Wenn das Seidla nach Grapefruit riecht

10.9.2012, 17:40 Uhr
Wenn das Seidla nach Grapefruit riecht

© Brauerbund

„Mit dem Hopfen kann man im Bier unheimlich viel spielen.“ Alexander Welzel aus Ellingen muss es wissen. Er vertreibt nicht nur diverse Hopfen­sorten vom Hallertauer bis zu englischen, kanadischen, amerikanischen oder neuseeländischen Dolden oder Pellets. Er braut auch mit zwei Kumpels seit fünf Jahren in der Deutschordensstadt eigenes Bier – frei nach dem Motto „Versuch und Irrtum“. Manchmal, so geben Welzel und seine mitbrauenden Freunde Steffen Hemmeter und Manuel Gracklauer unumwunden zu, „schmeckten die 40 Liter nicht“. Nach der Flaschengärung, die das Trio für seine Biere bevorzugt, geht der Sud weniger schnell zur Neige oder – in seltenen Fällen – ganz in den Ausguss.

Doch viel öfter ist ein Aha-Erlebnis angesagt, wenn Hopfensorten wie Cascade oder Nelson Sauvin dem Bier Noten von Zitrus und Grapefruit oder Traube und Stachelbeere verleihen. „Blonde Ale“ nennen die Hobbybrauer ihre Biere dann – oder „Tsunami Stout“, „Barley Wine“ und „American Amber Ale“. „Gute Biere sind bei uns immer ruck, zuck weggetrunken“, lacht Hemmeter und rührt im alten Wurstkessel, der als Sudkessel dient. Zahlreiche Biersorten und -stile hat das Trio mittlerweile gebraut und getestet – mit dem umfangreichen Hopfenfundus von Welzel im Hintergrund.

Manchmal rar und teuer

53 Sorten Hopfen aus aller Welt hat er in seinem Internet-Shop (www.hopfen-der-welt.de) zusammengetragen, die 100er-Marke versucht er noch heuer nach der neuen Ernte anzupeilen. Dann will der Ellinger auch Spalter und die neuen deutschen Hopfen­sorten, die ebenfalls auf Fruchtnoten gezüchtet wurden, im 100-Gramm-Vakuumbeutel versenden – und vielleicht auch den raren japanischen „Sorachi Ace“. Aber der ist schwer zu bekommen und ebenso teuer.

Wenn das Seidla nach Grapefruit riecht

© Heubeck

Mittlerweile ordern auch Brauereien bei dem Ellinger – vor allem jene Brauer, die mit neuen Hopfensorten  jenseits von Spalter Select und Hallertauer Mittelfrüh experimentieren. Zu denen, die gerne Neues probieren und ausprobieren, gehört auch Dietmar Gloßner. Jüngst hat der Chef der Nennslinger Ritter St. Georgen-Brauerei das erste Indian Pale Ale, im Brauerjargon kurz IPA genannt, auf den Markt gebracht – und Erfolg in der Nische. „Der erste Sud ist fast ausverkauft, der zweite ist angesetzt.“ Vier Hopfensorten und ein spezielles Pale-Ale-Malz aus Gerste setzt Gloßner für das kupferfarbene Bier ein, das von blumigen Hopfennoten und schmeckbarer Bitterkeit geprägt wird. Es ist jenen englischen Bieren nachempfunden, die von Großbritannien in die Kolonie Indien verschifft wurden und deutlich stärker im Alkohol wie in der Hopfengabe waren – schließlich mussten sie den langen Seeweg unbeschadet überstehen.

