Stefan Peters
Fränkischer Schlagerstar: "Da gehen Existenzen kaputt"
4.6.2020, 06:10 UhrWarum lieben Sie den Schlager?
Stefan Peters: Ich bin in einer musikalischen Familie groß geworden. Mein Vater war Schlagzeuger, meine Mutter hat Trompete gespielt, mein Opa war Leiter eines Posaunenchors. Schlager hat mir von Anfang an gefallen, dafür habe ich eine Ader, damit kann ich mich identifizieren. Mit Schlagern kann ich etwas erzählen, meine Emotionen ausdrücken. Rapper zum Beispiel erzählen ja auch oft Geschichten. Ich kann das eben am besten mit Schlagern.
Was macht Ihnen mehr Spaß – zu produzieren oder selbst auf der Bühne zu stehen?
Das hält sich die Waage. Letztes Jahr waren wir mit den Schlagerpiloten von April bis Juni auf Tour, sind in der Zeit fast 30000 Kilometer gefahren. Da war ich dann froh, dass ich mal wieder ins Studio konnte. Umgekehrt ist es aber auch so, dass ich mich, wenn ich zwei Monate im Studio eine Produktion vorbereitet habe, nach der Bühne sehne.
Sie haben mit vielen großen Schlagerstars zusammengearbeitet, unter anderem mit Helene Fischer und Andrea Berg. Was sind das für Menschen?
Ich war neun Jahre musikalischer Leiter bei Andrea Berg und kann sagen, das ist eine ganz bodenständige Frau. Sie ist sehr gutherzig und eine aus der Mitte der Gesellschaft. Nicht abgehoben, keine Starallüren, sie ist im Gegenteil sehr hilfsbereit und entgegenkommend. Ein ganz toller Mensch! Für Helene Fischer habe ich einen Remix gemacht, da bin ich aber nicht so mit ihr in Kontakt gekommen, weil das eine reine Studioarbeit war.
Das Coronavirus hat die Welt zum Stillstand gebracht. Wie sind Sie persönlich von der Situation betroffen?
Mit den Schlagerpiloten sind wir gerade mit die erfolgreichste Schlagerband in Deutschland. Mit unserem neuen Album sind wir jetzt die fünfte Woche in den Top 10 der Charts. Jetzt können wir aber nicht raus zu unseren Fans und können den Erfolg gar nicht genießen. Bis September ist erst einmal alles auf Eis gelegt und verschoben. Da entsteht uns natürlich auch ein wirtschaftlicher Schaden.
"Die Sehnsüchte werden nicht mehr besungen"
Haben Sie erwartet, dass die Schlagerpiloten so ein Erfolg werden?
Ich habe natürlich überlegt, was man tun kann, um mal wieder ein erfolgreiches Projekt im Schlager zu platzieren. Mir sind ja schon mehrere solcher Sachen gelungen.
Zum Beispiel?
Die Sonja Liebing stammt aus meinem Stall und kommt ziemlich gut empor im Moment. Oder auch das bekannte Schlagerduo Fantasy, das zum Teil auf meinen Mist gewachsen ist. Nachdem die Flippers, die das letzte Trio im Schlager waren, ja aufgehört haben und sich Fantasy mehr Richtung Popschlager entwickelt hat, habe ich mir gedacht, es wäre mal wieder Zeit für eine richtige Schlager-Combo und habe mich gefragt, wo Bedarf besteht.
Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?
Die Sehnsüchte werden nicht mehr besungen. Alles geht nach vorne, alles macht Party, aber diesen klassischen Schlager bei dem man sich wegträumen kann, gibt es immer weniger. Deswegen auch der Name Schlagerpiloten. Die Leute steigen bei uns mit ein und fliegen in die Welt nach Santo Domingo und nach Hawaii. Wir sind sozusagen das singende Reisebüro. Wir haben uns dann auch noch weiße Pilotenanzüge besorgt. Das sind die Originaluniformen der Flugzeugträgerpiloten der US-Navy.
Was bedeutet es für Sie als Künstler, nicht mehr auftreten zu dürfen?
Ich lenke mich ab im Moment, ich habe einen Wintergarten gebaut aus alten, restaurierten Holzbalken. Hätte ich die Ablenkung nicht gehabt, dann wäre schon ziemlich schnell depressiv geworden. Jeder hängt in der Luft, keiner kann sagen, wann es weitergeht. Und so wie es aussieht, sind wir Künstler die Letzten in der Nahrungskette.
Schreibblockade durch Corona
Lässt sich der finanzielle Schaden, der der Branche entsteht, schon ermessen?
Sehr schwer. Aber man hört von allen Seiten die Leute stöhnen, dass sie an die Grenzen kommen. Es wird wahrscheinlich einige Insolvenzen geben. An der Branche hängen Verleihfirmen, Bookingfirmen, Musikmanager, Hallenbetreiber, Agenturen, Getränkelieferanten und so weiter. Die Lage ist sehr schwierig.
