Ende einer Männerfreundschaft

"The Banshees Of Inisherin": Eine irische Fabel über Freundschaft, Verrat und Einsamkeit

Ulrich Sonnenschein, epd

5.1.2023, 09:14 Uhr
Kontaktabbruch: Colm (Brendan Gleeson, rechts) beschließt, seinen langjährigen besten Freund Pádraic (Colin Farrell) einfach nicht mehr zu mögen.

© Walt Disney Company Kontaktabbruch: Colm (Brendan Gleeson, rechts) beschließt, seinen langjährigen besten Freund Pádraic (Colin Farrell) einfach nicht mehr zu mögen.

Es sind die Jahre des Aufruhrs: Der Unabhängigkeitskrieg von 1919 bis 1921 läutet den Beginn der Eigenständigkeit der irischen Republik ein, doch Gegner und Befürworter des anglo-irischen Vertrags bekämpfen sich auch noch danach bis aufs Blut. Auf der kleinen Insel Inisherin vor der Westküste des Landes allerdings weiß man wenig von den Konflikten.

Hier, wo es mehr Tiere als Einwohner und mehr Kreuze als Bäume gibt, ist die Zeit quasi stehengeblieben. Es passiert nicht viel im nebeligen Einerlei der Tage, und da ist es schon eine Sensation, wenn Colm (Brendan Gleeson) beschließt, seinen langjährigen besten Freund Pádraic (Colin Farrell) einfach nicht mehr zu mögen.

Es klingt wie ein böser Kommentar auf den Bürgerkrieg: Colm hält Pádraic plötzlich für zu langweilig. Er will komponieren, etwas hinterlassen, was die Zeit überdauert. "Aber doch nicht dieses bescheuerte Liedchen", spottet Pádraic und verlässt mehr traurig als wütend den Pub, den einzigen Ort der Zusammenkunft auf der Insel.

Bis tatsächlich jemand stirbt

Doch Colm meint es ernst. Sollte Pádraic ihn weiter belästigen, werde er sich einen Finger nach dem anderen abschneiden. Die Geister, so scheint es, haben sich seiner bemächtigt. Mit "The Banshees Of Inisherin" verfilmt Martin McDonagh, britischer Regisseur mit irischen Wurzeln, ein bislang unveröffentlichtes, von ihm selbst geschriebenes Theaterstück. Er kondensiert dabei die Besonderheiten der drei Inseln Inishmaan, Inishmore und Inisheer, auf denen er als Kind viele Sommer verbrachte, zur fiktiven Insel Inisherin (Erin ist der keltische Name Irlands).

Die "Banshees", jene irischen Folklore-Geister, die traditionell einen bevorstehenden Tod ankündigen, kehren hier wieder in Gestalt einer mythisch-hexenartigen Figur, die zeitlos alt, hellsichtig und teilnahmslos, etwas verrückt und doch scheinbar harmlos wirkt: Mrs. McCormick (Sheila Flitton) lebt in einer kargen Steinhütte am Ufer des Sees, und winkt immer wieder die Lebenden zu sich. Bis tatsächlich jemand stirbt.

McDonagh zeigt aber auch die Realien, die das Leben im Irland der 1920er bestimmten. Da ist die uneingeschränkte Obrigkeit der Kirche, eine korrupte Staatsmacht in Form eines Polizisten, der betrunken seinen Sohn befummelt; es gibt den Dorfladen, der zugleich Poststation und Ort des Austauschs von Neuigkeiten ist, und drum herum arme Farmer, die sich mit drei Kühen und einem Esel durchbringen müssen.

Zusammengehalten wird all das von tiefschwarzem Bier und der Musik, für die im Film der großartige Carter Burwell sorgt. McDonagh setzt erfolgreich auf stimmungsvolle Details, bis hin zur Spange der Chieftains, die Pádraics stolze Schwester Siobhan (Kerry Condon) als Brosche am Mantel trägt. Gegen die Unwahrscheinlichkeit, dass eine Bauerntochter im Jahr 1923 auf einer der Arainn Islands zwei Wintermäntel besitzt, dazu einen roten und einen gelben, steht der Symbolgehalt der Bürgerkriegsparabel. So wird "The Banshees Of Inisherin" vor einzigartiger Landschaft zu einer märchenhaften Fabel über Freundschaft, Verrat und Einsamkeit. (114 Minuten)

In diesen Kinos läuft der Film.

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