Weißenburger SPD zeichnet zwei Urgesteine aus
21.11.2019, 05:57 UhrDer frühere Weißenburger Oberbürgermeister, der lange schon nicht mehr in der Stadt wohnt, aber ihr und vor allem dem SPD-Ortsverein immer noch eng verbunden ist, konnte allerdings aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Feier teilnehmen. Ortsvereinsvorsitzender Sven Emmerling filmte daher die Laudatio von Günter Kreißl, um das Video an den 87-jährigen Jubilar nach Erlangen zu senden.
Kreißl verknüpfte in seiner völlig frei und ohne jegliches Manuskript gehaltenen Laudatio bundespolitische Aspekte und lokale Weißenburger Ereignisse der vergangenen 60 Jahren miteinander. Nachdem es der Weißenburger SPD 1966 nicht gelungen war, mit dem einheimischen Kandidaten Walter Schuster den von der CSU unterstützten Oberbürgermeister Horst Lenz aus dem Amt zu kegeln, sollte es 1972 "ein junger, in Weißenburg völlig unbekannter und unbeleckter Kandidat" schaffen, erinnerte sich Kreißl.
Und so wurde der junge Regierungsdirektor Günter W. Zwanzig aus Rheinland-Pfalz geholt. Zunächst kam er im Kreißlschen Haus in einer Mansardenwohnung unter, weshalb ihn der Laudator, der damals Abiturient war, von Anfang an kennenlernte.
Zwanzig habe "einen Wahlkampf hingelegt", wie man ihn bisher in Weißenburg nicht kannte: Er sei auf die Straße gegangen, habe sich vorgestellt und den Menschen die Hände geschüttelt. Er sei aber auch von Haustür zu Haustür gezogen. Sonntags habe er die umliegenden Orte besucht. "Jeden Sonntag war er bei einem Gottesdienst in einer anderen Kirche", schilderte Kreißl. Und unter der Woche habe er auch schon mal Bauern auf den Dörfern, die erst noch zu Ortsteilen werden sollten, auf den Feldern geholfen.
Diese Intensität sei aber auch nötig gewesen, um den "schier übermächtigen, unwahrscheinlich vernetzten und von der lokalen Presse unterstützten" CSU-Kandidaten Wolfgang Wohlleben etwas entgegensetzen zu können. Dritter Bewerber im Bunde war damals Realschuldirektor Hermann Beck. Tatsächlich sei es Zwanzig gelungen, den CSU-Bewerber in die Stichwahl zu zwingen und ihn in dieser sogar mit 54 zu 46 Prozent der Stimmen zu besiegen.
Zwanzig habe sein unkonventionelles Auftreten aber auch danach nicht gelassen. So sei er beispielsweise als OB mit dem Fahrrad zum Rathaus gefahren, was damals für viele Weißenburger undenkbar gewesen sei.
Aber er habe in seiner zwölfjährigen Amtszeit auch viel für Weißenburg getan und erreicht. Er habe die Grundlagen für die Altstadtsanierung gelegt sowie "gegen schärfsten Widerstand im Stadtrat" die Karmeliterkirche gerettet und zum Kulturzentrum mitten in der Stadt umbauen lassen. "Und so hat er vieles durchgesetzt", unterstrich Kreißl.
Nachhaltig für die Stadt wirke aber auch der Hochwasserschutz. Entstanden sei dabei beispielsweise der Aumühlweiher und das große Regenrückhaltebecken unter der Spitalanlage. "Das ist freilich nichts, womit sich sonderlich in der Öffentlichkeit werben lässt", machte der Laudator deutlich, um anzufügen: "Es gebe noch viel aus seiner Amtszeit zu erzählen." Kreißl ist auf jeden Fall überzeugt, dass sein Parteifreund "in Weißenburg etwas hinterlassen hat, auf dem seine Nachfolger immer noch aufbauen können".
