Rundes Jubiläum: Das Fränkische Seenland wird 50

14.6.2020, 17:32 Uhr

Wann hat eigentlich das Fränkische Seenland Geburtstag? 1974 vielleicht, beim Stollenschlag am Altmühl-Überleiter? Oder im Juli 2000, als der Große Brombachsee offiziell eingeweiht wurde und das jahrzehntelange Projekt zum Abschluss kam? Weder noch. Man einigte sich auf den Tag, an dem das Fränkische Seenland im Bayerischen Landtag beschlossen und somit aus einer Idee ein Plan wurde: Den 16. Juli 1970. Heuer steht also der 50. Geburtstag ins Haus, doch statt einer Party gibt es eine nie dagewesene touristische Krise. Im Interview erzählt Hans-Dieter Niederprüm, der Geschäftsführer des Tourismusverbands Fränkisches Seenland, was für heuer eigentlich geplant war – und was man stattdessen vom Jubiläumsjahr 2020 erwarten darf.

50 Jahre Landtagsbeschluss Fränkisches Seenland: Wie sollte das eigentlich gefeiert werden?

Wir hatten eine Festveranstaltung für den 24. April auf der MS Brombachsee geplant, mit der wir natürlich medial punkten wollten. Da sollte Ministerpräsident Markus Söder kommen, und wir wollten unsere Sonderbroschüre zum Jubiläum vorstellen. Darin hatten wir, neben Fakten und Interviews zur Entstehung des Fränkischen Seenlands, auch alle möglichen Veranstaltungen aufgelistet. Die mussten wir alle rauswerfen, weil ja alles abgesagt wurde. Wir hatten außerdem Pressereisen und Bloggerreisen vorbereitet – wir hatten so vielen Ideen.


"Horch amol"-Podcast: Seenland will trotz Corona punkten


Und stattdessen kam Corona. Welche Auswirkungen hat denn – soweit man das derzeit schon sagen kann – die Pandemie auf das Fränkische Seenland?

Das wird ziemlich krass werden. Wenn man dem irgend etwas Positives abgewinnen kann, dann, dass es jetzt passiert ist und nicht im Juli oder August. Und dass jetzt schon die Lockerungen kommen. Wenn uns das später erwischt hätte, also an Pfingsten etwa bis in den Sommer hinein … dann wären unsere Betriebe alle pleite gewesen, glaube ich. Es sind auch so einige gefährdet, da gibt’s nichts schönzureden. Aber wir haben zumindest die Chance, eine Schadensbegrenzung hinzukriegen und mit einem tiefblauen Auge davonzukommen. Normalerweise ist das Ostergeschäft sehr wichtig – das hätten wir gerne mitgenommen, das wäre ein Bomben-Saisonauftakt geworden. Die Vorausbuchungen waren irre hoch, es wäre der beste März und April seit Jahren gewesen. Wir hatten auch über unser Online-Buchungssystem im Januar und Februar teilweise 50 Prozent Steigerung gegenüber dem Vorjahr. Das ist alles storniert worden; stattdessen hatten wir einen Rückgang von bis zu 90 Prozent bei den Übernachtungen. Ich habe Hoteliers, die haben am Telefon geweint und gesagt: Wir trauen uns gar nicht mehr ans Telefon zu gehen, weil es ist sowieso ein Storno. Das ist bitter.


1970 wurde der Grundstein fürs Fränkische Seenland gelegt


Liegt nun im diesjährigen Trend für "Urlaub daheim" auch eine Chance? Oder ist man im Sommer mit den Kapazitäten ohnehin erschöpft?

Während der Ferien in Baden-Württemberg und Bayern sind unsere Kapazitäten erschöpft, da würden wir maximal noch ein Wachstum von 0,5 bis 1 Prozent hinbekommen – in einem guten Sommer. Aber damit die Umsatzverluste aus dem Frühjahr wettzumachen, ist unmöglich. Die Automobilindustrie etwa kann Umsätze durchaus nachholen, etwa durch Förderprogramme. Aber bei uns ist das erledigt.

Dennoch fahren Sie jetzt eine Kampagne, um den Tourismus anzukurbeln.

