Weißenburger Ex-OB Günter W. Zwanzig ist verstorben
21.4.2021, 05:56 UhrBlenden wir zurück. Nachdem es der Weißenburger SPD 1966 nicht gelungen war, mit dem einheimischen Kandidaten Walter Schuster den von der CSU unterstützten Oberbürgermeister Horst Lenz aus dem Amt zu kegeln, sollte es 1972 "ein junger, in Weißenburg völlig unbekannter und unbeleckter Kandidat" schaffen, erinnerte sich der mittlerweile ebenfalls verstorbene SPD-Stadt- und Kreisrat Günter Kreißl beim eingangs besagten SPD-Ehrungsabend 2019.
Der "unbeleckte Kandidat" war der damals knapp 40-jährige Regierungsdirektor Günter W. Zwanzig aus Rheinland-Pfalz. Und der hatte bis dahin schon ein ereignisreiches Leben vorzuweisen.
Zur Welt kam er am 1. Mai 1932 in Hendon/London als Sohn von Dr. Ingenieur Walter Zwanzig und der Opern- uns Konzertsängerin Erika Zwanzig. Er besuchte in England noch die Vorschulklasse, bevor er mit seiner Familie 1938 nach Postdam kam. Im Kindesalter musste er dort gegen Kriegsende noch verheerende Luftangriffe miterleben.
Von Potsdam in den Westen
Von Potsdam floh seine Familie 1948 aus politischen Gründen nach Mülheim/Ruhr, wo Zwanzig im März 1952 sein Abitur schrieb. Er studiert zunächst Rechtswissenschaften in Erlangen, Freiburg, Bonn und Göttingen. Seine Referendarzeit absolvierte er in Mittelfranken. Ab 1961 legte Zwanzig ein Zusatzstudium der Geografie, Geologie und Biologie in Erlangen und Mainz ab.
Zu dieser Zeit gehörte er – einer der Experten für die Geschichte der deutschen Studentenverbindungen – bereits dem Arbeitskreis sozialdemokratischer Akademiker an, war aber noch nicht Parteimitglied. Der Eintritt in die SPD erfolgte 1969 und nahm schon allein aufgrund familiärer Verbindungen nicht wunder. Die Schwester seines Vaters war die bekannte Bundestagsabgeordnete (1949 bis 1969) Lisa Korspeter. Durch sie lernte Zwanzig fast alle nach 1945 maßgeblichen Persönlichkeiten der SPD kennen. Vorbilder für ihn waren Kurt Schumacher, Wilhelm Hoegner und Hans-Jochen Vogel.
1962 promoviert er in Göttingen, im gleichen Jahr legte er das Zweite Juristische Staatsexamen in München ab. Er wurde Bezirksplaner bei der Regierung in Stade (Niedersachsen). Hernach war er von 1964 bis 1972 Referent für Naturschutz, Recht der Denkmalpflege, der allgemeinen Kulturpflege und des Kirchenwesen im Kultusministerium in Rheinland-Pfalz.
Ein besonderer Wahlkampf
Und dann hat Zwanzig "einen Wahlkampf hingelegt", wie man ihn bis dato in Weißenburg nicht kannte, erinnerte sich Günter Kreißl 2019 in seiner Laudatio. Er sei auf die Straße gegangen, habe sich vorgestellt und den Menschen die Hände geschüttelt. Er sei aber auch von Haustür zu Haustür gezogen. Sonntags habe er die umliegenden Orte besucht. "Jeden Sonntag war er bei einem Gottesdienst in einer anderen Kirche", schilderte Kreißl. Und unter der Woche habe er auch schon mal Bauern auf den Dörfern, die erst noch zu Ortsteilen werden sollten, auf den Feldern geholfen.
Und tatsächlich gelang es dem Sozialdemokraten, obwohl er nur vier Monate Zeit hatte, den schier übermächtigen CSU-Kandidaten Wolfgang Wohlleben in die Stichwahl zu zwingen und ihn in dieser mit 54 zu 46 Prozent der Stimmen zu besiegen.