Sind die Künstler momentan trotzdem kreativ oder lähmt die Situation eher?
Die ersten drei, vier Wochen war fast Stillstand. Das war wie eine Schockstarre. Danach haben die ersten Kollegen die Zeit genutzt und angefangen zu komponieren. Ich habe ganz runtergefahren und dann einen Wintergarten gebaut. Zwischendurch war ich mal im Studio, wollte was schreiben. Aber ich hatte zu viele Quergedanken im Kopf, man ist nicht frei. Jetzt mit den Lockerungen kommt Bewegung ins Spiel und die Kreativität zurück. Die leidet natürlich, wenn alle depressiv sind. Vor allem im Schlager, der ja die heile Welt besingt.
Eine Branche im Tal der Tränen also?
Es gibt viele Kollegen, die nichts verdienen im Moment. Die sind abhängig von Live-Auftritten. Die stöhnen natürlich, das ist Wahnsinn. Da gehen Existenzen kaputt gerade.
Ist ihre auch in Gefahr?
Ich mache das jetzt schon 33 Jahre lang, habe meine Firma seit 1988. Ich habe mehrere Musikverlage, habe fast 1000 Songs komponiert, da bekomme ich natürlich GEMA-Einnahmen. Davon kann ich schon ganz gut leben. Aber wenn jemand nur von der Bühne lebt und keine finanziellen Rücklagen hat – in dessen Haut möchte ich nicht stecken.
"Bohlen duldet keine Götter neben sich"
Was ist der erfolgreichste Song, den Sie komponiert haben?
Oje (lacht). Ddas ist schwierig. Rein wirtschaftlich wahrscheinlich "Nicht irgendwann" von Andrea Berg.
Wie muss man sich eine Albumproduktion mit einem Top-Star wie Andrea Berg vorstellen?
Ich war ja in erster Linie zuständig für die Live-Tourneen. Und ab und zu habe ich auch einen Song mit ihr komponiert und produziert. In erster Linie war ja Dieter Bohlen Produzent und ich war für das Live-Geschäft verantwortlich.
Wie ist die Zusammenarbeit mit Bohlen so?
Können wir das überspringen? Er ist ein Platzhirsch und dudelt keine Götter neben sich. Bohlen ist einer, der will alles oder nichts.
Bohlen findet bewegende Flaschenpost in Igensdorf
Sie sind in Treuchtlingen geboren, ihr Studio ist in Rehlingen. Warum sind Sie der Region immer treu geblieben?
Ich war über zwei Jahre in der Schweiz als Berufsmusiker, war auch viel in Österreich und Südtirol. Aber daheim ist es am schönsten, ich bin ein bodenständiger Mensch. Ich bin sehr heimatverbunden, liebe mein Altmühltal. Wenn man mal richtig Heimweh hatte, dann merkt man, wo man hingehört. Ich war viel in der Welt unterwegs, aber daheim ist einfach daheim.
"Hoffentlich kommt keine zweite Welle"
Wagen Sie doch mal eine Prognose: Wann dürfen Sie wieder auftreten?
Tendenz Richtung September. Vielleicht gehen die Lockerungen dann so weit, dass wir kleine Hallen machen dürfen. Mit Sitzplätzen oder Sitzreihen, die leer bleiben und eben mit Maske. Hoffentlich bleibt diese prognostizierte zweite Welle aus. Wenn wir davon verschont bleiben, kann ich mir vorstellen, dass es im März oder April nächsten Jahres wieder einigermaßen normal läuft.
Wenn Sie sich einen Künstler aussuchen dürften mit dem sie mal zusammenarbeiten würden, wer wäre das dann?
Das ist schwer. Andreas Gabalier würde mir gefallen, mit dem habe ich schon mal ein bisschen was gemacht. Mein Freund Mathias Roska aus Berlin ist der Produzent von Gabalier. Der hat einen Riesenspaß mit dem Typen. Ich will da natürlich nicht dazwischenfunken, aber Gabalier würde mir Spaß machen. Michelle ist auch eine tolle Künstlerin. Gerne auch wieder Andrea Berg, Helene Fischer natürlich, auch Roland Kaiser.
Zur Person: Stefan Peters (bürgerlich: Stefan Pössnicker) wurde 1970 in Treuchtlingen geboren und erlernte den Beruf des Forstwirts. Anschließend begann er seine Karriere als Berufsmusiker in Bierzelten und Hotels. Heute ist er einer der gefragtesten Schlagerproduzenten Deutschlands und feiert als Mitglied des Trios Schlagerpiloten auch selbst Charterfolge. Als Produzent und Sänger holte er insgesamt 27 mal Gold und fünf mal Platin. Sein Tonstudio in Rehlingen verfügt über einen eigenen Wellness-Bereich.
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