Zwei Jahre Haft wegen sexuellen Missbrauchs im Internet

21.6.2015, 06:00 Uhr
Zwei Jahre Haft wegen sexuellen Missbrauchs im Internet

© dpa

Am Ende halfen alle Ausreden nichts. Das Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Christian Eichhorn wollte nicht an so viele Zufälle und Ausreden glauben. Dass Andreas H. (Name geändert) sein Handy verloren hatte, auf dem die Kripo Ansbach dann später den belastenden und eindeutig sexuellen Chat mit Kindern sicherte. Dass das kinder- und jugendpornografische Bildmaterial auf den beiden Laptops, zu denen angeblich jeder in dem „offenen Haus“ auf dem Jura Zugang hatte, nicht von ihm heruntergeladen wurde. Und auch nicht, dass die sechs bis sieben jungen Männer, mit denen sich der Angeklagte angeblich unter anderem in Nürnberg traf, ebenfalls seinen Laptop wochenlang benutzen konnten.

Denn wer überlässt schon gerne für mehrere Wochen einen Computer, auf dem sämtliche Passwörter für Chats, Skype und Co. gespeichert sind, an Personen, von denen er nicht einmal die Namen kennt? Wohl niemand. Und so wollte auch Oberstaatsanwalt Alfred Huber von Anfang an nicht glauben, welche Version Andreas H. dem Gericht da auftischen wollte. „Für wie blöd halten Sie mich denn eigentlich?“, fragte der Vertreter der Strafverfolgungsbehörde sichtlich ungehalten. Dass H.s verschollenes Notebook, auf dem sich zehn kinder- und zehn jugendpornografische Bilder befanden, ausgerechnet kurz vor der Hausdurchsuchung wieder aufgetaucht sein soll, sei schließlich ein komischer Zufall. Dass sich auf einem weiteren mobilen Computer fast ebenso viel kinder- und jugendpornografisches Material befand, erhöht die Wahrscheinlichkeit nur, dass es eben kein Zufall ist.

Huber sah es deshalb als erwiesen an, dass der 27-Jährige seit seiner Kindheit ein Problem und pädophile Neigungen hat. Schon einmal hatte er sich als damals noch 13-Jähriger an einer 7-Jährigen vergangen, ging aber – weil strafunmündig – straffrei aus. „Leute wie Sie wandern irgendwann in den Knast“, kündigte Huber während der Beweisaufnahme an. „Mit diesem Krampf kommen Sie hier nicht durch.“

H.s Verteidiger übersetzte seinem Mandanten die Mahnung des Staatsanwalts noch einmal mit eigenen Worten: „Er glaubt Ihnen kein Wort, dass die Computer von anderen missbraucht wurden. Nach der Beweisaufnahme gibt es keinen Weg mehr zurück.“ Oberstaatsanwalt Huber versuchte mehrmals, H. zu einem Geständnis zu bewegen: „Das ist die allerletzte Sauerei, dass die zwölfjährigen Mädchen jetzt noch einmal ihre Geschichte erzählen müssen.“ Ohne Erfolg. Welche Version die beiden zum Tatzeitpunkt erst 11- und 13-jährigen Mädchen im Zeugenstand erzählten, kennt nur das Gericht, weil die Öffentlichkeit während der Vernehmung aus Rücksicht auf die Mädchen ausgeschlossen wurde. Der Angeklagte hatte sie nicht vor ihrer Aussage verschont und blieb dabei: „Ich kann nichts gestehen, was ich nicht gemacht habe.“

H.s Anwalt fuhr in seinem Plädoyer nach den Zeugenaussagen zweigleisig und behauptete: „Keiner kann meinen Mandanten als Täter überführen – in dubio pro reo (Im Zweifel für den Angeklagten, Anm. d. Redaktion).“ Zudem hätten die Mädchen sich aus freien Stücken in Chats begeben, wo sie nicht hingehört hätten. Falls es zu einer Verurteilung kommen sollte, hielt der Verteidiger eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, für gerecht. Schließlich gehe sein Mandant trotz des seit einem Jahr laufenden Verfahrens regelmäßig zur Arbeit, das drohende Urteil schwebe immer über ihm. Die Ablehnung seines Mandanten, eine Therapie zu beginnen, begründete der Anwalt so: „Warum sollte er sich therapieren lassen, wenn er es nicht war?“ Eine Therapie kann das Gericht nur auferlegen, wenn dazu die Bereitschaft vorliegt und wenn die Strafe noch zur Bewährung ausgesetzt ist.

Im sogenannten „Letzten Wort“ hatte H. nicht viel zu sagen: „Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“ Reue oder Bedauern äußerte er jedenfalls nicht.
In seiner Urteilsbegründung erläuterte Richter Eichhorn, warum das Schöffengericht H.s Version keinen Glauben schenken wollte: Zum einen habe er keine einzige der „sechs bis sieben Personen“, die angeblich Zugriff auf die Laptops hatten, mit Namen benennen können. Zum anderen seien die Chats, die ein Computerexperte rekonstruieren konnte, immer nach dem gleichen Muster und mit ähnlicher Wortwahl verlaufen. Selbst die orthografischen Probleme, die H. hat, hätten für das Gericht keine Zweifel aufkommen lassen, dass H. der Täter ist: „Weitere Dritte konnten nicht ermittelt werden.“

Letzten Endes hätten die beiden Mädchen, die H. erst in dem Portal „Knuddels“ und dann später via „Skype“ und „What’s App“ kontaktierte, Glück gehabt, dass es zu keinem realen Treffen kam – obwohl H. es darauf angelegt habe. „Man mag sich gar nicht ausmalen, was dann passiert wäre“, sagte Oberstaatsanwalt Huber.

Nur weil sich ein Mädchen ihren Eltern anvertraut hatte und diese zur Polizei gingen, habe man die „tickende Zeitbombe“ noch entschärfen können. Eine Freiheitsstrafe unter zwei Jahren hielt das Schöffengericht Richter Eichhorn zufolge nicht mehr für angemessen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, weil Revision eingelegt werden kann.
 

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