Zwanzig ließ sein unkonventionelles Auftreten aber auch danach nicht. So sei er beispielsweise als OB mit dem Fahrrad zum Rathaus gefahren, was damals für viele Weißenburger undenkbar war – in einer zudem ereignisreichen und kommunalpolitisch alles andere als einfachen Zeit. Weißenburg war gerade durch die Gebietsreform zur Großen Kreisstadt geworden und dabei um knapp 4000 Einwohner gewachsen. Und auch der Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen war gerade erst entstanden.
Meisterstück Karmeliterkirche
Zwanzig ging unbeirrbar seinen Weg. Er schuf die Grundlagen für die Altstadtsanierung, rettete gegen scharfen Widerstand im Stadtrat die Karmeliterkirche und leitete deren Umbau zum Kulturzentrum mitten in der Stadt ein. In seine OB-Amtszeit fielen ferner die Übernahme der städtischen Realschule und des Stadtkrankenhauses durch den Landkreis. Er organisierte die Stadtverwaltung um, legte eine neue Geschäftsordnung für den Stadtrat vor und schnitt die Ausschüsse neu zu. Unvorstellbar heute: Erst zu seiner Zeit wurden schriftliche Vorlagen für Stadtratssitzungen Pflicht.
Nachhaltig für die Stadt wirkten und wirken aber auch der Ausbau des Straßennetzes, das Ausweisen von Industriegebieten sowie sein Einsatz für die Römischen Thermen, für die Ansiedlung des Römermuseums, für die Wülzburgsanierung und den Hochwasserschutz. Entstanden war dabei beispielsweise der Aumühlweiher. Nicht zu vergessen sein kulturelles Engagement sowie die Einführung der Neujahrsempfänge und der Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Treffen.
1978 wurde Zwanzig als Weißenburger OB wiedergewählt, von 1978 bis 1984 war er zudem Kreisrat und von 1974 bis 1986 Bezirksrat. Trotz all seines Engagements fand er 1976 auch noch Zeit, eine Familie zu gründen. Er heiratet seine Frau Karin, aus der Ehe gingen drei Kinder hervor.
1984 nicht mehr nominiert
Doch im Weißenburger SPD-Ortsverein war Zwanzig nicht unumstritten. Nach internen Querelen wurde er 1984 nicht mehr als OB-Kandidat nominiert. Er arbeitete hernach bis Juli 2000 als Geschäftsführer der Evangelischen Erziehungsstiftung Nürnberg sowie als Verwaltungsleiter der Evangelischen Hochschule Nürnberg. Ab 1985 war er zudem Lehrbeauftragter für Natur- und Umweltschutzrecht an der Fachhochschule Hof.
Zwanzig verfasste über 100 Veröffentlichungen auf dem Gebiet des Natur- und Umweltschutzes, der Denkmalpflege und der Stadtgeschichte. 1997 zog er nach Erlangen, behielt aber gute Kontakte nach Weißenburg. Als geselliger Mensch kam er oft zur Weißenburger Kirchweih und zum Neujahrsempfang. Und auch bei Versammlung des SPD-Ortsvereins, dem er trotz des Zerwürfnisses 1984 die Treue hielt, wurde er bis vor wenigen Jahren häufig gesehen.
Für sein vielfältiges Engagement wurde er 1984 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet, 1992 folgte die Goldene Bürgermedaille der Stadt Weißenburg. In seiner Laudatio sagte damals Reinhard Schwirzer, sein Nachfolger als OB: "Günter Zwanzig hat (. . .) den Mut besessen, eigene Ideen durchzuhalten und sich (. . .) treu zu bleiben." Günter Kreißl sagte es bei der Würdigung im November 2019 so: Günter W. Zwanzig hat "in Weißenburg etwas hinterlassen, auf dem seine Nachfolger immer noch aufbauen können".
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