55.000 Tonnen Bauschutt

Nach 33 Jahren: Das müssen Schaulustige zur XXL-Sprengung heute in Franken wissen

Benjamin Jungblut

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16.8.2024, 07:08 Uhr
Freitag ist es so weit: Die Kühltürme des abgeschalteten Atomkraftwerks Grafenrheinfeld werden gesprengt.

© Karl-Josef Hildenbrand/dpa Freitag ist es so weit: Die Kühltürme des abgeschalteten Atomkraftwerks Grafenrheinfeld werden gesprengt.

Es ist das Ende einer Ära: Am kommenden Freitag, 16. August, um 18.30 Uhr werden die beiden 143 Meter hohen Kühltürme des stillgelegten Atomkraftwerks Grafenrheinfeld gesprengt – so nichts dazwischenkommt. "PreussenElektra weist darauf hin, dass die Sprengung in Folge unvorhergesehener externer Ereignisse auch kurzfristig noch verschoben werden kann", heißt es in einer Pressemitteilung. Gut drei Millionen Euro kostet der Abbruch der Kolosse.

Die beiden Bauwerke werden nicht gleichzeitig, sondern mit einem zeitlichen Abstand von etwa 15 Sekunden gesprengt. Dadurch soll der sogenannte Sprengknall deutlich reduziert werden. Wie Almut Zyweck, Sprecherin von PreussenElektra, ausführt, sei der Donnerknall eines Gewitters in der Nähe oder der Überschallknall eines Militärflugzeuges im Vergleich dazu um ein Vielfaches lauter. Ohrenschützer würden also nicht benötigt.

Zunächst jedoch wird die Sprengung durch Sprengsignale, sogenannte Fanfarenstöße, angekündigt. Unmittelbar davor soll es einen Knall geben. Mit dieser sogenannten Vergrämungssprengung soll verhindert werden, dass Tiere wie Vögel, die noch auf den Kühltürmen sitzen, zu Schaden kommen. Die eigentliche Sprengung soll dann in lediglich 30 Sekunden über die Bühne gehen.

Kraftwerksbetreiber beruhigt: kurzzeitig auftretende Staubwolke wohl nicht gesundheitsschädlich

Direkt danach kann kurzzeitig viel Staub in unmittelbarer Nähe des Kraftwerksgeländes in der Luft sein. Die Staubwolke wird sich aber wahrscheinlich nach wenigen Minuten aufgelöst haben. Der Kraftwerksbetreiber rechnet auch nicht mit einer gesundheitsschädlichen Wirkung durch Feinstaub für Anwohner, weil Wohnhäuser schlicht zu weit weg sind.

55.000 Tonnen Bauschutt werden durch die Sprengung der beiden Kühltürme anfallen. Circa zwei Drittel davon sollen zum Verfüllen einer der beiden Kühlturmtassen verwendet werden.

55.000 Tonnen Bauschutt werden durch die Sprengung der beiden Kühltürme anfallen. Circa zwei Drittel davon sollen zum Verfüllen einer der beiden Kühlturmtassen verwendet werden. © Karl-Josef Hildenbrand/dpa

In Summe fallen rund 55.000 Tonnen Bauschutt an. Ungefähr zwei Drittel davon verbleiben vor Ort und werden zum Verfüllen von einer der beiden Kühlturmtassen benötigt. Der restliche Beton, Kunststoffe und Metalle werden dem Wertstoffkreislauf wieder zugeführt. Der durch die Sprengung der Türme freigewordene Platz soll später als Lagerfläche für Materialien aus dem Rückbau des Kraftwerks dienen, schreibt das Unternehmen auf seiner Website.

Seit April 2018 befindet sich das Kraftwerk nun im Rückbau, seit Dezember 2020 ist es brennstoffrei, seit 2023 auch wasserfrei – die Voraussetzung dafür, dass das nächste Großprojekt, die Zerlegung und Verpackung des Reaktordruckbehälters beginnen konnte. Jetzt also sollen auch die Kühltürme fallen.