„Ich trinke diese Biere selbst sehr gerne“, sagt Gloßner. Die eigene Vorliebe führte letztlich zum „Red Ale“ – freilich kein Bier für jeden Tag oder einfacher Durstlöscher. Davon will Gloßner mit seinem Spezialbier weg: „Das ist etwas zum Genießen.“
Auch der Preis für einen Kasten der Drittel-Liter-Flaschen geht in die­se Richtung, schließlich ist der Wa­reneinsatz höher und der Aufwand enorm. Denn der Nennslinger Braumeister nutzt für sein „Red Ale“, das nach dem Deutschen Reinheitsgebot entsteht, die Kalthopfung. Die Dolden oder Pellets werden dabei dem abgekühlten Sud zugegeben. Der Vorteil: Der Hopfen gibt vor allem seine blumigen Noten, weniger jedoch die Bitterkeit an das Bier ab. Danach reift der Sud in der Ritter-Brauerei zwölf Wochen, bevor er auf die Flasche gefüllt wird.

Dass ein solch lange gelagertes Bier nicht zum Supermarkt-Kampfpreis der Industriegebräue zu haben ist, versteht sich von selbst. Machbar ist das Gloßner zufolge nur, „weil wir kleine Sude machen können“. Zig Hektoliter einzubrauen von solchen Spezialbieren, wäre ein zu großes Risiko – auch wirtschaftlicher Art.
Dietmar Gloßner will mit seinen Spezialbieren auf jeden Fall weitermachen – „starker Ritter“ oder das naturtrübe Kellerbier „Kult“ haben mittlerweile ihre biergenießenden Fans gefunden – wie übrigens auch die Kellerbiere, Zwickel oder Bern­steinmärzen anderer heimischer Brauereien. Doch Pale Ales und andere Sorten werden seiner Einschätzung nach Nischenbiere bleiben. Er selbst will sein „Red Ale“ künftig über einige der  mittlerweile zahlreichen Internet-Biershops vertreiben und weiterhin Neues ausprobieren.

Dass bei den Brauern in den Spe­zialbieren oft viel Herzblut hängt, dokumentiert Marlies Bernreuther von der Pyraser Brauerei. Sie hat heuer ihr erstes „Imperial Pale Ale“ mit 8,2 Prozent Alkohol und kupferner Farbe vorgestellt. In der Serie „Pyraser Herzblut“ soll es nach und nach fünf Bierspezialitäten fernab von Hell und Weizen geben.

Im Tequila-Fass gereift

Andere Brauereien stehen der neuen Bierkultur in nichts nach. So braut der Weißenburger Thomas Schneider in seiner Heimat Spezielles wie das „Schwarze“, doch wirklich experimentell geht es in seiner Leipziger Gose-Brauerei zu: Dort wird der „Gosenator“ in gebrauchten Tequila-Fässern gereift oder ein Porter-Bier hergestellt, das vor allem in Amerika die Bierfans erfreut.

Wenn das Seidla nach Grapefruit riecht

© Heubeck

Dass die Biertrinker heute die Vielfalt schätzen, hat auch Bernhard Hecht in Zimmern zu spüren bekommen. Der Braumeister wollte in seiner Garagenbrauerei eigentlich nur zwei oder drei Sorten wie helles und dunk­les Landbier sowie Weizen brauen, mittlerweile kamen Bernsteinbock, zwei Roggenbiere und für die Weihnachtszeit Starkbiere wie der „WeiWeiDoBo“ (Weihnachtsweizen-Doppelbock) hinzu, den es sogar in ungewöhnlichen Steingutflaschen gab.

Der Vielfalt der Biere und deren fast unendlichen Einsatzmöglichkeiten vom Durstlöscher bis hin zum Begleiter von ganzen Gourmet-Menüs oder der Basis als Mixgetränke und Cocktails redet auch Markus Böhm das Wort. Er ist Altmühlfrankens ers­ter Biersommelier und will mit Ver­kostungen und speziellen Veranstaltungen dem Gebräu aus Wasser, Malz und Hopfen neue Beachtung verschaffen und dessen Genusswert heben.

Etwa im „Spalter Sprizz“, in dem statt Prosecco das Spalter Bier perlt. Das gibt die regionale Note ins aperolrote Kultgetränk: Brombachsee mit Italo-Feeling.

0 Kommentare