhof in Weißenburg eintrafen, relativ bescheiden aus. Als das Grüppchen um 14.15 Uhr zwischen Wimmer-Eck und Gotischem Rathaus die von der Polizei abgesperrte Zone betrat, wurde es mit „Haut ab, haut ab“-Rufen von der gegenüberstehenden und zehnmal größeren Menschenmenge in Empfang genommen.
Naziparolen gingen unter
Als Sven Diem, Aktivist der Jungen Nationaldemokraten aus Roth, das Mikro ergriff, verstummten seine Worte in dem ohrenbetäubenden Getöse. Die Nazis wurden im Verlauf der geplanten Kundgebung sichtlich nervöser, liefen aufgeregt hin und her und diskutierten untereinander. Ein Mitglied der Freien Nationalisten Weißenburg, soll laut dem Internetportal Endstation Rechts angeblich gefordert haben: „Kameraden, an die Front“, woraufhin die Mehrzahl versuchte, Gegendemonstranten hinter der Absperrung anzugreifen. Dieser Vorfall ist auch durch ein Video auf der Seite www.endstation-rechts-bayern.de belegt.
Während der Kundgebung wurde immer wieder versucht, Journalisten und Fotografen bei ihrer Arbeit zu behindern. Sven Diem (JN), Marcel Maderer (Division Franken) und Ralf Ollert (Landesvorsitzender der NPD und Stadtrat für die Gruppierung Ausländerstopp in Nürnberg) forderten die Polizei mehrmals auf, gegen die Gegendemonstranten und insbesondere deren Lautstärke vorzugehen. Als die Nerven offensichtlich blank lagen, erstatteten sie Anzeige gegen den Anmelder der Gegenkundgebung, Victor Rother, wegen Verstoßes gegen die Versammlungsfreiheit. Zudem wurden laut Polizei drei Körperverletzungen angezeigt, die Gegendemonstranten begangen haben sollen.
Sichtlich frustriert traten die Neonazis den Rückzug an, zogen jedoch bei Einbruch der Dunkelheit in Treuchtlingen mit ihrem Banner „Wir sind keine Terroristen“ und mit Fackeln ausgerüstet als unangemeldete Spontandemo durch die Treuchtlinger Bahnhofsstraße.
So wurden am Ende des Tages in den beiden Lagern zwei fast gleichlautende Fazits gezogen. „Ein insgesamt erfolgreicher Tag für Weißenburg, eine erfolgreiche Aktion gegen Nazis, die diesen deutlich zeigte: Ihr und Eure rassistische und menschenverachtende Ideologie seid hier unerwünscht!“, postete „Endstation Rechts“ im Internet. Die „Division Franken“ zieht nach dem Fackelzug durch Treuchtlingen eher eine Zwischenbilanz: „Wer zuletzt lacht . . .“.
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