Weißenburg bereitet sich auf den Shutdown vor
18.3.2020, 10:11 Uhr"Es ist ganz wichtig, dass wir weiterhin sichtbar bleiben", sagt Buchhändlerin Bettina Balz mit Nachdruck. Ihr schwebt zum Beispiel vor, dass alle Geschäfte im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen mit einem einheitlichen, auffallenden Symbol in ihren Türen und Schaufenstern darauf hinweisen, dass sie online erreichbar sind oder telefonisch weiterhin Bestellungen aufnehmen. Balz selbst macht das so, und fährt die Buchbestellungen dann auch persönlich aus. Und dabei geht es ja nicht nur um Belletristik: Bei ihr und anderen Buchhändlern im Landkreis sind gerade Schulbücher gefragt. Denn die Kinder müssen ja zu Hause lernen.
Welle der Solidarität
Erste Gespräche mit Einzelhändler-Kollegen, den Stadtmarketingvereinen und der Wirtschaftsförderung im Landkreis laufen bereits an, um eine gemeinsame Strategie zu entwickeln. "Es gibt ein unglaubliches Solidaritätsgefühl untereinander", sagt Balz. Alle wissen: Diese Krise kann dramatisch ausgehen, mit irreparablen finanziellen Schäden. "Darum ist es so wichtig, den Kunden zu zeigen: Wir sind da."
Uli Käb in ihrem Kiosk im Rathaus erfuhr erst gestern Mittag, dass auch sie definitiv schließen muss und erst mal keine Zeitungen verkaufen darf. Da gab es zunächst Verwirrung, weil die Vorgaben auf Bundesebene anders sind, als in Bayern. Ein Mann kommt herein und möchte sich noch mit einer bestimmten Sorte Schnupftabak eindecken. "Alles weg, ich hab nichts mehr", sagt Käb, greift aber zum Telefon und ruft im Kiosk von Uwe Bauerreiß in der Obertorstraße an. Vielleicht hat der noch was. "Wir sind keine Konkurrenten, sondern Kollegen – so sehe ich das. Und die Solidarität untereinander ist noch größer geworden", sagt Käb. "Wir sind mit vielen anderen Händlern ständig in Kontakt, versorgen uns mit Tipps und Infos. Wir sind eine Kleinstadt – da kennt man sich und unterstützt sich."
Während die Geschäfte, bis auf wenige Ausnahmen, komplett geschlossen bleiben müssen, dürfen Gastronomiebetriebe bis 15 Uhr aufmachen. Nicht alle werden das tun: Ohne Laufkundschaft rentiert sich eine Öffnung für manche Restaurants und Cafés schlicht nicht. Auch einige Dienstleister machen zu, obwohl sie nach den Vorgaben der Regierung nicht unbedingt müssten: Arben Lumi etwa schließt in Hinblick auf die Sicherheit seiner Mitarbeiter vorerst den Friseursalon Schneider. Der enge Kontakt mit den Menschen sei einfach zu gefährlich. "Ich will meine Kunden nicht verlieren, aber ich will auch meine Mitarbeiter nicht verlieren."
Kontakt zu Kunden soll bleiben
Einige Gastronomen setzen nun auf einen Abhol- oder Lieferservice. "Ich weiß nicht, ob es was bringt – aber probieren muss ich es. Ich will mich jetzt nicht hinsetzen und nichts machen", sagt Udo Rauh, der den Torwart betreibt. "Manche müssen ganz zumachen, und wir haben aktuell noch wenigstens die Chance, mit den eingeschränkten Öffnungszeiten und dem Abhol-Angebot ein bisschen was zu machen."
Gabi Hemmeter muss ihren Deko-Laden am Marktplatz ab heute schließen. Aber auch sie will für ihre Kunden weiterhin erreichbar sein; sie weiß, dass etliche sich zum Beispiel auf die Frühjahrskollektionen bestimmter Artikel freuen. "Ich nehme Bestellungen über Instagram, Telefon, E-Mail auf", sagt sie. Ausgeliefert wird dann höchstpersönlich.
Doris Rotter in ihrem Nähzentrum Regner hat sich eine ganz besonders einfallsreiche Methode für den Fernabsatz überlegt: Mittels Videotelefonie auf dem Smartphone will sie ihre Kunden auf einen Rundgang durch das geschlossene Geschäft mitnehmen und ihnen das Sortiment zeigen. "So kann ich die gewohnt gute Beratung bieten", erklärt Rotter.
Die Lage sei schwierig und existenzbedrohend für viele, da müsse man innovativ sein und gemeinsam mit den anderen an einem Strang ziehen. "Anders als etwa in Roth, wo ich auch eine Filiale habe, ist in Weißenburg der Zusammenhalt unter den Händlern eh sehr gut", findet sie. "Die meisten mögen sich, und ich denke, da wachsen wir nun noch stärker zusammen."
Kommentar: Support your local dealer!
Für Einzelhändler, Gastronomen und Dienstleister ist der Shutdown eine Katastrophe. Wie und wann es wieder regulär weitergeht, weiß derzeit keiner. So oder so wird der Schaden aber immens sein, für einige könnte es – trotz der versprochenen staatlichen Hilfen – um die Existenz gehen. Vielleicht nicht sofort; aber die langfristigen Folgen könnten für einige kleinere Geschäfte ein schleichender Tod sein.
Darum ist jetzt unsere Solidarität in der Region gefragt. Die Einzelhändler zeigen, dass es geht: An einem Strang ziehen, sich gegenseitig unterstützen. Kollegen statt Konkurrenten. Und auch wir Konsumenten sitzen mit im Boot. Ausgedehnte Online-Shoppingtouren bei großen Versandhändlern sollten wir vermeiden. Die profitieren ohnehin schon genug von der Krise.
Stattdessen sollten wir schauen, wie wir unsere lokalen Geschäfte, Dienstleister und Gastronomen unterstützen können. Wer dringend während der nächsten Wochen etwas kaufen muss, kann sich informieren, ob die Geschäfte oder Restaurants seines Vertrauens auf einem alternativen Weg erreichbar sind: im altmühlfränkischen Online-Kaufhaus, auf der eigenen Internetseite, per Telefon, über Facebook, mit Lieferdienst.
Und dann kommt ja auch (hoffentlich bald) die Zeit nach Corona. Also verpulvern wir unser Geld nicht jetzt aus Langeweile bei Amazon und Co., sondern tragen es nach dem Shutdown in unsere eigenen Städte. Damit diese auch in Zukunft bunt und lebendig bleiben.