Diese Regeln gibt es für Besucher am Tag der Sprengung

Wie Andreas Lösch, Pressesprecher des Landratsamtes Schweinfurt, erklärt, wird für die Öffentlichkeit ein Absperrbereich errichtet werden. Dieser werde durch Sicherheitskräfte abgesperrt und durchgehend kontrolliert und, sofern erforderlich, durch Absperrband ergänzt. Darüber hinaus werden Zuwege bei Bedarf für bestimmte Fahrzeuge gesperrt.

Das Gelände ist bereits gut gesichert, für die Sprengung wird es aber noch einen größeren Absperrbereich geben. 

Das Gelände ist bereits gut gesichert, für die Sprengung wird es aber noch einen größeren Absperrbereich geben.  © IMAGO / Fotostand

Das Landratsamt rechnet mit zahlreichen Schaulustigen. Diese können öffentliche Wege und öffentlichen Grund außerhalb des abgesperrten Bereiches grundsätzlich betreten, Privatgrund selbstverständlich nur mit Einverständnis des Eigentümers. Wie das Amt ausführt, ist es hierbei in jedem Fall wichtig, dass die Verkehrssicherheit gewährleistet ist und die Rettungs- und Fluchtwege frei befahrbar sind.

Wegen Kühlturm-Sprengung: Vier Hochspannungstrassen müssen abgeschaltet werden

Zu einer kurzfristigen Verschiebung der Sprengung könnte es kommen, wenn am eigentlich geplanten Termin zu viel Windstrom in das deutsche und europäische Versorgungsnetz drückt. "Eine Überlastung des Stromnetzes aufgrund hoher Windeinspeisung und gleichzeitiger Abschaltung einzelner Stromkreise wird Tennet vermeiden", sagt Markus Lieberknecht, Sprecher des Stromnetzbetreibers Tennet.

Damit gesprengt werden kann, müssen vier von fünf 380-Kilovolt-Hochspannungstrassen, die in Grafenrheinfeld zusammenkommen und für die Stromversorgung von Europa wichtig sind, abgeschaltet werden. «Denn legt sich nach der Sprengung zu viel Staub auf die Isolatorenketten der einzelnen Stromkreise», könne dies zu einer Betriebsunterbrechung der einzelnen Stromkreise führen, erklärt Lieberknecht.

Sollten die Wetterprognosen auf viel Windstrom hindeuten, so stünden an den folgenden Tagen und an den Folgewochenenden weitere geplante Abschaltefenster zur Verfügung, in der die Kühltürme gesprengt werden könnten. Es liegt also im Bereich des Möglichen, dass es mit der Sprengung am 16. August kurzfristig nichts wird.

Im Dezember 1981 wurde das Kernkraftwerk Grafenrheinfeld im Landkreis Schweinfurt in Betrieb genommen, die jährliche Stromproduktion belief sich durchschnittlich auf über zehn Milliarden Kilowattstunden. Doch die Nuklearkatastrophe von Fukushima besiegelte das Ende des Werks: Die EU veranlasste damals einen "Stresstest für Kernkraftwerke". Im Ende 2012 veröffentlichten Abschlussbericht konstatierten die internationalen Atomexperten, die Anlage sei "nicht in ausreichendem Maß gegen Erdbeben ausgelegt". Am 27. Juni 2015 wurde das Werk in Grafenrheinfeld schließlich stillgelegt.

Vor über 40 Jahren wurde das Kernkraftwerk Grafenrheinfeld in Betrieb genommen. Diese Luftaufnahme aus dem Jahr 1977 zeigt seinen Bau.

Vor über 40 Jahren wurde das Kernkraftwerk Grafenrheinfeld in Betrieb genommen. Diese Luftaufnahme aus dem Jahr 1977 zeigt seinen Bau. © Preussenelektra GmbH/dpa