"Weißenburger Hexe" bekommt keine Straße
7.12.2015, 09:48 UhrEs soll an der südlichen Stichstraße am Ende der Jahnstraße kurz vor dem Stadtteil Hagenbuch angebracht werden. Dort steht ein Straßenschild mit dem Hinweis auf die Hausnummer 53 bis 61. Die Verlängerung dieses Seitenarms der Jahnstraße würde zur Bösmühle führen, die es nicht mehr gibt. Die Hinweistafel geht auf eine Initiative der SPD-Fraktion zurück.
Die Sozialdemokraten wollten ursprünglich sogar, dass die Stichstraße in Margarethe-Seybold-Weg umbenannt wird. Margarethe Seybold war der reguläre Name der Bösmüllerin. Die SPD wollte mit der Aktion „ein deutliches Zeichen setzen, aus der Geschichte zu lernen, und zum Nachdenken anregen“, heißt es in der Antragsbegründung.
Oberbürgermeister Jürgen Schröppel schrieb daraufhin an die Anwohner des Seitenwegs, weil deren Rechte als Grundeigentümer bei einer Umbenennung berührt würden. „Neben der Anschaffung einer neuen Hausnummer müssten Sie insbesondere Ihre neue Anschrift einer Vielzahl von Stellen, mit denen Sie in Kontakt stehen (Versicherungen, Banken u. a.) mitteilen“, ließ er die Bürger wissen.
In der Folge zeigte sich, dass „die Unannehmlichkeiten und zum Teil auch finanziellen Belastungen dazu führen würden, dass die Anwohner sich gegen eine Straßenumbenennung aussprechen würden“, schrieb SPD-Fraktionsvorsitzender Andre Bengel in einem weiteren Brief an die Verwaltung. Dies sei nicht Sinne des Antrags und auch nicht im Sinne der SPD-Stadtratsfraktion, weshalb diese ihren Antrag änderte und nur noch ein Hinweisschild oder ein Gedenktafel im Bereich der Einfahrt vorschlage. Und das Schild wird es nun wohl auch geben, vorausgesetzt, der Stadtrat folgt seinem vorberatenden Ausschuss.
Erwürgen als Gnadenakt
Margarethe Seybold hatte den Bösmüller Georg Seybold 1573 geheiratet und mit ihm elf Kinder. Sie wurde Opfer einer Denunziation im Zuge der Ellinger Hexenverfolgung und geriet so „in einen geradezu unaufhaltsamen Prozess“ heißt es im SPD-Antrag.
Der Weißenburger Stadtrat habe damals nach der Anzeige durch den Ellinger Landkomtur ein Rechtsgutachten in Nürnberg eingeholt und sich zu weiteren Untersuchungen entschlossen. „Damit war das Schicksal der vielfachen Mutter besiegelt, denn unter der Folter brach sie schließlich zusammen, gestand alle möglichen Hexenverbrechen und wurde schließlich zum Tod durch Verbrennen verurteilt“, schreiben die Sozialdemokraten weiter.
Als „Gnadenakt“ sei es verstanden worden, dass die Bösmüllerin vor der Verbrennung durch den Henker erwürgt worden war. So habe sie nicht bei lebendigem Leib verbrennen müssen.
Der Fall bewegte auch die Weißenburger Bühne ‘87 zu dem Theaterstück „Die Bösmüllerin oder die Jagd nach der Weißenburger Hexe“. Seit 2011 sind die historischen Geschehnisse im Programm der Theatergruppe und der Weißenburger Nachtwächterin. Dem SPD-Schreiben zufolge lösen sie „bei Besuchern und Teilnehmern regelmäßig Verwunderung über die Rechtslage der Zeit, Abscheu vor dem brutalen Vorgehen und schließlich große Betroffenheit aus“.
Grund genug für die Sozialdemokraten, an die Bösmüllerin und ihre Geschichte auch mit einer Hinweistafel zu erinnern. „Gerade vor dem Hintergrund des weit verbreiteten Mobbings und dessen schneller Verbreitung durch die sozialen Medien“ sei das Schild „ein deutliches Zeichen“, aus der Geschichte zu lernen und „heutigen Formen menschlicher Hetze nicht zu erliegen“.
Stadtarchivar Reiner Kammerl zufolge wurden neben der Bösmüllerin vier weitere Frauen in Weißenburg als Hexen verfolgt. Margarethe Seybold war aber die einzige, die hingerichtet wurde, berichtete er im Hauptausschuss. Bei einer weiteren Verfolgten, die ebenfalls inhaftiert gewesen sei, sei es nicht mehr zum Prozess gekommen, weil sie bereits vorher zu Tode kam.
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