Topmoderne Forschungsarbeit am Weißenburger Kunststoffcampus
7.8.2018, 08:42 UhrWenn man als Laie zu verstehen versucht, was genau in dem grau-orangen Betongebäude in der Richard-Stücklen-Straße 3 passiert, dann ist das gar nicht so einfach. Wie jede Branche benutzt auch die Kunststoffbranche gerne Fachchinesisch, was den Dialog erst einmal erschwert. Im Gespräch mit Hochschulvertretern fallen Begriffe wie „Extruder“, „Kleinmengen-Compoundierung“ und Ähnliches, bis man als Journalist plötzlich hellhörig wird. Bei der Vorstellung des rund 575000 Euro teuren Bewegungssimulators „eMove eM6-555-400-A8“, der aussieht wie eine sechsbeinige Krake mit Würfelkopf, fällt das Wort „Alleinstellungsmerkmal“.
Einmalig in Deutschland
Mit dem Hexapoden können Martin Kommer zufolge sämtliche komplexen Fahrzeugbewegungen simuliert werden. Zudem ist der Bewegungssimulator mit einer Kältekammer kombiniert, in der Fahrzeugteile kinetischen und thermischen Veränderungen zugleich ausgesetzt werden können, was komplexe Fahrzeugtests in freier Wildbahn entbehrlich macht. Die Vorteile des Bewegungssimulators liegen für Kommer auf der Hand: „Die Temperaturen sind hier absolut stabil, die Simulation von Bewegungsabläufen unter definierbaren Klimabedingungen erlaubt es uns, Bauteile unter realitätsnahen Bedingungen, wie zum Beispiel Fahrten mit dem Pkw, Lkw oder auf hoher See, zu untersuchen.“
Der Kunststoffcampus Bayern arbeitet bereits mit mehreren Firmen aus der Region zusammen, darunter die Firmen Alfmeier oder k3 works aus Treuchtlingen, für die das Technologiezentrum konkrete Forschungen betreibt, die aber der Geheimhaltung unterliegen. Mit beiden Firmen ist im Herbst auch eine Veranstaltung geplant, bei der der neue Hexapode öffentlich vorgestellt wird.
Professor Christian Wilisch zufolge ist das Technologiezentrum Weißenburg bislang die einzige Forschungseinrichtung in ganz Deutschland, die einen derartigen Bewegungssimulator besitzt. „Man muss heute wahnsinnig viel investieren, um den Campus auch erfolgreich betreiben zu können“, erklärt Kommer. Prof. Wilisch schiebt nach, dass sich das Technologiezentrum von Forschungsprojekt zu Forschungsprojekt finanzieren müsse. Denn die Auftraggeber der Forschungsarbeiten sind unter anderem die Geldgeber der Hochschule. Wilisch hat nach eigenem Bekunden aber „keine Zukunftsängste“. Durch das gezielte Bewerben des Kunststoffcampus Bayern auf Fachmessen wolle man weiter für den Kunststoffcampus Bayern werben. So tritt die Hochschule zum Beispiel bei der KPA (Kunststoff Produkte Aktuell), die im nächsten Jahr in Ulm stattfindet, als Partner auf.
Vizepräsident Prof. Dr. Andreas Grzemba ist ebenfalls zuversichtlich, dass langfristig immer mehr Kooperationen mit Firmen entstehen und sich der Weißenburger Campus ähnlich erfolgreich entwickeln wird, wie beispielsweise die Campusse in Freyung oder Teisnach: „Ich verspreche mir die gleichen Effekte wie dort auch für Weißenburg.“ Immerhin könne auch in Weißenburg bereits das angestellte Personal komplett durch Aufträge von außen bezahlt werden, ist Grzemba zufrieden.
Der operative Leiter Martin Kommer freut sich, dass die kleine Hochschule im Vergleich zu großen Instituten „agil und flexibel“ reagieren könne, und will kräftig daran mitarbeiten, dass durch die Forschungsarbeit der gute Ruf der Weißenburger Hochschule noch weiter ausgebaut werden kann. Als potenzielle Partner der Wirtschaft bieten sich Kommer zufolge vor allem mittelständige Unternehmen an, die sich selbst keine eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung leisten können oder leisten wollen.
Gerätepark ist beachtlich gewachsen
Der Gerätepark im Weißenburger Technologie- und Studienzentrum ist inzwischen beachtlich gewachsen: Allein in einem Raum stehen Gerätschaften, die zusammen den Wert eines altmühlfränkischen Einfamilienhauses haben. Ein Digitalmikroskop, ein Infrarotmikroskop, um Oberflächen zu scannen, ein paar Monitore oder ein 3-D-Drucker, der den schönen Namen „Felix Pro 2“ trägt.
Meistbietend graue Kästen, denen man die technischen Finessen als Laie nicht ansieht. Auch die Geräte scheinen sich in fränkischer Bescheidenheit überbieten zu wollen. Genauso wie der Kunststoffcampus Bayern. Understatement made in Weißenburg. Da kann der Kunststoffcampus noch einiges von der IHK Nürnberg für Mittelfranken lernen. Denn die ist sich in einer Pressemitteilung absolut sicher: „Die direkte Nähe und Anbindung der regionalen Wirtschaft an die Hochschul- und Forschungseinrichtungen ist ein Garant für wirtschaftlichen Erfolg und die Sicherung von Arbeitsplätzen. Wichtige Meilensteine auf dem Weg zu einer zukunftsorientierten Forschungs- und Wirtschaftsregion.“
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