Geehrt wurde bei der Feierstunde ferner Andre Bengel. Er gehört der SPD seit 25 Jahren an und ist aktuell Fraktionsvorsitzender der Sozialdemokraten im Stadtrat. Er sei "ein Treiber und ein Macher in unserem Ortsverein", lobte die stellvertretende Vorsitzende Elisabeth Pecoraro, während ihm Vorsitzender Sven Emmerling die Ehrenurkunde samt roter Nelke und ein Buch überreichte.
40 Jahre halten den Sozialdemokraten außerdem Günter Pribil und Friedel Ihmig die Treue. Sie waren beim Ehrungsabend nicht anwesend. Ihnen werden die Urkunden und Buchpräsente separat verliehen.
Wichtig seien der SPD aber nicht nur ihre Jubilare, sondern auch ihre Neumitglieder, machten Emmerling und auch Oberbürgermeister Jürgen Schröppel in seinem Grußwort zum Ehrungsabend deutlich. Daher erhielten bei dieser Gelegenheit Larissa
Joyce, Andreas Kreißl, Christopher Sand, Rüdiger Schmidt und Ulrich Schild von Spannenberg ihre Parteibücher.
Ein solches hat bereits seit 60 Jahren Ursula Stief, die man nicht nur deshalb "getrost als SPD-Urgestein bezeichnen" darf, merkte Ortsvereinschef Emmerling an. Angeschlossen habe sie sich der Partei 1959, zwei Jahre nachdem die Union mit Kanzler Konrad Adenauer im Bundestag die absolute Mehrheit errang. "Da in die SPD einzutreten, spricht für Dich", merkte Emmerling spaßhaft an.
Und Günter Kreißl verwies darauf, dass zu jener Zeit ein Umdenken in der Partei einsetzte, um sie von der reinen Arbeiter- zu einer Volkspartei zu entwickeln. In dieser Zeit kam Stief von München nach Weißenburg, denn ihr Mann Peter wurde Geschäftsführer der neuen SPD-Unterbezirksgeschäftsstelle in Weißenburg. Dort und später in vielen anderen Funktionen engagierte sich Stief in der Weißenburger SPD ehrenamtlich, beispielsweise als Kassierin und Schriftführerin. Kreißl: "Was andere nicht machen wollten, da sagte Ursel: Na gut, dann mach‘ ich es eben."
Sie habe auch eine Falken-Jugendgruppe in Weißenburg gegründet, zusammen mit Anna Gebhardt das seinerzeitige Seniorenzentrum der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in der Stichvilla aufgebaut, regelmäßig die Awo-Losbuden auf der Kirchweih organisiert, bei Wind und Wetter für die Awo Spenden gesammelt, sie sei seit Jahrzehnten Mitglied der Naturfreunde und im Sängerkreis.
"Nächstenliebe ganz oben"
Doch damit nicht genug, auch privat habe sie sich stets für andere Menschen eingesetzt. Kreißl erinnerte daran, dass Stief Tschernobyl-Opfer, die zur Erholung nach Weißenburg kamen, ebenso bei sich aufgenommen hat wie Flüchtlinge. "Nächstenliebe steht auf ihrer To-do-Liste ganz oben", würdigte Kreißl und unterstrich: "Sie hilft, wo sie kann. Ursel ist immer da, wenn sie gebraucht wird."
Für ihr Engagement ist sie mit der Georg-von-Vollmar-Medaille, der höchsten Auszeichnung der Bayern-SPD und dem Bundesverdienstkreuz bedacht worden. Mit der Ehrung für 60 Jahre Treue zur SPD komme nun eine Auszeichnung hinzu, die in ihrem Falle etwas Besonderes sei, weil sie in all den Jahren keine Karteileiche, sondern immer für andere da gewesen sei.
Bei der Übergabe der Ehrung beschied Elisabeth Pecoraro der Jubilarin: "Ich habe so hohen Respekt vor Dir." Besser hätte man die Lebensleistung von Ursula Stief nicht würdigen können.
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