Aufgeworfen hat sie Mitte des 20.Jahrhunderts der Zoologe Karl von Frisch. Der hatte nicht nur das Gehör von Fischen nachgewiesen, sondern auch eine Kommunikation unter Bienen. "Tanzsprache" nannte von Frisch das. Eine Sammler-Biene zeigt ihren Artgenossen durch gezielte Bewegungen im Stock, wo sie eine lohnende Futterquelle entdeckt hat. Die Wegbeschreibung teilt sie per Tanz-Choreographie mit.
"Sie läuft mit raschen, trippelnden Schritten auf dem Fleck der Wabe, wo sie gerade sitzt, in engen Kreisen herum, den Sinn der Drehung häufig ändernd, sodass sie einmal rechts herum, dann wieder links herum rast", beschrieb von Frisch das im Jahr 1927. Vor der Drehung bewegt sich die Biene einige Sekunden geradeaus, während sie mit dem Hinterteil wackelt.
Ein Tanz zeigt die Richtung
"Die Richtung, in der die Biene auf der Wabe tanzt, zeigt die Himmelsrichtung an, in der das Ziel liegt", erklärt Kohl. "Die Entfernung zu der Futterquelle wird über die Dauer des geraden Laufs bestimmt." Der Gang geradeaus könne maximal etwa zwölf Sekunden dauern, "sonst verstehen die anderen Bienen das nicht mehr."
Gefährliche Seuche: Bienen in Treuchtlinger Ortsteil bedroht
Vor allem für die Beschreibung der Bienensprache erhielt von Frisch 1973 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin. Eines konnte der Tierforscher allerdings nicht entschlüsseln: "Ihm ist aufgefallen, dass der Code für die Distanzen bei der Niederösterreichischen Biene anders war als bei italienischen Verwandten", sagt Kohl. Der Wackeltanz dauerte für die gleiche Entfernung unterschiedlich lange.
"Von Frisch hatte die Hypothese, dass das mit dem Aktionsradius der Bienen zusammenhängt", beschreibt Kohl. Je nach Umgebung müssen sich die kleinen Insekten unterschiedlich weit bewegen, um Futter zu finden. Stämme, die zur Nahrungssuche kürzer fliegen als andere, bekommen in maximal zwölf Sekunden Schwänzeltanz eine genauere Ortsangabe hin. "Man müsste also verschiedene Honigbienen-Arten vergleichen", führt Kohl den Gedankengang weiter.
Schon in den 1980er-Jahren sei das in Studien geschehen – allerdings mit einem entscheidenden Fehler: "Ohne Videokameras konnte man nicht die exakte Schwänzeldauer messen", sagt Kohl. Stattdessen griff man auf ungenaue Messmethoden zurück. Dem Biologen, der selbst Imker ist, fiel das während seines Studiums auf. "Da dachte ich mir: Das müssen wir wiederholen, aber diesmal mit Videos!"
Als Masterstudent organisierte sich Kohl ein Stipendium des "Bayerisch-Indischen Zentrums für Wirtschaft und Hochschulen" mit Sitz im oberfränkischen Hof. Damit flog er für einen Feldversuch in die südindische Stadt Bangalore – "weil dort drei Bienenarten natürlich vorkommen". Im Botanischen Garten einer Universität gewöhnte Kohl mithilfe seines Kommilitonen Benjamin Rutschmann die Tierchen an einen Köder und maß über 1000 Mal die genaue Schwänzeldauer bei unterschiedlichen Entfernungen.
Keine Bienen ohne Imker: Ein Besuch Rothaurach
Mit Erfolg: "Wir konnten bestätigen, dass es Dialekte gibt", freut sich Kohl. Die Riesenhonigbiene tanzte etwa für die gleiche Futterentfernung kürzer als die Zwerghonigbiene. "Die Bienen mit dem kleinsten Sammelradius geben die präzisesten Ortsangaben", schlussfolgert Kohl. Damit ist für ihn auch klar: Frankens Bienen verständigen sich in einer anderen Mundart als ihre Zeitgenossen jenseits der Alpen.
Für alle Imker hat diese Erkenntnis einen interessanten Nebeneffekt: Wer sich verschiedene Honigbienenarten in einem Stock hält, hat vermutlich ein Problem, mutmaßt Kohl: "Die können sich untereinander nicht verstehen."