Wir teilen unser Marketing auf in zwei Hälften: Tagesausflügler und Übernachtungsgäste. Den Tagesausflüglern vermitteln wir jetzt: Hallo, wir sind wieder hier. Dazu haben wir sowohl in Print als auch in Social Media eine Kampagne laufen, auch in der näheren Umgebung. Die Gäste von weiter weg herzukriegen, funktioniert auch schon. Wir haben ja unsere Messearbeit im Januar und Februar noch erledigen können, und das lief spitze. Schon da haben uns die Leute die Prospekte aus der Hand gerissen, wir mussten mehrmals Nachschub holen. Die Nachfrage ist auch jetzt wieder, nach den Lockerungen, irre groß, die Zugriffe im Internet sind im Vergleich zum Vorjahr um 170 Prozent gestiegen. Wir wollen locken mit "Seenland statt Gardasee". Aber: Da bekommen wir eine kritische Klientel, die das Fränkische Seenland für ihren Strandurlaub normalerweise nicht auf dem Schirm hat. Die zu bedienen, ist eine Herausforderung. Denn die vergleichen international, mit Mallorca, oder eben mit dem Gardasee. Da haben wir Gott sei Dank unsere Hausaufgaben gemacht mit der Qualität in den Zweckverbänden, da ist viel Geld investiert worden. Jetzt greift die ganze Arbeit der vergangenen zehn Jahre.


Tourismus im Fränkischen Seenland: "Es ist dramatisch"


Der Titel der Jubiläumsbroschüre lautet "Die verwirklichte Vision". 50 Jahre nach dem Landtagsbeschluss – welche Visionen konnten denn verwirklicht werden?

Die Vision, den Wasserhaushalt in Bayern auszugleichen, ist absolut geglückt. Die zweite Aufgabe war, die Region touristisch zu erschließen. Es gab auch vorher schon Tourismus in der Region, nur war der austauschbar. Eine Region von vielen. Ohne die Seen wäre die Region ländlich strukturiert. Traumhaft schön zwar, ursprünglich natürlich. Und jetzt haben wir alles: Wir haben die Seen als Ankerpunkt, als Alleinstellungsmerkmal, aber wir haben ja deutlich mehr. Darum ja unser Slogan: Fränkisch. Seen. Land. Wir sind mehr als die Seen. Und schließlich konnte man mit den Seen auch der Landflucht entgegenwirken. Die Menschen haben den Lebenswert hier erkannt und bleiben. Und das war auch eine Vision.

Wo gibt es noch Optimierungsbedarf?

Ich will uns breiter aufgestellt sehen. Wir brauchen Kapazitäten auch Abseits von Camping und Wohnmobil. In dem Bereich sind wir sehr stark und besetzen auch in ganz Franken den Markt, aber im Hotelbereich, mit dem typischen Drei-Sterne-Landgasthof, da haben wir kleine Kapazitäten. Da brauchen wir aber noch größere Betriebe, die uns weiter nach vorne schieben. Und die auch die Grundauslastung außerhalb der Hauptsaison sichern. Das fehlt uns noch, da möchten wir stärker werden. Damit wir auch im Oktober vielleicht oder über den Winter noch ausreichend Gäste hier haben.

Wo will das Fränkische Seenland langfristig hin?

Ein riesiges Potenzial steckt in den Themen Nachhaltigkeit und Naturverträglichkeit. Da müssen wir uns noch weiter verstärken, und das wird auch Ziel unseres Leitbilds sein, das wir 2021 fortschreiben. Was wir definitiv nicht brauchen, sind etwa Mallorcapartys, wie sie es mal in Enderndorf gab.Das will ich nicht bedienen, das ist der falsche Weg. Ich will nicht, dass wir das Malle in der Region werden oder der Ersatz für ausgefallene Ischgls. Das ist meine feste Überzeugung – auch wenn ich mir Ärger einhandle.


Corona verhagelt Saisonstart im Fränkischen Seenland


Ein 50. Geburtstag ganz ohne Party ist aber auch blöd. Gibt es einen Nachholtermin für die offiziellen Feierlichkeiten?

Ja, wir holen die Feier nach. Geplant ist nun der 22. Oktober, wieder auf der MS Brombachsee, mit dem Ministerpräsidenten Markus Söder und weiteren Ehrengästen. Unsere Sonderbroschüre zum Jubiläum, "Die verwirklichte Vision", halten wir bis dahin aber nicht zurück – die verteilen wir bereits jetzt.


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